Wettbewerbsverbot und Geschäftschancen des Minderheitsgesellschafters

Warum es sich für Gesellschaft und Gesellschafter lohnt, zu kämpfen

Veröffentlicht am: 22.01.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Warum es sich für Gesellschaft und Gesellschafter lohnt, zu kämpfen

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig, LL.M. (Durham), Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Berlin

Unzweifelhaft sind die Gesellschafter einer GmbH dazu verpflichtet, das Wohl „ihrer“ Gesellschaft zu fördern und Schaden von ihr abzuwenden. Dies gilt im Grundsatz gleichermaßen für Mehrheitsgesellschafter wie auch für Minderheitsgesellschafter. Doch wie weit reicht diese Pflicht? Wo hört der pflichtgemäße Gemeinnutz auf, wo beginnt der zulässige Eigennutz?

Eine jüngere Entscheidung des OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.03.2019, 14 U 26/16, lenkt noch einmal den Fokus auf die praxisrelevante Frage, wann Gesellschafter, insbesondere Gesellschafter mit einer Minderheitsbeteiligung, einem Wettbewerbsverbot unterliegen und unter welchen Umständen ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot unwirksam sein kann. Die Entscheidung ist indes nicht nur für den typischen Minderheitsgesellschafter relevant, sondern auch für Arbeitnehmer, welche im Rahmen einer Mitarbeiterbeteiligung GmbH-Anteile halten.

Konkurrenzgeschäft durch Minderheitsgesellschafter und Arbeitnehmer

Der Entscheidung des OLG Stuttgart lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Bei der betroffenen Gesellschaft handelte es sich um ein Ingenieurbüro in der Form einer GmbH. Auf der Gesellschafterebene gab es einen Hauptgesellschafter (61%) und eine Reihe von Minderheitsgesellschaftern. Die Minderheitsgesellschafter waren zugleich angestellte Arbeitnehmer (Ingenieure) der GmbH, die ihre Beteiligung offensichtlich im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms erworben hatten. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH sah ein umfassendes Wettbewerbsverbot für sämtliche Gesellschafter vor.

Zum 07.11. kündigten zwei angestellte Ingenieure, die zugleich Minderheitsgesellschafter der betreffenden GmbH waren (13% bzw. 26%), ihre Arbeitsverträge zum 31.12. des Jahres. Unmittelbar nach der Kündigung gründeten die Ehefrauen dieser beiden Ingenieure eine Konkurrenzgesellschaft mit dem Zweck Ingenieurdienstleistungen.

Unmittelbar hiernach teilten Kunden der GmbH dieser mit, dass sie die Geschäftsbeziehung mit dieser beenden werden und stattdessen Geschäftsbeziehungen zu der von den Ehefrauen gegründeten Konkurrenzgesellschaft aufnehmen werden (was diese auch taten). Am 16.12. kündigten die beiden Ingenieure schließlich ihre Gesellschafterbeteiligung zum 31.12. des Folgejahres.

Unstreitig war, dass die beiden Ingenieure bereits nach ihrer arbeitsvertraglichen Kündigung für die Konkurrenzgesellschaft tätig waren und nach dem Jahreswechsel auch zu Geschäftsführern der Konkurrenzgesellschaft bestellt wurden.

Folgen der Verletzung von Wettbewerbsverboten: Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz

Die betroffene Gesellschaft machte in dem gerichtlichen Verfahren von den beiden Ingenieuren folgende Ansprüche geltend:

  1. Unterlassung der Konkurrenztätigkeit
  2. Auskunft über Geschäfte mit Kunden der Gesellschaft
  3. nach Auskunftserteilung Schadensersatz

Die geltend gemachten Ansprüche entsprechen den üblichen Ansprüchen, welche einer verletzten Gesellschaft gegen Gesellschafter zustehen, die einem vertraglichen oder nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterliegen und dieses verletzt haben. Anstelle des Schadensersatzes kann die betroffene Gesellschaft auch verlangen, so gestellt zu werden, als haben sie die Konkurrenzgeschäfte selbst geschlossen.

Unwirksamkeit des zu umfassenden Wettbewerbsverbotes

Das OLG Stuttgart erachtete das im Gesellschaftsvertrag verankerte Wettbewerbsverbot für unwirksam und folgte damit im Ergebnis einer Reihe jüngster Entscheidungen, welche allumfassende Wettbewerbsverbote der Gesellschaft verweigerten.

Der Grundgedanke der Gerichte ist relativ simpel: Eine Gesellschaft soll sich nur dort vor Wettbewerb schützen können, wo sie diesen Schutz unmittelbar bedarf. Andernfalls drohe der Person, welcher das Verbot obliegt, quasi ein umfassendes Berufsverbot. Dieses würde der Person von entsprechenden Einnahmemöglichkeiten vollends abschneiden.

Kein unzulässiges Ausnutzen von Geschäftschancen

Darüber hinaus erachtete das OLG Stuttgart auch das Abwerben der Kunden nicht für unzulässig. Zwar sei es auch Minderheitsgesellschaftern per Gesetz untersagt, konkrete Geschäftschancen ihrer Gesellschaft zum eigenen Vorteil auszunutzen.

Vorliegend seien die infrage stehenden Geschäftschancen indes noch nicht so weit konkretisiert, dass die Minderheitsgesellschafter diese (abstrakten) Geschäftschancen nicht hätten nutzen dürfen

Hinweise für die Praxis

Wettbewerbsverbote – egal ob vertragliche oder nachvertragliche, egal ob für Gesellschafter, Geschäftsführer oder Arbeitnehmer – sind ein heißes Eisen, an dem man sich sehr schnell nicht nur die Finger verbrennen kann.

Insofern ist bereits bei der Ausgestaltung große Sorgfalt und auch Kreativität zu verwenden und eine Marktabgrenzung, wie man sie aus dem Kartellrecht kennt, vorzunehmen. Insbesondere in Vorbereitung auf oder im Fall einer streitigen Auseinandersetzung sollten die Eigenheiten des Marktes und die maßgeblichen gerichtlichen Entscheidungen bekannt sein.