US-Shareholder die bellen, beißen auch
„One-on-one“-Gespräche – Chancen und Grenzen
„One-on-one“-Gespräche – Chancen und Grenzen
Ein Gastbeitrag von Felix Melchior
Sie sind im Vormarsch. Und das mit großen Schritten. Vorwiegend aus den USA kommend, stehen sie auf der Türschwelle oder bereits mitten im Vorstandsbüro. Entschlossen, den traditionellen „Hauptversammlungsfrieden“ zwischen europäischen Investoren und Management zu brechen. Activist Shareholders: meist millionenschwere angelsächsische Hedgefonds, die durch gezielte Kampagnen und unter Ausnutzung des Aktienrechts, insbesondere ihrer Aktionärsrechte, auf die Geschicke des Managements Einfluss nehmen wollen.
Im Fadenkreuz der Investoren stehen Unternehmen mit vergleichsweise schlechter Börsenbewertung, vor allem auch Konglomerate, da deren Abwehrprozesse ob ihrer Größe schwerfällig vermutet werden. So konnte man in Deutschland in der letzten Dekade aktivistische Angriffe auf Gesellschaften wie die Deutsche Börse AG, Cewe Color oder die Kabel Deutschland Holding AG beobachten.
„One-on-ones“ – was ist das?
Statt auf zukünftige Kursgewinne zu spekulieren, kam es nun auch in Europa immer mehr in Mode, aktiv Anteil am Unternehmensmanagement zu nehmen. Um Druck auszuüben und eigene Ideen umzusetzen, werden Fehler des Managements gesucht und analysiert. Von groß angelegten PR-Offensiven, über sog. „proxy fights“ bis hin zur (versuchten) Absetzung von Aufsichtsratsmitgliedern, reicht die Handlungspalette der unbequemen Anteilseigner.
Sicher werden derartige Praktiken durch die Publizitätspflichten der Aktionäre begünstigt. Mit Überschreitung eines bestimmten Anteils müssen solche Beteiligungen offen gelegt werden (§§ 21, 22 WpHG). So fällt es nicht schwer Verbündete für die nächste Hauptversammlungsabstimmung ausfindig zu machen – alles per Mausklick einsehbar.
Aber muss es immer der Presslufthammer sein? Warum die Tür eintreten, wenn man auch nach dem Schlüssel fragen kann? Aus diesem Grund greifen nicht wenige Aktivisten zum Mittel einer subtilen Kontaktaufnahme mit der Chefetage. Sog. „one-on-one“-Gespräche. Genutzt, um kritisch Stellung zur Unternehmensführung oder -strategie oder einzelnen Maßnahmen der Geschäftsleitung zu nehmen und konkrete Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten bzw. gleich einzufordern.
Das Aktiengesetz regelt diese Form der Kommunikation nicht. Aus dessen Sicht nehmen Aktionäre ihre Rechte nämlich grundsätzlich in der Hauptversammlung wahr (§ 118 Abs. 1 S. 1 AktG), während dem Vorstand gem. § 76 Abs. 1 AktG die Leitung der Gesellschaft in eigener Verantwortung obliegt. Allerdings kann daraus nicht abgeleitet werden, dass persönliche Gespräche von Aktionären mit dem Vorstand nicht erlaubt sind. Vielmehr folgt im Umkehrschluss aus § 131 Abs. 4 S. 1 AktG deren Zulässigkeit, wird dort den Shareholdern zuerkannt, Auskunft über an andere Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung preisgegebene Informationen zu verlangen.
Im Folgenden geht das darum, Möglichkeiten und Chancen der „one-on-ones“ näher zu beleuchten. Gleichzeitig gilt es rechtliche Rahmenbedingungen, aber auch diesbezüglichen Umgang und Präventionsmöglichkeiten seitens des Unternehmens aufzuzeigen.
