EuGH urteilt zur Vorratsdatenspeicherung
Deutsches Telekommunikationsrecht nicht mit Datenschutzrecht der EU vereinbar
Der EuGH hat entschieden: die nach dem deutschen Telekommunikationsgesetz vorgesehene Vorratsdatenspeicherung ist EU-rechtswidrig.
Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung wird von Verbraucher- und Datenschützern schon lange kritisiert. Dabei geht es um die Frage, ob Telekommunikationsanbieter und Internetprovider verpflichtet werden dürfen, Kundendaten wie IP-Adressen, Rufnummern, Standorte etc. grundsätzlich zu speichern, um den Ermittlungsbehörden den Zugriff auf diese Daten zu ermöglichen.
Bekämpfung von Terrorismus und organisierte Kriminalität wichtiger als Datenschutz?
Eine solche Pflicht zur anlassunabhängigen Speicherung dieser Daten sieht das deutsche Telekommunikationsgesetz vor. In der Praxis umgesetzt wird dieses allerdings nicht. Das Gesetz liegt bereits seit einem Urteil des OVG Münster aus dem Jahr 2017 auf Eis.
Sicherheitsbehörden versprechen sich von der Datenspeicherung bessere Chancen im Kampf gegen organisierte Kriminalität, Terrorismus und Kinderpornografie. Dem gegenüber halten Verbraucherschützer die anlassunabhängige Datenspeicherung auf Vorrat für einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre.
EuGH bleibt seiner Linie treu: anlassloses Speichern verstößt gegen EU-Recht
Nachdem der EuGH bereits in den letzten Jahren mehrfach nationale Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung im EU-Ausland gekippt hat, traf es nun auch die deutsche Regelung (EuGH, Urteil vom 20.09.2022 - C-793/19 SpaceNet und C-794/19 Telekom Deutschland). Das ist wenig überraschend, denn bereits in den vorausgegangenen Urteilen wurde deutlich, dass die Richter das anlasslose Speichern von Kommunikationsdaten für einen Verstoß gegen EU-Recht halten. Lediglich im Falle akuter Bedrohungen für die nationale Sicherheit sei eine Speicherung von Daten zulässig, aber auch dann nur nach richterlicher Genehmigung und mit der zeitlichen Beschränkung „auf das absolut Notwendige“.
Grundsätzliche Uneinigkeit in der Politik
Wie die derzeitige Koalition auf dieses Urteil reagieren wird, ist unklar. Zwischen den Regierungsparteien bestand schon vorher ausdrückliche Uneinigkeit. Auch dem Koalitionsvertrag kann nichts Aussagekräftiges entnommen werden. Hierin einigten sich die Parteien lediglich darauf, „die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so auszugestalten, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können.“ Eine alternative Regelung könnte das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren darstellen. Dies setzt einen Anfangsverdacht voraus, aufgrund dessen ein Telekommunikationsanbieter auf richterliche Anordnung Daten einzelner Nutzer für einen bestimmten Zeitraum speichern muss. Zwar dürfte ein solches Verfahren EU-Rechts konform sein, allerdings halten die Verfechter der Vorratsdatenspeicherung dieses Verfahren für keine brauchbare Alternative.
Vorratsdatenspeicherung sowieso nicht erfolgversprechend?
Ob die Vorratsdatenspeicherung aber tatsächlich im Kampf gegen organisierte Kriminalität, Terrorismus, Menschenhandel oder den Austausch von Missbrauchsabbildungen eine Chance hätte, ist ebenfalls zweifelhaft. Schließlich dürfte die Vorratsdatenspeicherung nur die Täter erfassen, die ohne Verschleierungstaktiken agieren. Das dürfte aber bei den anvisierten Deliktsfeldern die Ausnahmedarstellen.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist es daher zu begrüßen, dass der EuGH die Politik nun dazu zwingt, rechtssichere und erfolgversprechende Methoden zu entwickeln. Auch damit betroffene Unternehmen Rechtssicherheit haben, wie sie mit den Daten ihrer Nutzer umzugehen haben.