Teilnahme- und Stimmrecht bei Vertretung in der Hauptversammlung
Wenn der Aktionär nicht teilnehmen darf - Klage gegen Hauptversammlungsbeschluss
Wenn der Aktionär nicht teilnehmen darf - Klage gegen Hauptversammlungsbeschluss
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig, LL.M. (Durham), Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Berlin
Aktiengesellschaften sind eine tolle Sache: Der Vorstand darf sich Vorstand nennen. Gewichtige Persönlichkeiten und gute Bekannte können mit einem Posten im Aufsichtsrat versorgt werden. Und nach Außen hört es sich cool und mächtig an: AG, Aktiengesellschaft.
Tatsächlich ist die Aktiengesellschaft auch eine tolle Rechtsform. Ihre Grundstruktur mit der zweiteiligen Geschäftsleitung - operativer Vorstand, kontrollierender Aufsichtsrat - verspricht das Beste für die Aktionäre als Anteilseigner. Letztere müssen sich nicht um die Kontrolle des Vorstandes kümmern, dies übernimmt ja funktionsgetreu der Aufsichtsrat.
In der Praxis zeigt sich indes immer wieder, dass den Beteiligten, insbesondere den Aktionären, nicht bewusst ist, dass das Aktiengesetz für die privatautonome Ausgestaltung der innergesellschaftlichen Beziehungen wenig Raum lässt. Eine Entscheidung des LG München I, Urteil vom 20.2.2020 – 5 HKO 7924/19, belegt dies erneut.
Dreh- und Angelpunkt des Aktienrechts: § 23 Abs. 5 AktG und Satzung der AG
Herzstück jeder Gesellschaft ist der Gesellschaftsvertrag, der bei der GmbH und der AG auch fachsprachig Satzung genannt wird. Wesentlicher Bestandteil des Gesellschaftsvertrages sind die Regelungen der Gesellschafter betreffend das Innenverhältnis der Gesellschaft: Welches Organ wird wie ernannt? Wer hat welche Kompetenzen? Wie treffen die Gesellschafter Entscheidungen? Wie erfolgt die Einladung zu Gesellschafterversammlungen? Unter welchen Bedingungen kann oder muss ein Gesellschafter die Gesellschaft verlassen?
Anders als das GbR-Recht oder das GmbH-Recht erlaubt das Aktienrecht den Gesellschaftern (Aktionären) nicht, über das Innenleben der Gesellschaft frei zu bestimmen. Dreh- und Angelpunkt ist hier § 23 Abs. 5 AktG:
„Die Satzung kann von den Vorschriften dieses Gesetzes nur abweichen, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. Ergänzende Bestimmungen der Satzung sind zulässig, es sei denn, daß dieses Gesetz eine abschließende Regelung enthält.“
Mit anderen einfachen Worten: Die Gesellschafter können ihr Innenverhältnis nur dort selbst gestalten, wo das Aktiengesetz es ausdrücklich erlaubt (und dies ist nur an wenigen Stellen).
Einschränkung des Teilnahmerechts durch einschränkende Vertretungsregelung?
Im Fall des LG München sah die von den Aktionären beschlossene Satzung der Aktiengesellschaft vor, dass Aktionäre sich in der Hauptversammlung nur durch Familienangehörige oder andere Aktionäre vertreten lassen können.
In einer einberufenen Hauptversammlung der AG hatte ein Aktionär sich jedoch durch einen von ihm beauftragten Rechtsanwalt vertreten lassen (wollen). Dem mit einer Originalvollmacht ausgestattetem Rechtsanwalt wurde vom Vorsitzenden des Aufsichtsratsvorsitzenden der Zutritt zur Hauptversammlung verweigert. Zur Begründung verwies der Vorsitzendes des Aufsichtsrates auf die entsprechende Satzungsregelung.
Teilnahmerecht = Vertretungsrecht in der Hauptversammlung!
Das Gericht formulierte zu Recht, dass das Teilnahmerecht eines Aktionärs in der Hauptversammlung auch zwingend das Recht auf Vertretung in der Hauptversammlung enthalte.
Das Aktiengesetz erlaube keine Einschränkung des Teilnahmerechts in der Weise, dass sich ein Aktionär nur durch Personen aus einem bestimmten Personenkreis vertreten lassen könne. Das Teilnahmerecht sei kein höchstpersönliches Recht.
Anfechtung Hauptversammlungsbeschluss, Beschlussmängelklage
Die Verweigerung, den Vertreter des Aktionärs zur Teilnahme an der Hauptversammlung zuzulassen, führte letztlich zur Anfechtbarkeit sämtlicher Beschlüsse der betreffenden Hauptversammlung. Ausdrücklich bestimmte das Gericht, dass es keine Rolle spiele, ob die Stimme des Aktionärs, dessen Vertreter nicht teilnehmen durfte, für die Entscheidung relevant (kausal) gewesen wäre. Die rechtswidrige Nichtzulassung zur Hauptversammlung greife in den Kernbereich der Mitgliedschaft ein.
Der Aktionär konnte daher erfolgreich eine Beschlussmängelklage (Anfechtungsklage) erheben und die Beschlüsse der Hauptversammlung zu Fall bringen.
Hinweise für die Praxis
Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionäre sollten sich immer wieder bewusst machen, dass das Aktienrecht im Gegensetz zum GmbH-Rechte sehr formalen Regeln folgt. Was im Aktiengesetz nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist im Zweifel unwirksam. Die Rechtsberatung in aktienrechtlichen Themen ist daher oft ein Muss.