Vorkaufsrechte beim Verkauf von GmbH-Anteilen
OLG Schleswig zu statutarischen Vorkaufsrechten bei Paketverkäufen
In Gesellschaftsverträgen werden bezüglich der Gesellschaftsanteile oft Vorkaufsrechte für Mitgesellschafter vereinbart. Das OLG Schleswig hat jetzt Stellung zu den Fragen genommen, die sich bei einem Paketverkauf von mehreren Gesellschaftern bezüglich des Vorkaufsrechts stellen.
Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig hatte in seinem Urteil vom 7. Februar 2024 (Az. 9 U 91/23) einen für die Praxis des Unternehmenskaufs relevanten Sachverhalt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden.
Dort ging es um einen Paketverkauf von GmbH-Anteilen durch mehrere Gesellschafter. Der Gesellschaftsvertrag sah bei Anteilsverkäufen ein Vorkaufsrecht für die Mitgesellschafter vor. Vorliegend gab es drei Gesellschafter. Davon verkauften zwei Gesellschafter ihre Anteile in einem einheitlichen Kaufvertrag zu einem Gesamtkaufpreis als Paket an einen Dritten. Die verbleibende Mitgesellschafterin übte ihr Vorkaufsrecht aus, jedoch lediglich bezogen auf die Anteile eines der Verkäufer, nicht auf das gesamte Paket.
Dies führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung über die Reichweite des Vorkaufsrechts und ob dies bei einem Paketverkauf auf bloße Teile davon beschränkt sein konnte. Das OLG Schleswig bejahte dies im Ergebnis.
Einzelne Rechtsfragen
Umfang und Vorrang des Vorkaufsrechts
Das Gericht befasste sich mit der Frage, ob das gesellschaftsvertragliche Vorkaufsrecht es der Mitgesellschafterin ermöglicht, lediglich die Anteile eines Verkäufers aus dem Paketverkauf zu übernehmen, ohne das Vorkaufsrecht auch bezüglich der Anteile des anderen verkaufenden Mitgesellschafters auszuüben. Hierbei stellte sich die Frage, ob der Grundsatz der Vertragsidentität nach § 464 Abs. 2 BGB den Vorrang genießen soll oder ob er durch das Vorkaufsrecht durchbrochen wird.
Die vorkaufsberechtigte Gesellschafterin argumentierte, dass ihr Vorkaufsrecht nach der Satzung auch die selektive Ausübung im Rahmen eines Paketverkaufs ermöglichen müsse, welches sonst durch entsprechende Gestaltung als Paketverkauf ausgehöhlt werden könne. Die verkaufswilligen Mitgesellschafter hingegen beriefen sich auf eine Verletzung des Grundsatzes der Vertragsidentität und auf wirtschaftliche Nachteile, die durch ein Auseinanderreißen des Pakets entstehen könnten.
Analoge Anwendung von § 467 S. 2 BGB
Eine zentrale Streitfrage war, ob die Regelung in § 467 S. 2 BGB entsprechend auf den zu entscheidenden Fall angewandt werden kann. Diese Vorschrift erlaubt es dem Vorkaufsverpflichteten, die Erstreckung des Vorkaufsrechts auf alle nicht abtrennbaren Gegenstände eines Vertrages zu verlangen, um wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden. Die Vorkaufsberechtigte bestritt dagegen die direkte wie auch die analoge Anwendung der Norm, da die Interessenlage bei Paketverkäufen eine andere sei.
Wirtschaftlicher Nachteil gemäß § 467 S. 2 BGB
Ferner stellte sich darüber hinaus die Frage, ob denn bei unterstellter analoger Anwendung der Vorschrift die Vorkaufsverpflichteten einen wirtschaftlichen Nachteil im Sinne des § 467 S. 2 BGB hätten glaubhaft machen können und ob hierfür das Auftrennen des Verkaufspakets ausreichend wäre.
