Neues zur Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern
Aktive Mitteilungspflicht bei Statusänderung bestätigt
Wissen Sie wie es um Ihre Sozialversicherungspflicht steht? Nein? Hier erfahren Sie warum Sie sich lieber schlau machen sollten, damit die Mitteilungspflicht Ihnen nicht zum Verhängnis wird...
Aktive Mitteilungspflicht bei Statusänderung bestätigt
Autor: Christian Westermann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht in Hamburg
Die Frage nach der Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern sollte sich jeder verantwortungsvolle Gesellschafter einmal stellen, wenn er nicht teure Risiken eingehen will.
Inzwischen ist es als gefestigte Rechtsprechung anzusehen, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer lediglich dann als selbstständig und sozialversicherungsfrei anzusehen ist, wenn er über eine im GmbH-Gesellschaftsvertrag geregelte „qualifizierte“ Sperrminorität verfügt, mit welcher er Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann.
Voraussetzungen für Sozialversicherungsfreiheit immer enger
Das Bundessozialgericht hat dazu im Jahr 2018 entschieden, dass eine qualifizierte Sperrminorität nur dann gegeben ist, wenn die Sperrminorität sich nicht nur auf bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft beschränkt, sondern uneingeschränkt die gesamte Unternehmenstätigkeit erfasst.
Diese Entscheidung reihte sich in eine Folge von Urteilen ein, mit denen die Möglichkeiten dafür, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung als sozialversicherungsfrei eingestuft wurde, in den letzten etwa zehn Jahren mehr und mehr eingeschränkt wurden. Beispiele sind hier die Aufgabe der sogenannten „Kopf und Seele“-Rechtsprechung oder die Ablehnung von Stimmbindungsverträgen außerhalb der Satzung.
Statusfeststellungsbescheid als „Joker“
Eine Art „Joker“ für den Geschäftsführer war es bisher, wenn für diesen in der Vergangenheit ein individuelles Statusfeststellungsverfahren durchgeführt worden war, in welchem ihm Sozialversicherungsfreiheit bescheinigt worden war. Dann konnte der Geschäftsführer sich in der Regel auf einen Vertrauensschutz aus dem bestandskräftigen Statusfeststellungsbescheid berufen.
Doch auch hier ist jetzt Vorsicht geboten:
Neues Urteil zum Statusfeststellungsbescheid
In seinem Urteil vom 29.03.2022 (Az.: B 12 KR 1/20 R) hatte das Bundessozialgericht über die Frage zu entscheiden, ob bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, welche Grundlage eines früheren Statusfeststellungsbescheids waren, eine aktive Mitteilungspflicht des Geschäftsführers bzgl. der Änderung besteht oder nicht.
Diese Frage hat Auswirkungen auf die Frage, ob der frühere Bescheid im Rahmen einer neuen Betriebsprüfung auch rückwirkend für die Vergangenheit oder nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden kann. Das große finanzielle Risiko für die geprüften Gesellschaften liegt nämlich in der Regel in den hohen Nachforderungen der Sozialversicherungsbeiträge für die Vergangenheit.
Änderung der Sperrminorität bei Kapitalerhöhung
In dem entschiedenen Fall hatte die Rentenversicherung 2010 in einem Statusfeststellungsverfahren festgestellt, dass der Geschäftsführer wegen einer damals bestehenden Sperrminorität eine selbstständige Tätigkeit ausübte und damit nicht sozialversicherungspflichtig war. Der Geschäftsführer verfügte über 40% der GmbH-Geschäftsanteile und für Beschlüsse war eine Mehrheit von 70% notwendig.
Im Jahr 2012 sank die Beteiligung des Geschäftsführers durch eine Kapitalerhöhung und die Aufnahme weiterer Gesellschafter auf nur noch rund 20% ab, so dass die Sperrminorität verloren ging. 2017 hob die Rentenversicherung dann den früheren Statusfeststellungsbescheid rückwirkend ab Dezember 2012 auf. Die GmbH klagte nun darauf, dass der frühere Bescheid zumindest nicht mit Wirkung für die Vergangenheit, sondern nur ab Erlass des neuen Prüfbescheides, also für die Zukunft, geändert werden dürfte.
Aufhebung des Statusfeststellungsbescheid für die Vergangenheit nur bei grober Fahrlässigkeit?
Entscheidend ging es dabei um die Frage, ob eine aktive Verpflichtung besteht, bei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (hier: dem Verlust der Sperrminorität) eine entsprechende Mitteilung zu machen bzw. eine neue Statusfeststellung zu veranlassen.
Die Berufungsinstanz, das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, hatte hierzu entschieden, dass eine solche Pflicht jedenfalls dann nicht bestehe, wenn aus einem bestandskräftigen Statusfeststellungsbescheid nicht eindeutig zu entnehmen sei, dass allein die bestehende Sperrminorität für die Einstufung als Selbstständiger entscheidend war. Eine Verletzung möglicher Mitteilungspflichten sei dann jedenfalls nicht als grob fahrlässig anzusehen.
Mindestens grobe Fahrlässigkeit sei nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X aber Voraussetzung dafür, dass ein Verwaltungsakt wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse auch für die Vergangenheit abgeändert werden könne. Liege keine grobe Fahrlässigkeit vor, so wirke eine tatsächliche Statusänderung allenfalls für die Zukunft.
Nunmehr: Aktive Mitteilungspflicht des Gesellschafter-Geschäftsführers
Während sich das Landessozialgericht hier noch auf die Seite der GmbH und des Geschäftsführers geschlagen hatte, hat das Bundessozialgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Aufhebung des früheren Statusfeststellungsbescheids auch für die Vergangenheit bestätigt.
Das Bundessozialgericht geht dabei von einer aktiven Mitteilungspflicht an die Sozialversicherungsträger aus. Dies gilt jedenfalls dann, wenn in einem früheren Statusfeststellungsbescheid die Bedeutung der Sperrminorität als Kriterium für die Ablehnung der Sozialversicherungspflicht hervorgehoben wurde.
Es müsse sich dann quasi aufdrängen, dass eine Änderung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse, welche die Sperrminorität berühren, mitzuteilen sei. Erfolge eine solche Mitteilung nicht, so sei dies zumindest grob fahrlässig. Ein bestandskräftiger Bescheid dürfe dann auch für die Vergangenheit aufgehoben werden, mit der Folge, dass Beitragsnachforderung ebenfalls für die Vergangenheit erhoben werden können.
Fazit: Augen auf bei gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen
Für die Praxis ist es damit dringend zu empfehlen, bei gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen in der GmbH, wie z.B. Anteilsabtretungen oder Kapitalerhöhungen, auch immer schon im Vorfeld die möglichen Auswirkungen auf die Frage der Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer mit im Blick zu haben und im Zweifel anwaltlich prüfen zu lassen.
Anderenfalls erlebt man unter Umständen erst Jahre später bei der nächsten Betriebsprüfung eine böse (und teure) Überraschung.