Phänomen „Medfluencer“: die Influencer der Medizin
Massenpublikum in sozialen Netzwerken – im juristischen Graubereich
Medfluencer“: Sie erreichen in sozialen Netzwerken ein Massenpublikum mit medizinischen Themen. Aber dürfen Sie auch, was sie tun?
Schon von dem aktuellen Phänomen Medfluencer gehört? „Medfluencer“ sind Influencer, die in Social Media medizinische Themen diskutieren oder Gesundheitstipps geben. Manche werben offen oder versteckt für Medikamente oder auch einfach für sich selbst. Sie erreichen damit tausende Follower, manche ihrer Videos werden millionenfach angesehen. Pharmakonzerne und Agenturen haben das längst als Chance erkannt. Es geht um viel Geld. Ein großer Markt ist entstanden – und der steckt noch in den Kinderschuhen. Doch welche Regeln gelten für Medfluencer? Was darf man online und wo sind die Grenzen? Ein Überblick.
Wer sind Medfluencer?
Medfluencer sind Ärztinnen und Ärzte, Studierende, Apothekerinnen und Apotheker, Angehöriger sonstiger Heilberufe, Heilpraktizierende oder sogar medizinische Laien. Auf TikTok heißen ihre Accounts beispielsweise „medsri“, „arzt_und_apothekerin“, „angstwegmacher“, „doc.felix“ oder „der.hausarzt“.
Doch wer wirklich hinter dem Account steckt, bleibt oft intransparent. Nicknames, also die Namen der Accounts, lassen oft auf Qualifikationen schließen, die tatsächlich gar nicht vorhanden sind.
Falsche Berufsangaben stellen ein Risiko dar
So wird der Begriff „MedizinerIn“ mit einem abgeschlossenen Studium assoziiert, aber teilweise von Studierenden benutzt. Wer sich „Doc“ nennt, muss keinen Doktortitel haben und einer, der im Namen eine Facharztbezeichnung führt, ist tatsächlich nur Weiterbildungsassistent. Manchmal steht im Impressum sogar eine kommerzielle Agentur.
Medfluencer gehen damit ein Risiko ein. Denn wer sich unter vorgetäuschten Qualifikationen größer macht, als er bzw. sie ist, handelt intransparent und irreführend und läuft Gefahr abgemahnt zu werden. Vor allem drohen VerbraucherInnen getäuscht zu werden.
Warum ist das Thema „Medizin“ in Social Media so groß?
Es ist nicht neu, nach der eigenen Krankheit zu „googeln“, also danach im Internet zu suchen. Gerade die jüngere Generation tut dies unterdessen vermehrt gleich in sozialen Netzwerken wie TikTok, YouTube oder Instagram.
Viele scheuen den Weg in die Arztpraxis, fühlen sich mitunter mit ihrem Anliegen nicht ernst genommen oder bekommen keinen zeitnahen Termin. Sie fühlen sich einem Medfluencer oft persönlich näher als einer Ärztin in einer Praxis. Wer also authentisch und sympathisch erscheint und regelmäßig Inhalte platziert, gewinnt schnell viele Follower und deren Vertrauen.
Warum ist medizinsicher Online-Rat bedenklich und risikoreich?
Verbraucherinnen und Verbraucher können sich praktisch nicht sicher sein, ob die Inhalte die Qualitätsstandards einer medizinischen Aussage erfüllen oder die jeweiligen Medfluencer überhaupt qualifiziert sind. Die Ge- und Verbote sowie die Rechtsprechung entstammen zumeist der „analogen Welt“. Einige Kontrollbehörden, z.B. für Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) oder Landes-Ärzteberufsordnungen, sind bei den Bundesländern angesiedelt.
Doch bei vielen Onlineinhalten ist gar nicht ersichtlich, von wo sie gesendet werden. Zudem treffen Influencer, also von Natur aus Menschenfänger, auf Ratsuchende, die regelmäßig krank und damit schwach und empfänglich für Einflüsse sind und im Fall von z.B. TikTok durchschnittlich auch noch eher jung und unerfahren sind.
Ist das noch Heilbehandlung oder schon Comedy?