Eine Alternative
Das Wichtigste vorweg: Laut ist nicht immer gleich gut, leise nicht immer wirkungslos. Genau wie öffentliche Angriffe ihre Wirkung entfalten, können auch persönliche Gespräche ans Ziel führen. Und das mitunter einfacher und vor allem schneller. Da Zeit bekanntermaßen Geld ist, sollte man die Idee, den Vorstand zu einem Vieraugengespräch zu bewegen nicht vorschnell beiseiteschieben. Und auch auf Unternehmensseite kann die Aufnahme persönlicher Gespräche Vorteile bieten. So erklärt sich auch, dass man in Deutschland immer häufiger ein kooperatives Hand-in-Hand verzeichnen kann.
Bereits eine empirische Untersuchung der TU München aus dem Jahr 2001 über die Einflussnahme institutioneller Investoren auf die Unternehmensführung kam zu dem Ergebnis, dass sowohl Unternehmen, als auch Investoren persönlichen Gesprächen den größten Einfluss beimaßen. Dies verwundert aus heutiger Sicht nicht, da anderen Maßnahmen der Einflussnahme (namentlich Aktivitäten in der Hauptversammlung, Medienkampagnen etc.) erst mit dem Aufkommen des Shareholder Activism, in Deutschland gut 5 Jahre später, „entdeckt“ wurden. Darüber hinaus büßte die Studie aufgrund mangelnder Aktualität ob ihres Alters an Relevanz ein.
Nichtsdestotrotz bleibt der Aussagegehalt der Untersuchung insoweit erhalten, als zumindest ein nicht nur unerheblicher Einfluss auf das Unternehmen durch „one-on-ones“ möglich ist. Aktivisten können sich so der Ernst- und Kenntnisnahme ihrer Anliegen sicher sein. Denn auch für sie sind weitere Aktionen mit größerem Zeitaufwand und damit auch mit mehr Geld verbunden. Häufig lässt sich der mit einer Pressekampagne gewünschte Zweck allein schon mit bloßer mündlicher Androhung derselben erreichen.
Und nicht zu vergessen: jeder für Kurskorrekturen des Unternehmens aufgewendete Euro, schmälert am Ende den Gewinn. Gehen die Manager auf die Kritik bzw. Forderung ein und arbeiten mit den Aktivisten zusammen, sind Ausgaben für Pressekampagnen überflüssig.
Auf Unternehmensseite gibt es zudem kaum eine bessere Alternative des „ersten Feindkontaktes“. Wird man sich aktivistischer Passagiere gewahr, gilt es deren Ziele und Vorgehensmuster zu analysieren. Diskreter Umgang, vorsichtiges „Abtasten“. Für den Moment bleibt jede Äußerung in den vier Wänden des Unternehmens. Keine schlechte Presse, keine auf den aktivistischen Zug aufspringende Trittbrettfahrer. Darüber hinaus stochert man mit seiner Gegenwehr im Dunkeln, solange unklar ist, wen genau man vor sich hat.
Von Gleichbehandlung und Treue
Doch die Möglichkeiten der „one-on-ones“ sind nicht unbegrenzt, sodass Vorstand und Aktivist nicht hinter verschlossenen Türen die Zukunft des Unternehmens planen können.
Erstgenannten verpflichtet § 53a AktG unter gleichen Voraussetzungen alle Aktionäre gleich zu behandeln. Zwar sind Auskunftserteilungen an Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung, wie oben bereits gesagt, zulässig und begründen lediglich einen nachträglichen Auskunftsanspruch der übrigen Anteilseigner.
Jedoch hat der Vorstand stets seine eigene Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft zu berücksichtigen. Den wichtigsten Grundsatz normiert § 93 Abs. 1 S. 3 AktG in Form einer Verschwiegenheitspflicht. Ihm ist es demgemäß zum Schutz von Gesellschaftsinteressen verboten, vertrauliche Angaben und Geheimnisse preiszugeben. Selbiges ordnet § 116 S. 1 und 2 AktG für den Aufsichtsrat an. Hierrunter fallen konkrete Tatsachen wie Kalkulation oder Absatzplanung, aber auch schon Umstände, die das Geschäft oder den Betrieb betreffen und deren Nachaußendringen zu wirtschaftlichen Nachteilen führen kann (z.B. Stand von M&A-Verhandlungen).
Im Gespräch ist daher die nötige Vorsicht und Aufmerksamkeit geboten, welche Informationen weitergegeben werden.
