Wie gerecht ist das Erben?

Höhere Steuern und Grunderbe?

Ob es gerecht ist, dass einige mehr erben als andere, darüber kann man gut streiten. Die Argumente in der Auseinandersetzung sollte man aber sorgfältig auswählen.

Veröffentlicht am: 27.12.2022
Qualifikation: Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater
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Die Debatte um die Erbschaftsteuer geht in die nächste Runde. Eingeläutet wurde diese von Yannick Haan. Der SPD-Politiker beschäftigt sich mit den „Auswirkungen von Ungerechtigkeit auf die Gesellschaft“ und hat kürzlich das Buch „Enterbt uns doch endlich“ geschrieben. Am 25. Dezember erschien ein Interview des Autors auf n-tv.de, das heute aktualisiert wurde und ein paar Fragen aufwirft.

Grunderbe – finanziert mit hoher Erbschaftsteuer

Haan macht den Vorschlag, dass jeder mit 18 Jahren vom Staat ein „Erbe“ in Höhe von 20.000 Euro erhalten soll, dass er für Studium, Ausbildung, Investitionen oder Ähnliches ausgeben soll. Finanziert werden soll dieses Grunderbe mit einer höheren Erbschaftsteuer (wie hoch auch immer die sein mag…) auf große Nachlässe. Eigentlich keine schlechte Idee. Mehr aber wohl nicht.

Das Steuersystem aus Sicht des Politikers

Haan behauptet, das „Steuersystem“ werde ab 10 Millionen Euro regressiv. Im Erbschaftsteuerrecht spiegelt sich das allerdings nicht wider. Die Steuersätze für Erbschaften und Schenkungen steigen kontinuierlich an – und zwar in allen Steuerklassen. Haans Aussage „Wer mehr erbt, zahlt weniger Steuern“ ist insoweit falsch, als die Mehrheit der Erben aufgrund der Freibeträge gar keine Erbschaftsteuer zahlt. Verkürzt ist auch die Behauptung, dass derjenige, der 300 Wohnungen erbt „nichts zahlt“, weil es sich um Betriebsvermögen handelt. Das ist nur der Fall, wenn es sich um ein „Wohnungsunternehmen“ im Sinne des Steuerrechts handelt und das Unternehmen von den Erben nach den gesetzlichen Vorgaben fortgeführt wird.

Ran an das Betriebsvermögen?

Insgesamt scheint Haan die Vergünstigungen für Betriebsvermögen als unfair zu empfinden. Dann sollte er das aber auch so äußern. Befremdlich sind seine Äußerungen zu den Familienunternehmen. Deren Besteuerung im Erbfall sei keine große Gefahr, weil es sich meist um Aktien handele, deren Besteuerung dem Unternehmen nicht schade. Herr Haan verkennt dabei, dass das typische deutsche Familienunternehmen alles andere als eine Aktiengesellschaft ist. Übrigens unterliegt die große Mehrheit der in Deutschland vererbten Aktien voll der Erbschaftsteuer, da sie nicht die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen erfüllen.

Böser alter weißer Mann

Natürlich liefert Haan auch das passende Feindbild für die Debatte. Es ist der „Prototyp des Durchschnittserben in Deutschland“, den Haan als älteren weißen selbständigen Mann ohne Migrationshintergrund beschreibt, um dann zu fragen: „Sieht so eine Gesellschaft aus, in der wir leben wollen?“ Diese Typen sollen wohl nicht weiter als Erben, sondern als Steuerzahler in Erscheinung treten. Herr Haan gehört übrigens nicht zu den alten, erbenden Männern. Er hat das Geld für seine zwei Wohnungen bereits mit 30 geerbt.