Brandaktuell: Stimmrecht des Mehrheitsaktionärs und Aktionärsklage

Interessenkonflikte, Stimmverbote im faktischen Konzern

Der Minderheitsaktionär ist oft in einer schlechten Situation. Das Aktienrecht gibt ihm, dem Eigentümer, erstaunlich wenige Rechte. Und dann gibt es auch oft noch den Großaktionär, der faktisch die Macht über den eigentlich autonom agierenden Vorstand ausübt. Ein aktuelles BGH-Urteil (28.11.2023, Az. II ZR 214/21) scheint den Weg zu ebnen, dieses Machtgefüge aufzubrechen.

Veröffentlicht am: 29.02.2024
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Streit in der Aktiengesellschaft

Im Zentrum des öffentlich ausgetragenen Konfliktes stand eine prominente Aktiengesellschaft aus dem Hotel- und Gastronomiebereich. Als Mehrheitsaktionärin fungierte die "L-Gruppe", ein Schwergewicht in der Hotellerie- und Touristikbranche. Als „Minderheitsaktionär“ agierte der Kläger, der mit 33,80 % an der AG beteiligt war. Die restlichen Aktien befanden sich im Streubesitz.

Kern des Konflikts war – vereinfacht gesprochen – der Erwerb der C. - S.A. durch die beklagte AG zu einem Kaufpreis von 34 Millionen Euro. Mittelbarer Eigentümer der C. - S.A. war die Mehrheitsaktionärin der beklagten AG. Der Kläger bezweifelte die Angemessenheit des Kaufpreises und äußerte den Verdacht, dass der Preis zu Gunsten der Mehrheitsaktionärin überhöht und somit eine verdeckte (mittelbare) Vermögenszuwendung an die Mehrheitsaktionärin erfolgt sei.

Streit in der Hauptversammlung, Beschlussanfechtung

Bei einer Hauptversammlung der AG wurde der Beschluss gefasst, Schadensersatzansprüche gegen die Mehrheitsaktionärin im Zusammenhang mit dem kontroversen Kauf der C. - S.A. zu verfolgen. Hierzu wurde ein besonderer Vertreter ernannt (§§ 147, 117 AktG).

In einer darauffolgenden Hauptversammlung wurde über Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder des Aufsichtsrats und Vorstands der AG im Zusammenhang mit dem kontroversen Kauf der C. - S.A. abgestimmt (§§ 147, 93, 116 AktG). Der Beschluss bekam keine Mehrheit, da die Mehrheitsaktionärin dagegen stimmte. Die Minderheitsaktionärin klagte daraufhin gegen die Ablehnung des Beschlusses.

Stimmverbot des Aktionärs § 136 AktG

Nach § 136 AktG kann niemand für sich oder für einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Nach dem Wortlaut erfasst das Aktiengesetz daher nur das Stimmrecht des Aktionärs, gegen den die Geltendmachung von Ansprüchen beschlossen werden soll.

Nach Auffassung des BGH erfasst die Norm indes auch den Fall, dass der Beschluss

  • die Bestellung eines Organs zum Gegenstand hat, das die Gesellschaft bei der Verfolgung von Ansprüchen gegen den Aktionär vertreten soll,
  • einen Sachverhalt betrifft, aus dem sich Ansprüche gegen Aktionäre ergeben können.

In beiden Situationen könne, so der BGH, aufgrund des Ausmaßes des Interessenkonfliktes des Aktionärs, eine allein an mitgliedschaftlichen Interessen ausgerichtete Stimmabgabe nicht erwartet werden. Der Aktionär unterliegt dann einem Stimmverbot.

Stimmverbot und Aktionärsklage § 147 AktG

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Aktionärsklage nach §147 AktG? Nun, nach § 147 AktG müssen Schadensersatzansprüche der Gesellschaft „gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats oder aus § 117 AktG" geltend gemacht werden, wenn es die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschließt.

Der BGH lässt es dabei genügen, wenn der Beschluss der Hauptversammlung die Umstände der möglichen Ersatzansprüche der Gesellschaft „umreißt“ – auf die Erfolgsaussichten einer Klage o.ä. komme es nicht an. Genügend sei, wenn der Beschluss den betreffenden Sachverhalt „ausreichend klar und konkret“ umschreibe.

Praxistipp – besonderer Vertreter und Haftungsvermeidung

Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des BGH den Aktionärsklagen und dem besonderen Vertreter weiteren Auftrieb geben wird. Aktionäre können nun mutiger in Hauptversammlungen auftreten und Ansprüche verfolgen; sinnvollerweise nach entsprechender Beratung durch einen Anwalt.

Einen Anwalt sollten auch Vorstände und Aufsichtsräte faktisch beherrschter Unternehmen zu Rate ziehen. Die Entscheidung des BGH erhöht das potenzielle Haftungsrisiko von Vorständen und Aufsichtsräten nicht unerheblich, dass sie Aktionären ein aktives Vorgehen erleichtert. Die schlechte rechtliche Situation der Aktionäre verbessert sich …