Haftung des Geschäftsführers wegen Streichung einer Regelung bei Vertragsänderung

Entscheidung des OLG München vom 8. Februar 2018 (Az. 23 U 2913/17)

Veröffentlicht am: 15.03.2018
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Entscheidung des OLG München vom 8. Februar 2018 (Az. 23 U 2913/17)

Ein Beitrag mit Praxishinweis von Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Sachverhalt

In dem entschiedenen Fall - OLG München, Beschluss vom 08.02.2018, Az. 23 U 2913/17 - klagt eine Gesellschaft (GmbH) gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer auf Feststellung, dass dieser zum Schadensersatz verpflichtet sei. Hintergrund war ein Rahmenvertrag, den die Gesellschaft zuvor mit einem Dritten abgeschlossen hatte. Der betreffende Geschäftsführer verhandelte, aus hier irrelevanten Gründen, diesen Rahmenvertrag neu. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen wurde unter anderem eine sogenannte Kundenschutzklausel, die im alten Vertrag noch vorhanden war, gestrichen. Der Vertrag wurde letztlich ohne diese Kundenschutzklausel vom Geschäftsführer abgeschlossen.

Bei Kundenschutzklauseln handelt es sich um Klauseln, welche ein Unternehmen davor schützen soll, dass Vertragspartner des Unternehmens nicht eine unmittelbare bzw. direkte Geschäftsbeziehung mit Kunden des Unternehmens aufbauen und auf diese Weise Umsatz „abziehen“ können. In der Praxis finden sich entsprechende Klauseln in einer Vielzahl von Verträgen, insbesondere in Subunternehmerverträgen und anderen Verträgen, bei denen Vertragspartner mit den Kunden des beauftragten Unternehmens in direkten Kontakt treten.

Der Beklagte Geschäftsführer bestritt eine Verpflichtung zum Schadenersatz. Er verteidigte sich vor allem mit dem Argument, die andere Vertragspartei hätte den Rahmenvertrag ohne die Streichung der Kundenschutzklausel und eine Reihe weiterer für die GmbH nachträgliche Regelungen beendet. Der Verzicht auf die Kundenschutzklausel sei daher für die Fortführung des Rahmenvertrages zwingend erforderlich und somit auch im Interesse der GmbH gewesen. Im Übrigen habe der zweite Geschäftsführer dem Abschluss des geänderten Rahmenvertrages, der die Kundenschutzklausel nicht mehr enthielt, zugestimmt.

Das Landgericht (LG) München I folgte der Argumentation des verklagten Geschäftsführers. Dieser habe in nachvollziehbarer Weise mit dem Abschluss des geänderten Rahmenvertrages allein die Interessen der GmbH wahren wollen, da eine Beendigung des Rahmenvertrages nicht im Interesse der GmbH gelegen hätte.

Das Oberlandesgericht (OLG) München hingegen widersprach dem und hob die Entscheidung des Landgerichts München auf. Es stellte fest, dass der verklagte Geschäftsführer verpflichtet sei, alle Schäden, die durch die Streichung der Kundenschutzklausel im Rahmenvertrag entstanden sind oder noch entstehen, auszugleichen habe.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das OLG München führte in seiner Entscheidung zunächst allgemein aus, dass sich ein Geschäftsführer an Gesetz und Satzung zu halten habe und Weisungen der Gesellschafter zu beachten habe. Dem Geschäftsführer komme dabei ein weites unternehmerisches Wissen zu, da ohne einen entsprechenden Handlungsspielraum eine unternehmerische Tätigkeit kaum denkbar sei. Das unternehmerische Ermessen erfasse dabei auch das Eingehen geschäftlicher Risiken. Dieser weite Spielraum sei jedoch dann überschritten, wenn hohe Risiken einen Schaden wahrscheinlich machten und keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe für die Eingehung dieser Risiken vorlägen.

Das Gericht stellte dann fest, dass es für jeden ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführer erkennbar gewesen sei, dass die Streichung bzw. der Verzicht auf die Kundenschutzklausel ein beträchtliches wirtschaftliches Risiko darstellt und dieses zu einem ganz erheblichen Schaden führen kann. Besondere wirtschaftliche Gründe, welche die Eingehung dieses Risikos rechtfertigen könnten, konnte das Gericht nicht feststellen. Insbesondere wies das Oberlandesgericht München den Einwand des beklagten Geschäftsführers zurück, die andere Vertragspartei hätte ohne Verzicht auf die Kundenschutzklausel den Rahmenvertrag kurzfristig beendet. Das Gericht verwies dabei auf das im neuen Rahmenvertrag enthaltene Kündigungsrecht der anderen Vertragspartei, welches dieser eine Kündigung innerhalb kürzester Zeit ermöglicht hätte.

Praxishinweis

Diese Entscheidung des OLG München ist ein weiteres Teil im Puzzle der Haftung von Geschäftsführern und Vorständen. Diese sehen sich in ihrer täglichen Arbeit einer Vielzahl von unternehmerischen Entscheidungen ausgesetzt, von denen nicht wenige ein nicht unerhebliches wirtschaftliches Risiko bergen. Die Gerichte und auch der Gesetzgeber (vgl. § 93 AktG) stehen Geschäftsleitern grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum im Rahmen ihrer Entscheidungen zu.

Gleichwohl sind Geschäftsführer und Vorstände gehalten, im Rahmen ihrer Entscheidungen die involvierten Risiken und Chancen gegeneinander abzuwägen und Handlungsalternativen zu eruieren und deren Chancen und Risiken in eine Gesamtabwägung einzubeziehen. Die betroffenen Geschäftsleiter sollten insbesondere bei schwerwiegenden Entscheidungen diesen umfassenden Gesamtabwägungs-Prozess dokumentieren. Nur eine entsprechende Dokumentation ermöglicht eine fundierte Verteidigung im Fall, dass sich wirtschaftliche Risiken tatsächlich realisieren. In Zweifelsfällen sind die Gesellschafter in den Entscheidungsprozess / Abwägungsprozess mit einzubeziehen.

Die Entscheidung verdeutlicht zudem noch einmal, dass der Verweis auf die Zustimmung anderer Geschäftsführer nicht automatisch zu einer Haftungsminderung oder Haftungsfreistellung führt. Grundsätzlich gilt der Grundsatz der Gesamtverantwortung. Jeder Geschäftsführer ist für das Handeln der anderen verantwortlich. Wichtiges Detail der Entscheidung ist zudem der Hinweis, dass es - entgegen der gesetzlichen Regelung (§ 46 Nr. 8 GmbHG) im Falle einer Einpersonengesellschaft keiner vorherigen Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung zur Geltendmachung eines Schadens gegenüber einem (ehemaligen) Geschäftsführer bedarf.