Private Vorsorge unerwünscht

Wenn der Staat eine Schenkung rückgängig macht

Veröffentlicht am: 30.11.2017
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Wenn der Staat eine Schenkung rückgängig macht

Ein Beitrag von Fiona Schönbohm

Das neuste Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg zum Anspruch auf Hilfe zur Pflege lässt einem die Haare zu Berge stehen. Wie ein derart rücksichtsloser Urteilsspruch erfolgen konnte, der normale Lebensverhältnisse vollkommen außer Acht lässt, ist schlicht nicht erklärlich. Er steht im vollkommenen Widerspruch zu dem sinnlosen Beharren der Politiker auf private Altersvorsorge und führt der Bevölkerung wieder mal vor Augen, dass eine Lösung der Rentenfrage nicht in Sicht ist.

Finanzielle Unterstützung bei der Pflege

In dem infrage stehenden Urteil beantrage eine pflegebedürftige Frau ohne ausreichende finanzielle Mittel als Hilfe zur Pflege gem. §§ 61, 61a SGB XII. Das Sozialgesetzbuch sieht Hilfe zur Pflege vor, soweit dem Leistungsberechtigten oder seinem Ehepartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nicht möglich ist.

Die ungedeckten Pflegekosten der Frau betrugen monatlich 160 Euro. Vermögen besaß sie nicht. Sie bezog lediglich eine unzureichende Rente der Deutschen Rentenversicherung (DRV) und Leistungen aus der betrieblichen Altersvorsorge.

Kein Härtefall bei privater Vorsorge

Trotzdem wurde ihr Anspruch überraschenderweise abgelehnt und auch von dem nun mit der Sache befassen Sozialgericht verneint. Grund: Die Frau hatte jahrelang einen monatlichen Betrag von rund 150 Euro an Lebensversicherungen für ihre beiden Töchter gezahlt. Die Richter argumentierten, diese Leistungen seien Schenkungen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches gewesen und könnten als solche bei Bedürftigkeit der Schenkenden wieder zurückgefordert werden.

Der Rückkaufswert der Versicherung belief sich auf rund 23.000 Euro. Die Frau sei daher zu vermögend für einen Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch. Auch eine Ausnahme von der Rückforderungsmöglichkeit sei nicht gegeben, insbesondere seien die Töchter auch nicht außer Stande, das Geld zurückzuzahlen — man müsse ja nur die Versicherung auflösen. Auch eine besondere Härte nach der Härtefallregelung des SGB liege nicht vor.

Jede Schenkung notariell beurkunden lassen?

Die Schenkung hat im deutschen Recht die Besonderheit, dass aus Gründen der Rechtssicherheit der Schenkungsvertrag (oder: das Schenkungsversprechen) von der Handschenkung, also der sofortigen Übergabe der Sache mit Schenkungsabsicht, unterschieden wird. Daher konnte die Frau auch nicht einwenden, ihren Töchtern das Geld vor über zehn Jahren geschenkt zu haben, womit eine Rückforderung verjährt wäre. Denn der Schenkungsvertrag muss zu seiner Gültigkeit notariell beurkundet werden, was hier nicht geschah.

Der Wortlaut des Urteils lässt einem die Haare zu Berge stehen. Dass die Frau, die ihr hart verdientes Geld statt es auszugeben über Jahre gespart hatte, um in die Lebensversicherung ihrer Töchter zu investieren, dieses nun zurückfordern muss, mit Verlusten für sie selbst und ihre Töchter, ist abenteuerlich. Sie hat genau das getan, was die Politik von ihr fordert: Privat vorgesorgt für ihre Töchter. Dabei steht das Geld jedenfalls faktisch im Gegenzug für Hilfe der Töchter bei der Pflege. Dass sie von den Töchtern nun einen fünfstelligen Betrag zurückfordern soll, ist schwerlich nachvollziehbar.

Mehr zu den gesetzlichen und vertraglichen Möglichkeiten eine Schenkung zurückzufordern finden sie hier: Rückforderungen von Schenkungen