Mammutverfahren gegen Automobilgiganten

Klagewelle gegen VW im Abgasskandal läuft an.

Veröffentlicht am: 11.08.2016
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Mammutverfahren gegen Automobilgiganten

Ein Gastbeitrag von Sonja Dähnhardt

“Das ist der Startschuss” - mit diesen Worten kommentiert Richterin Maike Block-Cavallaro ihren Vorlagebeschluss vom 05.08.2016, durch den sie einem Musterverfahren wütender Aktionäre gegen VW den Weg ebnet. Der Konzernriese sieht sich Aktionärsklagen in Milliardenhöhe gegenüber. So könnte der benannte Startschuss sogar zum Genickschuss für das Unternehmen werden.  

VW-Aktionäre fordern Schadensersatz in Milliardenhöhe

Mit Ausbruch des VW-Skandals um manipulierte Abgaswerte stürzte die VW-Aktie deutlich ab, wodurch Anleger große Summen Geld verloren. Diese Verluste wollen sie sich nun vom Unternehmen erstatten lassen. Insgesamt 170 Schadensersatzklagen von VW-Aktionären wurden bereits zugelassen. Es geht um einen Streitwert von knapp vier Milliarden Euro.  

Hätte VW seine Aktionäre früher warnen müssen?

Die klagenden Aktionäre sehen sich in ihren Informationsrechten verletzt.  Ihrer Ansicht nach hätte VW deutlich früher über die zu erwartenden Probleme informieren und auch auf drohende Kursabschläge hinweisen müssen. Tatsächlich hat der Konzernvorstand aber bereits eingeräumt, schon seit Jahren von den Manipulationen gewusst zu haben. Welche Konsequenzen im Falle des ‘ans-Licht-kommens’ für den Aktienkurs zu befürchten wären, hätte VW demnach wohl voraussehen können.

Entsprechend argumentieren die Aktionärsanwälte, dass VW sich bereits damals an die Aktionäre hätte wenden müssen. VW lies indes über einen Sprecher verlauten, man sei “weiterhin der Auffassung, seine kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten ordnungsgemäß erfüllt zu haben.” Ob der Vorstand in diesem Fall entsprechend verpflichtet wäre seine Aktionäre frühzeitiger über drohende Verluste zu informieren, bedarf einer aufwendigen aktienrechtlichen Prüfung und lässt sich ohne weitere Klärung der Sach- und Rechtslage nicht beantworten. 

Was passiert bei einem Musterverfahren?

Nun hat das LG Braunschweig mit dem Vorlagebeschluss die inhaltlich und rechtlich relevanten Fragen dem OLG Braunschweig vorgelegt. Damit wird nun das OLG über die Ansprüche der geschädigten Aktionäre zu entscheiden haben. Bei einem Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), das als deutsches Pendant zur amerikanischen Sammelklage gilt, wird eine Klage als Musterklage herausgenommen und durchgeführt. Währenddessen werden alle anderen Verfahren bis zur endgültigen Klärung des Musterverfahrens ausgesetzt. Im Musterverfahren selbst werden nur die Fragen geklärt die sich auf alle Kläger gleichermaßen beziehen. Diesbezüglich entfaltet der Musterentscheid bindende Wirkung für alle weiteren Verfahren.

VW in Not

Sollte das Musterverfahren zu Gunsten der Klägerseite verlaufen, wird VW gegenüber den Aktionären schadensersatzpflichtig sein. Neben den amerikanischen Schadensersatzverpflichtungen droht dem krisengebeutelten Konzern also auch von deutscher Seite eine existenzbedrohliche Haftung. Bis jetzt gibt sich der Konzern jedoch cool. Die Vorlage vor dem OLG sei ein normaler Verfahrensschritt den auch VW selbst beantragt habe. Angesichts der Gesamtsituation rund um den Automobilriesen ist jedoch zweifelhaft, ob dem Musterverfahren tatsächlich derart gelassen entgegengesehen werden kann.

Müssen nun die VW-Manager zahlen?

Das gilt vor allem für das Management. Sollte den Verantwortlichen in Wolfsburg ein Fehlverhalten nachgewiesen werden können, stellt sich die Frage, ob VW seine eigenen Manager in Regress nehmen kann. Grundsätzlich haftet im Falle einer Pflichtverletzung das jeweilige Organ der betroffenen Gesellschaft für den entstandenen Schaden. Im Zweifel ist es Aufgabe des jeweiligen Managers zu beweisen, dass er alle seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hat. So wird es auch im Falle des VW-Vorstands sein.

Zwar ist davon auszugehen, dass für alle Managementmitglieder eine Directors-and-Officers Versicherung (D&O Versicherung) abgeschlossen wurde, diese greift jedoch zumeist nicht bei Fällen von vorsätzlicher Pflichtverletzung. Zudem sind solche Versicherungen häufig auf einen Höchstbetrag gedrosselt, der bei den im Raum stehenden Summen vermutlich überschritten sein dürfte. Damit kann das Musterverfahren vor dem OLG Braunschweig nicht nur erhebliche – womöglich existenzbedrohende – Auswirkungen auf den Volkswagenkonzern sondern auch auf die für ihn handelnden Privatpersonen haben.

Weiterführende Informationen zum Aktienrecht sowie zur Managerhaftung finden Sie hier:

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