Klage gegen Geschäftsführer oder D&O-Versicherung?
Haftung und Beweislast im Direktprozess
In Haftungsfällen stellt sich für Geschäftsführer und GmbH immer häufiger die Frage: Kann die GmbH nicht direkt gegen die D&O-Versicherung klagen und sich bei dieser schadlos halten? Ja, sie kann! Aber kann die GmbH auch die für sie günstige Beweislastregelung des AktG nutzen? Eine aktuelle Entscheidung des OLG Köln weiß die Antwort.
Abtretung, Klage gegen D&O-Versicherung
Im Fall des OLG Köln (Urteil vom 21.11.2023 – 9 U 206/22) stand die persönliche Haftung des Fremd-Geschäftsführers einer mittelständischen GmbH in Frage. Die GmbH warf dem Geschäftsführer vor, dass er es unterlassen habe, für einen ausreichenden Versicherungsschutz, hier Feuerversicherung, zu sorgen. Nachdem die GmbH Schadensersatz vom Geschäftsführer gefordert hatte, trat dieser seine Ansprüche aus der D&O Versicherung an die GmbH ab. Die GmbH klagte daraufhin aus dem abgetretenen Anspruch direkt gegen die D&O-Versicherung auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens in Höhe von 1,35 Mio. EUR.
Verteidigung durch Versicherung
Die D&O-Versicherung verteidigte sich gegen die Klage auf Schadensersatz naturgemäß mit Händen und Füßen. Betreffend die Frage der Pflichtverletzung des Geschäftsführers kristallisierten sich zwei Punkte heraus.
Der Geschäftsführer gab zum einen an, sich hauptsächlich um die Themen Technik und Vertrieb gekümmert zu haben. Sein Mit-Geschäftsführer sei hingegen für Versicherungsfragen zuständig gewesen. Zum anderen gab der Geschäftsführer an, dass der Gesellschafter mit der (Unter-)Versicherung einverstanden gewesen sei.
Hintergrund: Ressortaufteilung und Haftung
In der Praxis ist die Ressortaufteilung unter den Geschäftsführern häufig die erste Verteidigungslinie. Der in Anspruch genommene Geschäftsführer verweist auf seine eingeschränkten Kompetenzen und zeigt mit dem Finger auf den (dann meist ehemaligen) Mit-Geschäftsführer – dieser sei für die Sache zuständig gewesen. Tatsächlich ist die Verteilung von Ressorts/Zuständigkeiten eine taugliche Strategie zur Verteidigung. Voraussetzung ist aber mindestens, dass die Geschäftsführungsaufgaben klar und deutlich sowie einvernehmlich abgegrenzt sind. Daran hapert es meist in der Praxis …
Hintergrund: Einverständnis, Weisung und Haftung
In vielen Gesellschaften steht der Fremd–Geschäftsführer in großer Abhängigkeit vom Mehrheitsgesellschafter. Dieser gibt oft nicht nur die grobe Richtung vor, sondern greift in viele Dinge des Tagesgeschäfts ein. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass eine Pflichtverletzung und mithin eine Haftung zu verneinen ist, wenn ein Geschäftsführer auf Weisung oder mit Einverständnis der Gesellschafter handle. Die Einzelheiten hierzu sind freilich in vielen Teilen umstritten und damit rechtlich unsicher.
Beweis, Beweislast und Beweislastumkehr im Direktprozess – § 93 Abs. 2 AktG
Im Fall des OLG Köln war dann vor allem streitig, wer was im Zusammenhang mit den Aspekten Ressortaufteilung und Weisung des Gesellschafters zu beweisen hatte.
Ausgangspunkt des Streits war § 93 Abs. 2 AktG, der auch im GmbH-Recht Anwendung findet:
„Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast.“
Mit anderen Worten: Wenn ein Schaden entstanden ist, muss der Geschäftsführer (um einer persönlichen Haftung zu entgehen) beweisen, dass er alles richtig gemacht hat. Dies ist insofern interessengerecht, als er allein weiß, wer was in der GmbH macht und vor allem, was er selbst gemacht hat …
Der D&O-Versicherer war nun der Meinung, dass diese Beweislastregelung (zu Gunsten der GmbH) nicht gelte, wenn die GmbH sich den Anspruch des Geschäftsführers gegen die Versicherung abtreten lasse und direkt gegen die Versicherung klage. Sie, die Versicherung, habe ja gerade nicht das Wissen des Geschäftsführers. Die Abtretung könne nicht zu ihrem Nachteil sein.
Das OLG Köln folgte dieser Auffassung nicht. Die Abtretung des Freistellungsanspruchs ändere nichts an der Forderung und deren Eigenheiten. Zudem sei der Geschäftsführer der D&O-Versicherung vertraglich zu Auskunft und Mitwirkung verpflichtet. Die D&O-Versicherung könne – was auch vorliegend geschah – den Geschäftsführer jederzeit als Zeugen benennen.
Die Zeugenaussage des Geschäftsführers und die Vernehmung anderer Personen führten im Fall des OLG Köln dazu, dass eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers und Haftung der D&O-Versicherung verneint wurde.
Praxistipps – Was Unternehmen (noch) zur D&O-Versicherung wissen sollten
Die Entscheidung des OLG Köln verbessert die Situation betroffener GmbHs. Sie können sich den Freistellungsanspruch des Geschäftsführers gegen die D&O-Versicherung abtreten lassen, ohne die günstige Beweislastregelung des § 93 Abs. 2 AktG zu verlieren.
Unklar bleibt für die GmbH, wer sie im Direktprozess gegen die Versicherung vertritt: Geschäftsführung oder Gesellschafterversammlung? Vorsorglich (und wenn möglich) sollte eine Doppelvertretung unternommen werden.