Kriminelle Manager oder nur gefahrgeneigter Job?
Überlegungen zum Wirecard-Skandal
Wirecard galt lange als Vorzeigeunternehmen im deutschen Finanzsektor – ein Fintech mit globalem Wachstum. 2020 kollabierte der DAX-Primus.
Die Wirecard AG war ein deutsches Vorzeige-Fintech mit globalem Wachstum. Das Unternehmen schaffte es sogar in den DAX, die Spitze der deutschen Wirtschaftselite. Doch 2020 kam der tiefe Fall: Milliarden fehlten in der Bilanz, Treuhandkonten existierten nicht, und ein Betrugsskandal epischen Ausmaßes erschütterte die deutsche Finanzwelt. Was als Erfolgsgeschichte begann, endete in einem der größten Unternehmensskandale der deutschen Geschichte.
Einmal im Fokus der Justiz: Ein jahrelanger Albtraum
Der Fall Wirecard verdeutlicht, dass ein Manager, der sich mit einem Wirtschaftsskandal konfrontiert sieht, nicht nur mit existenzgefährdenden Haftungsprozessen, sondern auch mit jahrelanger Haft rechnen muss. Ex-Wirecard-Chef Markus Braun & Co. sitzen seit Jahren in Untersuchungshaft. Das Verfahren wurde bereits mehrfach verlängert, da sich die Angeklagten gegenseitig beschuldigen und die Justiz sich durch komplexe Finanzkonstrukte arbeiten muss.
Was wäre, wenn...?
Stell Dir vor, Du hältst Dich als Manager an Recht und Gesetz, versuchst mit viel Mühe und Aufwand, Dich keinem haftungsträchtigen Vorwurf auszusetzen, da Du im Grunde sehr risikoscheu bist. Immer wenn ich die jüngsten spannenden Neuerungen im Wirecard-Skandal lese, frage ich mich, ob es sein kann, dass der Ex-Wirecard-Chef Braun oder die anderen Beschuldigten tatsächlich zu Unrecht die Hauptrollen in diesem Wirtschaftskrimi spielen.
Kann es sein, dass die Inhaftierten unschuldig sind und trotzdem die ganze Macht der Justiz zu spüren bekommen? Handelt es sich um Wirtschaftskriminelle oder hat sich für die Beteiligten nur das Risiko ihrer gefahrgeneigten Arbeit, die so ein Managerjob mit sich bringt, realisiert? Diese Frage wird und kann nur gerichtlich in München geklärt werden.
Gesetzestreu, aber trotzdem verantwortlich
Über den Wirecard-Fall hinaus stellt sich vor deutschen Gerichten oft die Frage, ob Manager bewusst falsch gehandelt haben oder ob sie in ihrer Position schlicht Verantwortung für das Handeln anderer falsch Handelnder übernehmen müssen. Gerade in großen Unternehmen können Führungskräfte nicht jede operative Entscheidung selbst überprüfen. Dennoch können sie sich schnell in der Verantwortung wiederfinden, wenn sich herausstellt, dass ihr Unternehmen rechtswidrig gehandelt hat.
Es gibt diverse strukturelle Risiken für die Führungsriege eines Unternehmens. Dazu zählen sehr hohe Sorgfaltsanforderungen, Regeln zur Beweislastverteilung und natürlich spielt die Vorverurteilung der Öffentlichkeit eine große Rolle. D&O-Versicherungen sind schön und gut. Sie versagen aber nicht nur dann, wenn DAX-Unternehmen unter die Räder kommen.
Ist Manager ein Hochrisiko-Beruf?
Angesichts dieser Zustände stellt sich die Frage: Ist der Beruf des Managers so gefährlich, dass er besonderer Absicherung bedarf? Dies Frage ist zu bejahen. Während Unternehmen verstärkt auf Compliance-Maßnahmen setzen, bleibt das Risiko für Manager bestehen, dass sich ihre systemische Haftung verwirklicht, wenn die Kontrolle verloren geht. Niemand hat in Konzernstrukturen die 100%ige Kontrolle. Das Normative ist mit der Realität eben nicht deckungsgleich. Im Wirecard-Fall hat die Staatsanwaltschaft kürzlich die Vorwürfe reduziert, um sich auf die gravierendsten Vorwürfe zu konzentrieren. Die Richterbank zog mit, weil man sich sowieso im Bereich der Höchststrafe befände. Die Verteidigung spricht von einer Vorverurteilung.
In anderen Worten…
Manager müssen sich nicht nur um wirtschaftliche Erfolge kümmern, sondern auch sicherstellen, dass sie selbst nicht ins Visier der Justiz geraten oder sich keinen zivilrechtlichen Haftungsprozess fangen. Auch unterhalb der strafrechtlichen Ebene sind haftungsrechtliche Klagen gegen Geschäftsführer eine teure, kraft- und nervenzehrende Angelegenheit. Manager treffen eine extrem hohe Sorgfaltspflicht – nicht nur im Interesse ihres Unternehmens, sondern auch in eigener Sache. Wer als Führungskraft tätig ist, sollte sich der persönlichen Risiken bewusst sein. Neben den Strategien zur Haftungsvermeidung sind auch die Planungen von Vermögensschutz- und Asset Protection-Maßnahmen von hoher Relevanz.