Wirksamkeit eines Testaments nach der Scheidung
BGH trifft praxisrelevante Grundsatzentscheidung
Der BGH hat sich zu der äußerst praxisrelevanten Frage geäußert, ob ein zugunsten eines Ehegatten errichtetes Testament nach der Scheidung auch dann unwirksam wird, wenn die Ehegatten bei Testamentserrichtung noch nicht verheiratet waren.
Der Bundesgerichtshof hat sich in einem Beschluss vom 22.05.2024 zu der Frage geäußert, ob ein Testament zugunsten eines Ehegatten durch die Scheidung auch dann unwirksam wird, sofern die ehemaligen Ehegatten bei Errichtung des Testaments noch nicht verheiratet waren. Da der Umgang mit solchen Konstellationen bis dahin äußerst streitig war, hat der Beschluss eine hohe Praxisrelevanz, insbesondere für geschiedene Ehegatten.
Erbvertrag war vor Ehe geschlossen worden
Zwei Erblasser schlossen, als sie sich noch in einer unehelichen Lebensgemeinschaft befanden, im Jahr 1995 einen Erbvertrag . Hierdurch setzten sie sich gegenseitig zu Ihren Alleinerben ein und den Sohn der Erblasserin sowie die beiden Kinder des Erblassers zu Schlusserben.
Die Erblasser heirateten im Jahr 1999, im Jahr 2021 wurde die Ehe wieder geschieden. Innerhalb des Scheidungsverfahrens hatten die Erblasser noch über die Aufhebung des Erbvertrages von 1995 verhandelt. Bevor eine Einigung hierüber erzielt werden konnte, starb die Erblasserin allerdings.
Sohn und Ehemann stritten gerichtlich um die Alleinerbschaft
Nach dem recht plötzlichen Tod der Erblasserin machte der inzwischen geschiedene Ehegatte gerichtlich geltend, dass er Alleinerbe seiner verstorbenen Ex-Ehefrau geworden sei und stützte sich auf den einst geschlossenen Erbvertrag. Der Sohn hingegen wendete sich gegen den Erbscheinsantrag und war der Ansicht, dass er Alleinerbe seiner Mutter geworden sei, da der Erbvertrag aufgrund der vorangegangenen Scheidung unwirksam geworden sei. Der Rechtsstreit ging schlussendlich bis zum Bundesgerichtshof, welcher im Mai 2024 beschloss, dass der geschiedene Ex-Ehegatte Erbe geworden war, da der Erbvertrag trotz der Scheidung weiter bestand habe.
§ 2077 Abs. 1 S. 1 nicht analog anwendbar, wenn Testament vor Eheschließung errichtet
Wenn Ehegatten in einem Testament ihren Ehegatten bedenken, dann wird diese Verfügung in aller Regel dann unwirksam, sobald die Ehe rechtskräftig geschieden wird. Das liegt an der Auslegungsregel des § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB. Dort heißt es:
„Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist.“
Trotz der scheinbar eindeutigen gesetzlichen Regelung, die nach der Scheidung die Unwirksamkeit des Erbvertrages vermuten lässt, sah der BGB diese Regelung im zu entscheidenden Fall nicht für anwendbar. Grund war, dass die Erblasser den Erbvertrag bereits zu einem Zeitpunkt geschlossen hatten, zu welchem sie noch nicht verheiratet waren. Nicht beachtlich sei hier gewesen, dass die Erblasser etwa vier Jahre nach Errichtung des Testaments noch geheiratet hatten. Für die Auslegung des Erbvertrages komme es nämlich auf den Zeitpunkt der Errichtung an. Und, so der BGH, zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages hätten die Erblasser die Erbeinsetzung nicht an den Fortbestand der Ehe geknüpft, da die Ehe zu dem Zeitpunkt noch nicht bestand.
BGH äußert sich damit zu lang umstrittener Grundsatzfrage
Der BGH hat mit seinem Beschluss eine Frage von großer Relevanz für die Praxis entschieden. Die Frage, ob die Regelung § 2077 Abs. 1 S. 1 auch analog auf die Fälle anwendbar ist, in welchen die Ehe zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments noch nicht bestand, später aber geschlossen und anschließend wieder aufgehoben wurde, ist seit langer Zeit heftig umstritten. Erblasser, die Ihren Ehegatten durch Testament oder Erbvertrag begünstigt haben, bevor sie die Ehe mit diesem geschlossen haben, sollten nach einer Scheidung unbedingt die erforderlichen Maßnahmen treffen, sofern sie nicht möchten, dass der Ehegatte trotz der Scheidung beim eigenen Tod weiter begünstigt wird.