Wer eine Praxis betritt, erwartet und bekommt regelmäßig eine Heilbehandlung. In sozialen Netzwerken ist das anders. Hier verschwimmenden die Grenzen zwischen Unterhaltung, Lifestyle-Tipps, Selbstdarstellung der Protagonisten, sachlich-medizinischen Vorträgen und individueller medizinischer Beratung.
Beispielsweise können in „TikTok - Lives“ die Influencer in einen direkten Kontakt mit den Followern treten und beantworten adhoc direkte Fragen der Teilnehmenden. Wenn die dem Rat folgen, ohne herkömmliche ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, fehlt ihnen eine fundierte Diagnose.
Ist ärztliche Werbung in sozialen Netzwerken erlaubt?
Grundsätzlich dürfen auch Ärztinnen und Ärzte online werben, solange sie sachlich und angemessen ist. Auch Image- und Vertrauenswerbung sind erlaubt. Die Plattform ist irrelevant.
Ärztinnen und Ärzte dürfen jedoch nicht für Produkte, Arzneimittel oder Dritte werben, sog. Fremdwerbeverbot. Dagegen wird online vielfach verstoßen. Die Werbenden riskieren berufsrechtliche Konsequenzen, von Bußgeldern bis hin zum Entzug der Approbation.
Viele Fälle zulässiger Werbung mit medizinischen Inhalten
Aber auch Nicht-Ärzte verstoßen mit ihrer Werbung in sozialen Netzwerken oft gegen geltendes Recht. Die Werbung im Gesundheitswesen darf nicht anpreisend, irreführend oder vergleichend sein. Rabattaktionen sind ebenso unzulässig wie verschleiernde Werbung.
Es drohen Bußgelder und Abmahnungen. Mehr zum Thema Werberecht im Gesundheitswesen bzw. Grenzen ärztlicher Werbung finden Sie auf unserer Webseite.
Welches Risiko gehen Medfluencer ein?
Die Folgen der falschen Verwendung von Titeln und Berufsbezeichnungen oder deren irreführende Umgehungen wurden bereits genannt, ebenso wie die Konsequenzen unzulässiger Werbung. Wer Heilbehandlungen anbietet, ohne dafür qualifiziert zu sein, kann sich strafbar machen. Was banal klingt, ist unterdessen mehrfach zu beobachten.
Das größte Risiko sehen wir aber darin, dass ein personalisierter medizinischer Rat als Heilbehandlung ausgelegt werden kann. Konsequenz: Es wird ein ordentlicher Behandlungsvertrag geschlossen. Der Medfluencer würde dann nicht nur gegen eine Vielzahl von berufsrechtlichen Regeln verstoßen, sondern auch für Schäden voll haften, vermutlich ohne Versicherungsschutz.
Achtung: Studierende setzen die Approbation auf´s Spiel!
Die Medizinstudierenden unter den Medfluencern sollten im Blick haben, dass die angestrebte Approbation nicht nur die Prüfungsleistungen voraussetzt. Sie müssen auch persönlich „würdig und zuverlässig“ sein.
Daran kann gezweifelt werden, wenn sie als angehende Ärztin oder Arzt fortlaufend gegen Berufsrecht verstoßen und darauf sogar ein profitables Businessmodell aufbauen. Allen Medfluencern kann daher nur geraten werden, ihr Geschäftsmodell rechtlich überprüfen zu lassen, wenn sie es professionell betreiben wollen.
Wohin wird sich das digitale Gesundheitswesen entwickeln?
Sicher wird die Gesundheitspflege digitaler. Die bestehende Videosprechstunde ist nur ein Anfang. Die aktuellen Umtriebe in sozialen Netzwerken tragen jedoch mitunter „Wild-West-artige“ Züge, wo bestehendes Recht nicht durchgesetzt wird. Das heißt nicht, dass Social Media nicht einen wertstiftenden Beitrag leisten kann oder soll! Es müsste nur reguliert werden bzw. bestehende Regeln durchgesetzt werden.
Der Grundgedanke der bisherigen Regelungen, nämlich das Ansehen des ärztlichen Berufs zu schützen und die Gesundheitspflege von unerwünschter Kommerzialisierung freizuhalten, findet sich derzeit jedenfalls nicht auf TikTok und Co. wieder. Wir rechnen damit, dass medizinische Online-Inhalte in Zukunft wichtiger, professioneller und genauer reguliert werden.