Haftung von Fernsehsendern bei Verbreitung durch Dritte
Abmahnkosten für Verletzungen durch Uploader
Abmahnkosten für Verletzungen durch Uploader
Einen Beitrag von Dr. Bernd Fleischer, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Der Bundesgerichtshof hat durch Urteil vom 09.04.2019 entschieden, dass ein Fernsehsender, der im Rahmen seiner Berichterstattung eine allgemeine Persönlichkeitsverletzung begeht, auch für etwaige Rechtsverstöße von Dritten, die den Beitrag auf Online-Plattformen (z.B. auf YouTube oder Facebook) hochladen, haftet.
Dieses Urteil hat enorme Auswirkungen im Social-Media-Recht und Internetrecht, zumal diejenigen, die Inhalte als Erste online verbreiten, nunmehr besondere Sorgfaltspflichten zu beachten haben.
Auslöser der Haftungszurechnung
Der beklagte Fernsehsender hatte einen Mafia-Dokumentarfilm ausgestrahlt und in seine Mediathek gestellt, in dem unter anderem unwahre Tatsachen über den Kläger behauptet wurden. Der Kläger ging hiernach zunächst außergerichtlich gegen den Fernsehsender vor und nahm diesen auf Unterlassung wegen Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit seinem Rechtsanwalt im Medienrecht erfolgreich in Anspruch.
In der Folgezeit wurde der Beitrag von außenstehenden Dritten auf unterschiedlichen Social-Media-Plattformen (wie zum Beispiel Facebook oder YouTube) hochgeladen. Der Kläger ging sodann gegen die rechtswidrigen Uploader ebenfalls außergerichtlich vor. Im Rahmen dieser Tätigkeit fielen entsprechende Abmahnkosten als Folge einer Abmahnung des Anwalts an.
Der Kläger möchte nun von dem Fernsehsender auch die Erstattung dieser Abmahnkosten gegenüber den dritten Uploadern, da es sich quasi um die Fortsetzung der ursprünglichen Rechtsverletzung in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht durch den Fernsehbeitrag handle.
BGH überrascht mit weiter Haftungsauslegung
Der BGH bestätigte in seinem Urteil, dass der Kläger einen entsprechenden Erstattungsanspruch habe. Der Fernsehsender habe diese Rechtsgutsverletzungen durch die Erstveröffentlichung des Filmberichts und seine Einstellung in die Mediathek verursacht, sodass sie ihm auch zuzurechnen seien.
Nach Rechtsprechung des BGH ist dem Verfasser eines im Internet abrufbaren Beitrags eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch insoweit zuzurechnen, als sie durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist
Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, sei die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang sei in solchen Fällen auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung insoweit erst durch das selbständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist.
Veränderter Sachverhalt zur bisherigen Rechtsprechung
Der Bejahung des haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhanges zwischen der Erstveröffentlichung und der durch die Folgeveröffentlichung verursachten Rechtsgutsverletzung stünde auch nicht die Rechtsprechung des I. Zivilsenats des BGH entgegen, wonach der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen hat und zu einer aktiven Einwirkung auf Dritte nur verpflichtet ist, wenn ihm das Handeln des Dritten wirtschaftlich zugutekommt.
Denn vorliegend gehe es nicht um den Umfang vertraglicher oder gesetzlicher Unterlassungs-pflichten, sondern um die sich im Rahmen eines deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs stellende und nach allgemeinen haftungsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilende Frage, ob dem Schuldner die von ihm adäquat kausal herbeigeführte Rechtsgutsverletzung haftungsrechtlich zuzurechnen ist.
Praktische Konsequenzen des Urteils
Drum prüfe stets die Inhalte, bevor du eine Veröffentlichung vornimmst, denn ein Dritter könnte sie aufgreifen und weiterverbreiten und auch dafür musst du einstehen.
Während die Haftung für die eigene Veröffentlichung von Inhalten außer Frage steht, erweitert sich durch dieses Urteil der Haftungsmaßstab für alle Internetuser und Verbreiter von Inhalten ganz erheblich.
Dies überrascht auf den ersten Blick, zumal der Erstverbreiter eines Contents, dessen zwar persönlichkeitsrechtsverletzende, aber eben auch urheberrechtlich geschützte Werke gegen seinen Willen weiterverbreitet würden, auch gewissermaßen als „Opfer" angesehen werden könnte. Gleichwohl ist bei näherer Betrachtung zu berücksichtigen, dass der Erstveröffentlicher, sofern Dritte sein Urheberrecht verletzen, aus eigenem Recht gegen diese vorgehen und die Kosten ihrer Inanspruchnahme auf diese abwälzen kann, so dass ihm kein Schaden verbleibt.
Das eigene Reputationsmanagement gewinnt an Bedeutung, denn der Gefahr des Kontrollverlustes des Erstveröffentlichers und seiner schwer kalkulierbaren Haftung steht auf Seiten des Verletzten die Gefahr einer unbegrenzten Vielzahl von Persönlichkeitsrechtsverletzungen gegenüber.