Arbeitnehmer dürfen in’s Ausland versetzt werden

– solange das im Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen wurde!

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, unter welchen Umständen Arbeitgeber im Rahmen ihres Weisungsrechts Arbeitnehmer in's Ausland versetzen können. Inwiefern eine Versetzungsmöglichkeit im Arbeitsvertrag bedacht werden sollte, erfahren Sie im Folgenden.

Veröffentlicht am: 03.12.2022
Qualifikation: Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Viele Mitarbeiter würden sich wahrscheinlich über einen Arbeitsplatz in der italienischen Sonne freuen. Nicht aber vier Piloten der Fluglinie Ryanair aus Nürnberg. Die Fluggesellschaft hat ihren Standort in Nürnberg aufgelöst, sodass die Piloten an einen anderen Standort versetzt wurden. Im deutschen Inland gab es keine freien Stellen mehr, weshalb alle vier ihre Koffer packen sollten, um in Bologna ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

Die Piloten hielten die Versetzung in’s Ausland für unzulässig. Unter welchen Umständen eine solche Versetzung jedoch rechtlich erlaubt ist, hat das Bundesarbeitsgericht am Mittwoch entschieden (BAG, Urteil vom 30.11.2022 - 5 AZR 336/21).

Arbeitsvertrag: nach Versetzung nur noch 50 % des Gehalts – geht das?

Zwar müssen Piloten im Berufsalltag mobil und flexibel sein, aber gilt das auch für eine Versetzung in’s Ausland? Die betroffenen vier Flugkapitäne sind der Meinung, dass eine Versetzung, die außerdem mit der Halbierung ihres Gehalts einhergeht, nicht rechtens sein kann. Von den bislang 12.000 EUR im Monat sollen sie in Italien für dieselbe Arbeit nur noch 6.250 EUR verdienen – zurecht, sagt das Bundesarbeitsgericht.

Der bisherige Verdienst basiere auf einem Vergütungstarif, der lediglich für Arbeitnehmer innerhalb der Bundesrepublik gilt. Im Arbeitsvertrag, der zwischen der irischen Airline und den Flugzeugführern geschlossen wurde, war allerdings neben der Versetzbarkeit an jegliche Standorte auch eine Vergütung von „lediglich“ 75.000 EUR pro Jahr vereinbart.

Versetzung – Arbeitsvertrag unterliegt ausländischen Arbeitsbedingungen

Ein Sozialtarifvertrag ermöglichte der Airline bei „Pilotenüberhang“ nach einer Standortschließung, die betroffenen Piloten an einen anderen Standort innerhalb der EU zu versetzen. Dies war auch in Form einer Änderungskündigung möglich, wie sie Ryanair gegenüber den Piloten ausgesprochen hat. In Folge der Kündigung wurde dem Arbeitsvertrag die tariflich vereinbarte Anwendung des deutschen Rechts entzogen.

Nach einer Versetzung in’s Ausland unterliegt der neue Arbeitsvertrag nun grundsätzlich den dortigen Arbeitsbedingungen und Gehältern.

Keine Versetzung, wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen

Die betroffenen Piloten sind der Auffassung, dass die Versetzung durch den Arbeitgeber nicht von dessen Direktionsrecht gedeckt sei. Fluggesellschaft und Richter halten jedoch entgegen, dass der Piloten-Tätigkeit in einer international agierenden Fluggesellschaft eine gewisse Volatilität und Flexibilität innewohne.

Das arbeitsvertragliche Direktionsrecht bzw. Weisungsrecht des Arbeitgebers erlaubt es grundsätzlich, Mitarbeiter auch an einen Arbeitsplatz in anderen Ländern zu schicken, so die Erfurter Richter. Denn § 106 GewO, in welchem das Weisungsrecht gesetzlich verankert ist, beschränke sich nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Anderes gelte nur, wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich etwas anderes vereinbart oder zumindest den Umständen nach konkludent verabredet worden ist.

Arbeitsvertragliches Direktionsrecht erlaubt Versetzung ins Ausland

Den Richtern zufolge kann die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall jedoch einer Billigkeitskontrolle unterliegen. Im vorliegenden Fall wurde in den Arbeitsverträgen der Piloten kein fester Arbeitsort im Inland vereinbart. Vielmehr bestand ausdrücklich die Möglichkeit einer unternehmensweiten Versetzung. In Anbetracht dessen umfasse das Weisungsrecht des Arbeitgebers unproblematisch auch die Versetzung an einen Arbeitsort im Ausland. Außerdem sei dem Gesetz keine Begrenzung des Weisungsrechts auf deutsche Arbeitsplätze zu entnehmen.

BAG: Versetzung der Piloten nach Bologna rechtmäßig

Das Bundesarbeitsgericht entschied also endgültig, dass die Versetzung der Piloten nach Bologna zulässig war. Es waren keine freien Stellen im Inland verfügbar und der Arbeitsvertrag sah die Versetzungsmöglichkeit ausdrücklich vor, sodass der Arbeitgeber Ryanair sein Direktionsrecht ordnungsgemäß ausgeübt hat. Dass die Piloten in Bologna einen geringeren Lohn bekommen, liege ausschließlich am beschränkten Geltungsbereich des bisherigen Tarifvertrags und stehe der Versetzung nicht entgegen.

Wer nicht Gefahr laufen möchte im Laufe seiner Karriere in’s Ausland versetzt zu werden, sollte seinen Arbeitsvertrag vor Aufnahme der Tätigkeit gründlich durchsehen. Findet sich darin keine Aussage betreffend eine mögliche Versetzung, gilt grundsätzlich das gesetzliche Weisungsrecht aus § 106 GewO. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte eine Klausel bedenken, welche eine Versetzungsmöglichkeit ausdrücklich ausschließt.