Die Entscheidung des OLG Schleswig
Das OLG Schleswig entschied hinsichtlich des Vorkaufsrechts, dass dieses Vorrang vor dem Grundsatz der Vertragsidentität genieße. Die Mitgesellschafterin konnte ihr Vorkaufsrecht daher selektiv bezogen auf das Anteils-Teilpaket eines Mitgesellschafters ausüben, wie es der Gesellschaftsvertrag grundsätzlich ermöglichte. Der Umstand, dass die Anteile in einem einheitlichen Vertrag verkauft wurden, hinderte die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht.
Das Gericht lehnte insoweit bereits eine analoge Anwendung von § 467 S. 2 BGB ab. Es stellte klar, dass weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine vergleichbare Interessenlage vorliege. Während § 467 S. 2 BGB lediglich auf eine Erweiterung des Kaufgegenstands abziele, würde eine analoge Anwendung bezüglich der Einbeziehung weiterer Vertragspartner eine unverhältnismäßige Einschränkung der Rechtsstellung des Vorkaufsberechtigten darstellen. Dieser könnte durch die Gestaltung als Paket an der Ausübung seiner gesellschaftsrechtlich vorgesehenen Vorkaufsrechte gehindert werden.
Zudem sah das OLG Schleswig im vorliegenden Fall auch keinen Nachteil im Sinne des § 467 S. 2 BGB als gegeben an. Das Gericht betonte, dass der Verlust eines „Paketvorteils“ allein keinen ausreichenden Nachteil darstelle. Dies sei durch eine gesellschaftsvertraglich vereinbarte Vorkaufsregelung vorgegeben und stelle daher keinen Nachteil dar. Es müsse vielmehr nachgewiesen werden, dass für die verbleibenden Anteile kein adäquater Marktpreis erzielbar sei. Hierfür seien Darlegungen dazu notwendig, was ein angemessener Marktpreis ist und dass es entsprechende Bemühungen gegeben habe, einen solchen separat zu erzielen. An beidem fehle es im entschiedenen Fall.
Folgerungen für die Gestaltungspraxis
In der Praxis bleibt es bei einer Einzelfallprüfung. So ist in anderen Konstellationen denkbar, dass unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht das Vorkaufsrecht nur bezüglich des gesamten Pakets ausgeübt werden kann.
Im vorliegenden Fall wurde das selektiv ausgeübte Vorkaufsrecht unter die (Rechts-)Bedingung gestellt, dass dies so überhaupt wirksam möglich ist. Aus Gründen der Vorsicht wurde für den Fall, dass dies nicht möglich ist, erklärt, dass das Vorkaufsrecht dann gar nicht ausgeübt werden soll, auch nicht für den eigentlich ins Auge gefassten Teil des Pakets. Solche Absicherungen im Hinblick auf potenzielle nicht gewollte Rechtsfolgen sollten bei unklarer Rechtslage immer berücksichtigt und formuliert werden.
Die Entscheidung des OLG Schleswig liefert konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswirksame und interessengerechte Gestaltung von Gesellschaftsverträgen in Bezug auf die Regelungen für Vorkaufsrechte:
- Präzisierung der Vorkaufsrechte: Gesellschaftsverträge sollten klar regeln, ob Vorkaufsrechte selektiv oder nur einheitlich bei Paketverkäufen ausgeübt werden können. Bei entsprechender Ausgestaltung kann festgelegt werden, dass das Vorkaufsrecht – anders als im entschiedenen Fall – nur in Bezug auf das gesamte Paket ausgeübt werden kann.
- Alternative Instrumente: Um solchen Problemen in Hinblick auf die Ausübung von Vorkaufsrechten zu entgehen, bietet sich im Einzelfall auch die Gestaltung alternativer Instrumente an. Hier bietet sich dann insbesondere die Vereinbarung von Mitverkaufsrechten für die Mitgesellschafter an. Diese haben dann statt eines Vorkaufsrechts die Möglichkeit, ihre Anteile zum Teil des Paketverkaufs zu machen.
Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung einer gut durchdachten gesellschaftsrechtlichen Gestaltung und eines vorausschauenden Umgangs mit Vorkaufsrechten, um rechtliche Risiken zu minimieren und wirtschaftliche Ziele effizient zu erreichen.
Weitere Informationen zum Unternehmenskaufvertrag finden Sie hier: Unternehmenskaufvertrag, Anteilsübertragungsvertrag (SPA)