Lohnfortzahlung bei Quarantäne für Kontaktpersonen
Urteil zu Erstattungsansprüchen von Arbeitgebern
Bekommen auch Kontaktpersonen von Corona-Infizierten in der Quarantäne eine staatliche Entschädigung? Oder müssen Arbeitgeber Lohnfortzahlung leisten?
In den vergangenen zwei Jahren mag es mehreren Arbeitnehmern so ergangen sein, dass sie bei Kontakt zu einer corona-infizierten Person in häusliche Quarantäne geschickt wurden. Währenddessen durften sie ihre eigenen vier Wände nicht unerlaubt verlassen, ergo auch nicht zur Arbeit gehen. Einen häufigen Streitfaktor stellte in diesem Zusammenhang die Lohnfortzahlung dar.
Arbeitgeber wollten geleistete Lohnfortzahlung bei Quarantäne und zugehörige Sozialversicherungsbeiträge von staatlicher Seite erstattet bekommen. So auch eine Berliner Ingenieurgesellschaft. Ob das Berliner Verwaltungsgericht einer staatlichen Erstattung der Lohnfortzahlung zugestimmt hat, beleuchten wir im Folgenden (VG Berlin, Urteil vom 01.12.2022 – 14 K 631/20).
Antrag auf Erstattung der Lohnfortzahlung für 15 Tage abgelehnt – zurecht?
Ein Mitarbeiter der Ingenieursgesellschaft wurde im Oktober 2020 für 15 Kalendertage in Quarantäne geschickt. Er selbst war nicht am Coronavirus erkrankt, hatte aber Kontakt zu einer infizierten Person. Während sich der Mann in häuslicher Quarantäne befand, zahlte der Arbeitgeber weiterhin seinen Lohn und führte Sozialversicherungsbeiträge ab. Danach beantragte die Gesellschaft beim Land Berlin die Erstattung der Geldbeiträge. Das Land lehnte den Antrag auf Erstattung jedoch ab.
Staatliche Entschädigung auch bei Quarantäne für Kontaktpersonen?
Daraufhin ging die Ingenieursgesellschaft gerichtlich gegen den abgelehnten Erstattungsantrag vor. Sie war der Ansicht, dass sie durch die Lohnfortzahlung mit der staatlichen Quarantäneentschädigung in Vorkasse gegangen sei. Damit habe sie den Anspruch des Mitarbeiters gegen den Staat auf Quarantäneentschädigung erfüllt. Infolgedessen habe die Gesellschaft als Arbeitgeber einen Anspruch auf Erstattung der Lohnfortzahlung basierend auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes.
Lohnfortzahlungsanspruch oder Anspruch auf Quarantäneentschädigung?
Zu unterscheiden ist hier der Anspruch auf staatliche Quarantäneentschädigung vom Anspruch auf Lohnfortzahlung. Letzterer habe der Gesellschaft zufolge während der Quarantänezeit nicht bestanden. Lohnfortzahlungsanspruch bestehe zwar grundsätzlich, wenn ein Mitarbeiter durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden vorübergehend nicht seiner Arbeit nachkommen kann.
Allerdings stelle die Pandemie nicht einen solchen in der Person des Mitarbeiters liegenden Grund dar, sondern eher eine Art höherer Gewalt, vergleichbar mit einer Naturkatastrophe – so der Arbeitgeber. Zudem war die Gesellschaft der Meinung, dass eine Pflicht zur Lohnfortzahlung für 15 Tage unverhältnismäßig lang sei.
Arbeitsvertrag verpflichtet Chef grundsätzlich zur Lohnfortzahlung
Die Richter des Verwaltungsgerichts Berlin haben die Klage schließlich abgewiesen. In der nun veröffentlichten Urteilsbegründung heißt es, dass der Angestellte keinen Verdienstausfall erlitten habe, welcher im Rahmen einer Entschädigung bzw. Erstattung geltend gemacht werden könnte. Denn unter den tatsächlichen Umständen sei der Arbeitgeber weiterhin aus dem Arbeitsvertrag zur Lohnfortzahlung verpflichtet gewesen. Den Lohnfortzahlungsanspruch des Mitarbeiters entnahmen die Berliner Richter dem § 616 BGB, weswegen eine Quarantäne-Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz versagt wurde.
Wann verliert man den Anspruch auf Lohnfortzahlung?
Der Anspruch auf Lohnfortzahlung kann jedoch unter Umständen ausgeschlossen sein, wenn im Einzelfall Gründe dagegensprechen. Beispielsweise, wenn…
- der Arbeitnehmer, trotz Pflicht zum Gelben Schein, keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt,
- das Arbeitsverhältnis noch nicht länger als vier Wochen besteht,
- die geschuldigte Tätigkeit trotz konkretem Krankheitsfall erbracht werden könnte,
- der Arbeitsausfall selbst verschuldet ist.
Urteil: Keine Quarantäneentschädigung für Kontaktpersonen von Infizierten
In diesem Fall hätten jedoch die Voraussetzungen eines erkrankungsunabhängigen Lohnfortzahlungsanspruchs vorgelegen, da der Grund, weshalb der Mitarbeiter gefehlt habe, in seiner Person gelegen habe. Man dürfe hier nicht auf die Pandemie an sich abstellen, sondern auf die Tatsache, dass der Mitarbeiter Kontakt zu einer infizierten Person hatte und deshalb in Quarantäne musste, die auf dem personenbezogenen Ansteckungsverdacht beruht habe.
Auch sei eine Lohnfortzahlung im Rahmen eines länger andauernden, unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnisses in Anbetracht der Tatsache, dass die Inkubationszeit circa 14 Tage beträgt, angemessen.