Damit nicht genug: Vielmehr erweitert das Gesetz über den Wertpapierhandel (kurz: WpHG) den Pflichtenkatalog durch das Gebot zur sog. Ad-hoc Publizität (§ 15 Abs. 1 und 2 WpHG). Dahinter verbirgt sich die Veröffentlichung solcher Tatsachen, die den Börsenkurs beeinflussen können (Insiderinformationen) und damit offenbar eine Ausnahme von dem Verschwiegenheitsgebot. Im Einzelfall kann aber allein schon die Aufnahme bzw. der Inhalt eines Gespräches mit einem Activist Shareholder eine publikationspflichtige Insiderinformation darstellen (z.B. Drohung des Investors sein Aktienpaket abzustoßen). Dies gilt insbesondere unter der Prämisse zunehmender Akzeptanz aktivistischer Bestrebungen, deren Ankündigung nicht selten einen positiven Niederschlag im Aktienchart findet.
Auf der anderen Seite steht den Aktionären keine uneingeschränkte Handlungsfreiheit zu. Erwerb einer Aktie bedeutet immer auch Beteiligung an der Gesellschaft. Es verwundert daher nicht, dass hiermit gewisse Treuepflichten einhergehen. Diese untersagen dem Aktionär seine Interessen über die der AG zu stellen und eigensüchtige Ziele auf Kosten von Gesellschaft und Mitaktionären zu verfolgen. Treuwidrigkeit kommt vor allem dann in Betracht, wenn das Interesse aktivistischer Hedgefonds an kurzfristigen Gewinnen im Widerspruch zur nachhaltigen Entwicklungspolitik des Unternehmens steht.
Eine allzu große praktische Relevanz kommt den Treuepflichten entgegen ihrem Anschein gleichwohl nicht zu. Der gute Gedanke verkommt mangels wirklicher Justiziabilität dann doch eher zu einem stumpfen Schwert.
Prophylaxe und Therapie
Auch aktivistische Investoren wissen um die Vorzüge der „one-on-ones“ und nutzen diese gezielt um Druck aufzubauen. Aus diesem Grund müssen Vorstände und Manager auf diese Art der Kontaktaufnahme vorbereitet sein, damit sie gerade genug und nicht die falschen Informationen weitergeben.
Um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, ist eine „Herz- und Nierenprüfung“ unerlässlich: „Frage und Antwort“-Szenarien sind im Vorfeld genauso durchzuspielen, wie es die eigene Unternehmensstrategie und Führungslinie zu hinterfragen gilt. Ohne weiteres muss es möglich sein, schlagfertig und überzeugend für den bisher verfolgten Kurs und das angestrebte Ziel zu argumentieren. Andernfalls haben die aktivistischen Hedgefonds-Manager leichte Beute.
Um im schlimmsten Fall in einer Hauptversammlung nicht allein dazustehen, lohnt es sich parallel zu den oben genannten Präventionsmaßnahmen nach sog. Ankeraktionären Ausschau zu halten.
Stirn bieten
Kommt es zum PR-Krieg, fliegen immer die Fetzen. Verlierer dürfte meist das Unternehmen sein. Federn lässt es alleweil.
Activist Shareholders suchen sich ihre Ziele genau aus, spielen mit der Angst anderer Anteilseigner um diese durch geschickte Wortmeldungen oder (vermeintliches) Aufdecken von Fehlern auf ihre Seite ziehen. Hierfür spricht das Ergebnis einer empirischen Auswertung aktivistischer Aktionen in Deutschland seit 1999, wonach Aktienkurse positiv reagieren, wenn sich aktivistische Investoren am Horizont abzeichnen. Demnach besteht ein grundsätzliches Vertrauen in die Berechtigung der geübten Kritik.
„One-on-one“-Gespräche sind zu suchen und als Chance zu betrachten. Hier kann man den Aktionären die Stirn bieten und sich für den verfolgten Kurs stark machen, indem Argumente der Shareholder mit eingeübter Ruhe entkräften werden.
Wo man auch hinschaut, Stillhalten und Aussitzen des aktivistischen Gewitters ist keine Lösung. Es gleicht vielmehr einem harter Winter, denn einem Sturm.
(Bild: Copyright shockfactor - fotolia.com)