Selbstbestellung - Wenn der Vorstand sich selbst zum Geschäftsführer bestellt
Geht es noch komplizierter in der AG?
Vorstände sollen zumeist auch den Posten des Geschäftsführers in Tochtergesellschaften der AG übernehmen. Geht es dann tatsächlich um die Bestellung des Vorstands zum Geschäftsführer, so sträuben sich beim näheren Hinsehen alle rechtlichen Nackenhaare. Warum? Das erfahren Sie hier.
Bestellung des Geschäftsführers in der Tochter-GmbH
Der Geschäftsführer wird durch einfachen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung bestellt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Satzung nichts anderes sagt.
Bei der Beschlussfassung selbst kann jeder Gesellschafter mitstimmen; auch der, der zum Gesellschafter bestellt werden soll. Mit anderen Worten, als Gesellschafter darf man sich selbst zum Geschäftsführer bestellen. Bei der Ein-Mann-GmbH geht es gar nicht anders.
AG als Gesellschafter einer GmbH
Sind eine KG, GmbH oder eine AG Gesellschafter einer GmbH so werden diese bei der Beschlussfassung der GmbH durch deren Vertreter vertreten. Die Vertreter über das Stimmrecht ihrer jeweiligen Gesellschaft aus. Mit anderen Worten: Sie geben die Stimme im Namen ihrer jeweiligen Gesellschaft ab.
Vertretung der AG durch den Vorstand
Ist eine AG Gesellschafter einer GmbH heißt dies für die Vertretung folgendes: Nach § 78 AktG vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind grundsätzlich sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Natürlich können die Vorstandsmitglieder ein Mitglied bestimmen, das dann zum Beispiel im Namen des Vorstandes unterzeichnet.
Kommen wir nun zurück zu unserer Bestellung des Geschäftsführers. Nehmen wir an, der Vorstand besteht aus nur einer Person. Und diese Person soll nun mit den Stimmen der AG in der Gesellschafterversammlung der GmbH zum Geschäftsführer bestellt werden.
Stimmt der Vorstand dann in der Gesellschafterversammlung für seine eigene Bestellung? Oder muss dies der Aufsichtsrat der AG tun? Oder genügt die Zustimmung des Aufsichtsrates zur Stimmabgabe. Fragen über Fragen.
Vertretung der AG gegenüber dem Vorstand durch den Aufsichtsrat?
Grundsätzlich vertritt der Aufsichtsrat die AG gegenüber dem Vorstand (§ 112 AktG). Klassische Beispiele sind Bestellung und Abberufung sowie, Abschluss und Kündigung des Vorstandsvertrags. Doch soll der Aufsichtsrat in der Gesellschafterversammlung das Stimmrecht bei der Bestellung des Vorstandes zum Geschäftsführer ausüben?
Nein, denn im Grunde ist die Stimmabgabe eine Vertretung gegenüber der GmbH (und nicht gegenüber dem Vorstand).
Verbot der Selbstbestellung wegen § 181 BGB (Verbot der Mehrfachvertretung)?
Eine weitere Frage betrifft das Verbot sogenannter In-Sich-Geschäfte (§ 181 BGB), welches u.a. eine Mehrfachvertretung verbietet. Keine Person soll bei einem Geschäft beide Vertragsparteien vertreten. Einzige Ausnahme: Der Vertretene stimmt vorher oder nachher der Vertretung zu.
Auf den Vorstand übertragen heißt dies, dass der Vorstand bei seiner eigenen Bestellung zum Geschäftsführer nicht zugleich seine AG und Tochter-GmbH vertreten kann. Die wohl herrschende Ansicht folgt dem und erachtet für den Fall der Selbstbestellung eines Vorstands zum Geschäftsführer eine Genehmigung seitens des Aufsichtsrates der AG für erforderlich.
Lösung des gordischen Knotens bei Bestellung des Geschäftsführers in Tochter-GmbH?
Das OLG Frankfurt am Main, 04.01.2022, Az. 20 W 225/20, hat jüngst entscheiden, dass der Aufsichtsrat der AG die Selbstbestellung des Vorstandes zum Geschäftsführer genehmigen muss. Ist damit der gordische Knoten gelöst?
Nein. Zum einen fehlt es bislang an einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) zu diesem Thema. Zum anderen gibt es eine Vielzahl ungelöster Fragen: Was ist, wenn der Vorstand aus mehreren Personen besteht. Muss der Aufsichtsrat auch dann die Bestellung genehmigen, wenn der zum Geschäftsführer bestellte Vorstand bei der Entscheidung des Vorstandes, einen Geschäftsführer zu bestellen, nicht beteiligt ist?
Fragen über Fragen (bleiben leider) ...
Was tun, fragen sich Vorstand und Aufsichtsrat?
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Dem Vorstand ist daher zu empfehlen, dass er vorsorglich (a) einen Beschluss zur Bestellung trifft, ohne dass die zu bestellende Person an dem Beschluss beteiligt ist und (b) die Zustimmung des Aufsichtsrates einholt und sich eine Vollmacht geben lässt.
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