Irreführende Werbung bei „dm“

Werbung für „hautfreundliches“ Desinfektionsmittel erlaubt?

Wirkt "hautfreundliche" Werbung für ein Desinfektionsmittel auf Verbraucher irreführend?

Veröffentlicht am: 10.07.2024
Qualifikation: Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
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Handelt es sich bei der Bezeichnung eines Desinfektionsmittels als „hautfreundlich“ um irreführende Werbung, die gegen die Biozid-Verordnung verstößt? Diese Frage musste der Europäische Gerichtshof kürzlich beantworten (EuGH, Urteil vom 20.06.2024 – Az. C-296/23).

Ins Leben gerufen wurde das Gerichtsverfahren von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (ZBUW). Grund dafür ist die Werbung für das Desinfektionsmittel „BioLYTHE“ der Drogeriemarktkette „dm“. Beworben wurde das Produkt unter anderem mit folgenden Worten: „Hautfreundlich – Bio – ohne Alkohol“.

Das Problem an der Sache war allerdings, dass es sich bei Desinfektionsmitteln um sogenannte Biozidprodukte handelt, die der Biozid-Verordnung (Nr. 528/2012) unterliegen.

Werbung für Biozid-Produkte streng geregelt

Die Biozid-Verordnung macht sowohl strenge Vorgaben zur Markteinführung (vorherige Genehmigung von Wirkstoffen und Risiken) von Produkten als auch zur Bewerbung von Biozidprodukten. Art. 72 Abs. 3 der Biozid-Verordnung regelt ein Irreführungsverbot. Demzufolge dürfen diese Produkte nicht derart beworben werden, dass sie eine irreführende Wirkung hinsichtlich ihrer Risiken für die Gesundheit, Umwelt oder ihrer Wirksamkeit haben, indem Risiken verharmlost oder unterschlagen werden.

Werbung für Biozid-Produkte, welche die Worte „ungiftig“, „natürlich“, „unschädlich“, „umweltfreundlich“ oder „Biozid-Produkt mit niedrigem Risikopotenzial“ enthält, sowie „ähnliche Hinweise“ ist verboten. Letzteres umfasst jederlei Hinweis, der potenzielle Risiken verharmlost oder ausschließt. Sinn und Zweck dieser strengen Werberegelung ist, zu verhindern, dass die Risiken von Biozidprodukten verharmlost werden.

Verstößt "hautfreundliche" Werbung gegen Unionsrecht?

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs forderte die Unterlassung der – ihrer Meinung nach irreführenden – Werbung wegen der Bezeichnung als „hautfreundlich“. Diese sei ein „ähnlicher Hinweis“ im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO.

Der Bundesgerichtshof (BGH) reichte die Entscheidung zunächst an den EuGH weiter. Dieser sollte entscheiden, ob die Verwendung des Begriffs „hautfreundlich“ im Rahmen der Werbung für Biozid-Produkte gegen das geltende Unionsrecht, also die Biozid-Verordnung, verstoße.

EuGH: "hautfreundlich" ist Irreführung

Die Luxemburger Richter entschieden schließlich, dass es sich bei der Bewerbung des Desinfektionsmittels als „hautfreundlich“ um irreführende Werbung handelt. Auf Verbraucher habe diese Aussage einen positiven Anklang und gleichzeitig würden damit schädliche Risiken relativiert. Es würde dadurch obendrein fälschlicherweise der Anschein erweckt, dass das Desinfektionsmittel der Haut sogar guttun würde, wodurch wiederum potenzielle Risiken übergangen werden.

Da der EuGH die Vorlagefragen beantwortet hat, liegt es nun am BGH den konkreten Streitfall zu entscheiden. Dabei hat er die Vorgaben des EuGH, dass es sich um irreführende Werbung im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO handelt, zu berücksichtigen.