Wenn der Aufsichtsrat gegen sich selbst klagt
BGH verschärft die Haftung für Aufsichtsräte
BGH verschärft Haftung für Aufsichtsräte
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig
Bei der Aktiengesellschaft stehen zumeist die Vorstände im Fokus. Dies gilt sowohl für börsennotierte Gesellschaften, bei denen die Vorstände neuerdings in T-Shirts neue Produkte live über YouTube präsentieren, als auch für kleinere Gesellschaften, bei denen die Aufsichtsräte ihr „Amt“ im Hinterzimmer ausüben. Ein neues BGH-Urteil zeigt, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates schneller als gedacht in den (Haftungs-)Fokus rücken (BGH, Urteil vom 18.9.2018 – II ZR 152/17 (OLG Düsseldorf).
In dem Fall des BGH klagte eine börsennotierte Aktiengesellschaft gegen ein ehemaliges Mitglied des Aufsichtsrates. Das betreffende Mitglied war über mehr als 10 Jahres Vorsitzender des Aufsichtsrates und war zudem über Jahre hinweg auch selbst mit knapp 30% an der AG beteiligt.
Verbotene Zahlungen an ein Aufsichtsratsmitglied
In dieser Zeit erhielt das Aufsichtsratsmitglied größere Geldsummen von der AG. Deren Auszahlungen stellten eine unzulässige Rückgewähr von Einlagen bzw. eine verbotene Rückzahlung eigenkapitalersetzender Darlehen dar. Die Auszahlungen durch den damaligen Vorstand waren mithin pflichtwidrig. Aus „nachvollziehbaren“ Gründen verfolgte der Aufsichtsrat die Ansprüche nicht gegen den Vorstand. Die Ansprüche verjährten.
Die AG, vertreten durch den einen neuen Vorstand, erhob später Klage gegen Mitglieder des Aufsichtsrates. Die Klage war gerichtet auf Schadensersatz in Höhe der Zahlungen, welche das betreffende Aufsichtsratsmitglied vom damaligen Vorstand erhalten hatte.
OLG verneint eine Schadensersatzpflicht, BGH bejaht sie
Das OLG Düsseldorf verneinte eine Schadensersatzpflicht des ehemaligen Aufsichtsratsmitglieds. Die Ansprüche gegen das Aufsichtsratsmitglied seien verjährt. Für den Beginn der Verjährung sei der Zeitpunkt der Auszahlung der Geldbeträge maßgeblich (also die Jahre 2002 und 2003) und nicht der Zeitpunkt der Verjährung der Ansprüche gegen den damaligen Vorstand im Jahr 2008.
Der Bundesgerichtshof sieht hier eine vergleichsweise weite Managerhaftung und widersprach dem OLG. Die Mitglieder des Aufsichtsrates seien stets verpflichtet, Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder zu prüfen und bestehende Ansprüche grundsätzlich außergerichtlich und/oder gerichtlich zu verfolgen. Komme ein Aufsichtsrat dieser Pflicht nicht nach, könne er der Gesellschaft nach § 116, 93 AktG zum Schadensersatz verpflichtet sein. Die Verjährung dieses Anspruchs beginne indes erst mit der Verjährung etwaiger Ersatzansprüche gegen den Vorstand.
Manager in der Pflicht
Die Entscheidung im Aktienrecht führt zunächst noch einmal deutlich vor Augen, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates sich aktiv um etwaige Schadensersatzansprüche kümmern müssen. Es obliegt ihnen, etwaige Ansprüche zu prüfen - gegebenenfalls mit Hilfe eines fachkundigen Anwalts - und bei entsprechendem Prüfungsergebnis Ansprüche auch notfalls gerichtlich zu verfolgen. Von einer Verfolgung darf der Aufsichtsrat nur absehen, wenn im Einzelfall ganz überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls gegen eine Verfolgung sprechen (sogenannte ARAG/Garmenbeck – Rechtsprechung). Verletzt der Aufsichtsrat diese Pflicht, haftet er selbst.
Eigenes Haftungsrisiko kein Entschuldigungsgrund für Aufsichtsrat
Die Entscheidung führt darüber hinaus vor Augen, dass sich ein Mitglied des Aufsichtsrates nicht darauf berufen kann, dass es zur Vermeidung der eigenen Haftung verpflichtet gewesen wäre, die eigene Pflichtverletzung aufzudecken („Selbstbezichtigung“).
Aufsichtsratsmitglieder übernehmen eine besondere Überwachungsfunktion. Ihnen obliegt die Überwachung der Vorstandstätigkeit und mithin die Überwachung der Vermögensinteressen der Aktionäre und sogar weitergehend der Gläubiger der Gesellschaft. Aufgrund dieser besonderen Funktion müssen die persönlichen Interessen eines Aufsichtsratsmitgliedes nach Auffassung der Gerichte hinter die Interessen der Aktionäre und Gläubiger zurückstehen. Letztere haben den Vorrang.
Fraglich ist indes, ob dies auch dann gilt, wenn das Aufsichtsratsmitglied mit der Verfolgung der Ansprüche gegen den Vorstand ein eigenes strafrechtliches Verhalten aufdecken würde. Bejaht man dies, wird man zugunsten des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds ein strafrechtliches Verwertungsverbot betreffend die aufgedeckten Handlungen annehmen müssen.
GmbH-Geschäftsführer ≠ Aufsichtsrat
Anzumerken ist schließlich, dass für den Geschäftsführer einer GmbH anderes gilt. Leistet der Geschäftsführer verbotene Auszahlungen und lässt er die damit einhergehenden Rückzahlungsansprüche der GmbH verjähren, so beginnt die Verjährung bereits mit der Auszahlung. Begründet wird die unterschiedliche Behandlung von Geschäftsführer und Aufsichtsrat mit der besonderen Überwachungs- und Anspruchsverfolgungspflicht des Aufsichtsrates.
Die Verjährungsfristen bei der Managerhaftung
Die Ansprüche der Geschäftsführerhaftung verjähren nach 5 Jahren (§ 43 GmbHG). Die Ansprüche gegen Mitglieder des Vorsandes und des Aufsichtsrates verjähren ebenfalls nach 5 Jahren; ist die Gesellschaft börsennotiert erst nach 10 Jahren (§§ 93, 116 AktG).