Wettbewerbsverbot und Geschäftschancen in der Insolvenz
Vorstand, Geschäftsführer und Insolvenzverwalter: Wenn Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten (k)eine Lizenz zum Gelddrucken sind
Vorstand, Geschäftsführer und Insolvenzverwalter: Wenn Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten (k)eine Lizenz zum Gelddrucken sind
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig, LL.M. (Durham), Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Berlin
Vorstand und Geschäftsführer unterliegen auch ohne besondere vertragliche Vereinbarung grundsätzlich einem Wettbewerbsverbot. Als Grund hierfür wird gesehen, dass Vorstand und Geschäftsführer aus ihrer Organstellung heraus regelmäßig besondere Informationserlangungsmöglichkeiten und Geschäftsleitungsbefugnisse haben, welche ihnen einen spezifischen Sondervorteil im Verhältnis zur Gesellschaft verschaffen.
Eine jüngste Entscheidung des OLG Rostock, Beschluss 2.6.2020 - 4 W 4/20, lenkt noch einmal den Blick auf die Feinheiten und Grundsätzlichkeiten des Wettbewerbsverbotes.
Wettbewerb um Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten
Für den praktischen Umgang mit Wettbewerbsverboten sind zweierlei Dinge zu beachten. Zum einen erfordert die Beurteilung, ob ein Wettbewerbsverbot verletzt ist oder nicht, eine Marktabgrenzung, wie man sie gewöhnlich aus dem Kartellrecht kennt.
Zum anderen muss man sich bewusst mach machen, dass es nicht nur einen Wettbewerb um Kunden gibt, sondern Unternehmen auch im Wettbewerb um Mitarbeiter und im Einzelfall auch um Lieferanten/Zulieferer stehen.
Insiderinformationen von Vorstand und Geschäftsführer
Es entspricht der Natur der Sache, dass die Geschäftsleiter einer AG oder GmbH, d.h. der Vorstand und der Geschäftsführer, über sämtliche Geschäftsinterna der Gesellschaft informiert sind. Ihnen wäre es mithin ein Leichtes, diese Insiderinformationen zu ihrem eigenem Vorteil zu Lasten der Gesellschaft zu nutzen – sei es durch den konkurrierenden Betrieb eines eigenen Unternehmens oder durch die Tätigkeit für einen Wettbewerber.
Für sie gilt daher grundsätzlich ein Wettbewerbsverbot, das teils bereits aus dem Gesetz folgt.
(Konkrete) Geschäftschancen
Über die Geschäftsinterna hinaus besitzen Vorstand und Geschäftsführer zudem Insiderinformationen über potentielle Geschäftschancen der Gesellschaft. Dem folgend ist es Geschäftsleitern verboten, entsprechende Geschäftschancen selbst zu nutzen:
„Der Geschäftsführer oder geschäftsführende Gesellschafter muss in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, deren Wohl und nicht seinen eigenen Nutzen oder den Vorteil anderer im Blick haben. […] Aus dieser Treuepflicht des Geschäftsführers wird hergeleitet, dass es ihm ohne ausdrückliche Erlaubnis nicht gestattet ist, im Geschäftszweig der Gesellschaft Geschäfte für eigene Rechnung zu tätigen oder tätigen zu lassen oder den Vollzug bereits von der Gesellschaft abgeschlossener Verträge durch Abwicklung auf eigene Rechnung oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen oder zu vereiteln. … Er darf keine Geschäfte an sich ziehen, die in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fallen und dieser aufgrund bestimmter konkreter Umstände bereits zugeordnet sind […]“ (BGH, Urteil 16.3.2017 – IX ZR 253/15).
Wettbewerbsverbot, Geschäftschancen in der Insolvenz - Geschäftsführer
Das OLG Rostock, Beschluss 2.6.2020 - 4 W 4/20, hatte nun über die Frage zu entscheiden, ob auch ein (freigestellter) Geschäftsführer einer insolventen GmbH einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot unterliegt.
Das Gericht bejahte dies mit dem formalen Argument, dass Wettbewerbsverbot im Unternehmen knüpfe an die Organstellung des Geschäftsführers an. Die Organstellung behalte der Geschäftsführer auch bei, wenn die Gesellschaft sich im Insolvenzverfahren befindet oder der Geschäftsführer auf Wunsch der Gesellschaft seine Arbeitsleistung nicht zu erbringen habe.
Die Entscheidung ist nicht ohne Kritik geblieben, da mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Geschäftsführer die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verliert (§ 80 InsO).
Wettbewerbsverbot, Geschäftschancen in der Insolvenz - Insolvenzverwalter
Der Bundesgerichtshof hatte zudem vor einiger Zeit zu entscheiden, ob auch der Insolvenzverwalter einem (gesetzlichen) Wettbewerbsverbot unterliegt und zudem Geschäftschancen für die von ihm verwaltete Gesellschaft wahrnehmen muss. Davon zu unterscheiden sind indes vertragliche Wettbewerbsverbote.
Zu Recht hat der BGH (Urteil 16.3.2017 – IX ZR 253/15) dies bejaht. Der Insolvenzverwalter ist denn im Rahmen seiner Tätigkeit – genau wie der Geschäftsführer oder Vorstand – ein Träger von Insiderinformationen der Gesellschaft deren Geschäfte er lenkt und leitet.
Hinweise für die Praxis
Die genannten gerichtlichen Entscheidungen zeigen, dass dem Thema Wettbewerbsverbot besondere Aufmerksamkeit gegeben werden sollte. Zur Vermeidung von Überraschungen bleibt dem Anwender nur die vorherige Vereinbarung von (vertraglichen) Wettbewerbsverboten. Diese sollten nicht überspannt werden, um sich dem Einwand der Unwirksamkeit nicht aussetzen zu müssen.