Keine Staatshaftung für Corona-Schließungen

Erstes Urteil verneint Entschädigungsanspruch

Veröffentlicht am: 12.06.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Erstes Urteil verneint Entschädigungsanspruch

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Christian Westermann, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für Arbeitsrecht

Die erste Welle der Corona-Pandemie hat längst auch die Gerichte erreicht. Im Arbeitsrecht zeigte sich dies bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Pandemie mit einem spürbaren Anstieg an Kündigungen und damit verbundenen Kündigungsschutzklagen vor den Arbeitsgerichten. Später waren dann vor allen Dingen die Verwaltungsgerichte gefragt, die z.B. über die Verhältnismäßigkeit einzelner Maßnahmen wie etwa Betriebsschließungen nach den Corona-Verordnungen der Länder, die Lockerung oder die Nichtlockerung von Maßnahmen oder auch die Genehmigung oder Untersagung von Demonstrationen zu entscheiden hatten.

Staatliche Eingriffe wegen Corona

Bund und Länder haben zwischenzeitlich eine Vielzahl von Rettungspaketen aufgelegt, z.B. die Ausdehnung der Regelungen zur Kurzarbeit, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, Corona-Hilfen für Selbständige und Freiberufler und weitere branchenspezifische Unterstützungen, bis hin zum staatlichen Einstieg bei der Lufthansa.

Das Landgericht Heilbronn hatte nun allerdings in einer ersten veröffentlichten Entscheidung vom 29.04.2020 (Az. I-4 O 82/20) darüber zu entscheiden, ob bei behördlich angeordneten Betriebsschließungen jenseits der neu geschaffenen staatlichen Hilfspakete und Rettungsmaßnahmen eine Staatshaftung besteht, also ein Entschädigungsanspruch gegen die öffentliche Hand.

Verdienstausfall, Betriebskosten und Aufwendungen

Die Klägerin im entschiedenen Fall betreibt einen Friseursalon in Baden-Württemberg, der aufgrund behördlicher Anordnung mit Wirkung zum 23.03.2020 präventiv, also ohne dass eine konkrete Infektionslage bestand, schließen musste.

Die Klägerin beantragte deswegen beim zuständigen Gesundheitsamt eine Entschädigung für ihren Verdienstausfall, für angefallene Aufwendungen zur sozialen Sicherung sowie zeitanteilig für ihre Mietaufwendungen. Sie stützte sich dabei auf eine analoge Anwendung von § 56 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG), der grundsätzlich einen Entschädigungsanspruch für Verdienstausfall und laufende Betriebskosten regelt.

Streitigkeiten über Ansprüche aus § 56 IfSG sind den ordentlichen Gerichten zugewiesen, so dass hier das Landgericht zuständig war. Die Klägerin begehrte dort im Wege einer einstweiligen Verfügung, ihr eine Vorschusszahlung in Höhe von EUR 1.000,00 zuzuerkennen.

Keine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz

Das Gericht ist dem jedoch nicht gefolgt. Dies zum einen, weil es schon aus tatsächlichen Gründen eine existenzgefährdende Lage der Klägerin nicht hinreichend dargelegt sah. Die Klägerin hatte nämlich zwischenzeitlich auch Corona-Hilfen aus dem Soforthilfeprogramm des Bundes für Kleinunternehmen erhalten und ihre Mitarbeiter größtenteils in Kurzarbeit geschickt.

Das Gericht sah darüber hinaus aber auch generell keine Rechtsgrundlage für einen entsprechenden Entschädigungsanspruch. So sehe § 56 IfSG nämlich nur einen Entschädigungsanspruch für von behördlichen Maßnahmen betroffene individuelle Personen vor. Die Klägerin selbst war jedoch gesund und auch unter ihren Mitarbeitern gab es keinen Ansteckungsverdacht, so dass die Betriebsschließung – wie bundesweit in den meisten Fällen – rein präventiv erfolgt war.

Kein Entschädigungsanspruch anderer Art

Eine analoge Anwendung von § 56 IfSG für derartige Fälle präventiver Betriebsschließungen hat das Gericht jedoch abgelehnt, nicht zuletzt da Bund und Länder für Selbständige anderweitige Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaften Listen der Corona-Pandemie auf den Weg gebracht haben.

Die Regelungen des IfSG stellten darüber hinaus abschließende spezialgesetzliche Regelungen dar, sodass sich Entschädigungsansprüche gegen die öffentliche Hand auch nicht aus den allgemeinen polizeiordnungsrechtlichen Entschädigungsregelungen ergeben könnten.

Auch einen Rückgriff auf die Grundsätze des enteignenden bzw. enteignungsgleichen Eingriffs sowie den Aufopferungsgedanken hat das Gericht abgelehnt. Die entgangenen Erwerbs- und Betriebsaussichten der Klägerin seien darüber nicht geschützt und es bestehe insbesondere kein Schutz dagegen, dass sich die allgemeinen Verhältnisse, unter denen ein Gewerbebetrieb tätig ist, nicht nachteilig verändern.

Verweis auf staatliche Rettungsmaßnahmen

Im Ergebnis gibt es damit – jedenfalls nach dieser ersten veröffentlichten Entscheidung – keine Entschädigungsansprüche jenseits der bereits beschlossenen Rettungsmaßnahmen.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Gesetzgeber hier – je nach Dauer der Pandemie – z.B. auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zukünftig noch weiter tätig werden muss und wird.