Neuer Gesetzentwurf im Wettbewerbsrecht

Reform des Kartellrechts – Was spricht dafür/dagegen?

Warum bekommt das Bundeskartellamt demnächst mehr Befugnisse bei der Sektoruntersuchung? Diese Frage und warum nicht alle Experten mit den kommenden Veränderungen im Wettbewerbsrecht einverstanden sind, beleuchten wir in diesem Beitrag.

Veröffentlicht am: 21.06.2023
Von: Anna-Maria Blömer
Qualifikation: Wissenschaftliche Mitarbeiterin in Hamburg
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Schon Anfang April wurde von der Bundesregierung beschlossen, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zu reformieren. Damit gehen erhebliche Folgen für deutsche Unternehmen einher. Allerdings sind nicht alle mit der Ausgestaltung der Reform einverstanden. Verschiedene Sachverständige wurden vergangene Woche vom Wirtschaftsausschuss angehört, darunter Universitätsprofessoren, Vertreter der Industrie- und Handelskammer, Vertreter der Siemens AG, ein Anwalt für Kartellrecht sowie der Präsident des Bundeskartellamts (BKartA).

Der Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Form stieß dabei vermehrt auf harte Kritik. Denn eine zu scharfe Reform des Wettbewerbsrechts könnte negative Auswirkungen auf Deutschlands internationale Wettbewerbsfähigkeit haben und sich als Standortnachteil herausstellen. In diesem Beitrag beleuchten wir die Veränderungen, die mit einer Reform einhergehen sollen, sowie deren Vor- und Nachteile.

Gesetzentwurf zu Änderungen im GWB

Anlass zu dieser Reform gaben unter anderem die explodierenden Kraftstoffpreise für Diesel und Benzin im vergangenen Jahr, in deren Rahmen ein Kartellrechtsverstoß nicht nachgewiesen werden konnte. Der Wirtschaftsminister kündigte damals ein „Kartellrecht mit Klauen und Zähnen“ an.

Das Wettbewerbsrecht, insbesondere das Kartellrecht, dient vor allem dazu, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen, die das Marktgeschehen manipulieren wie z.B. Preisabsprachen, zu unterbinden. Um solche wettbewerbsfeindlichen Verhaltensweisen frühzeitig erkennen und unterbinden zu können, sollen dem Bundeskartellamt und anderen Kartellbehörden künftig größere Eingriffsbefugnisse gewährt werden.

Neue Maßnahmen nach „Wettbewerbsstörung“

Den Kartellbehörden sollen bei sogenannten Sektor-Untersuchungen, bei denen geprüft wird, ob der Wettbewerb in einem ganzen Sektor eingeschränkt ist, nun verschiedene Maßnahmen an die Hand gegeben werden, wenn sie die Störung eines Marktes feststellen.

Für Maßnahmen wie die Erleichterung von Marktzugängen, das Stoppen von Konzentrationstendenzen oder die Entflechtung von Unternehmen soll demnächst schon eine „Störung des Wettbewerbs“ ausreichen – bislang braucht es für solche Maßnahmen einen im GWB oder europäischen Kartellrecht normierten Kartellrechtsverstoß.

Darüber hinaus soll die Möglichkeit des Kartellamts, aus Kartellverstößen entstandene Vorteile gemäß § 34 GWB wieder abzuschöpfen, erleichtert werden. Auf diesem Wege sollen kartellrechtswidrig erlangte Gewinne den betroffenen Unternehmen effizienter wieder entzogen werden.

Kritik am neuen Entwurf zum Wettbewerbsrecht

Teilweise wurde die Ansicht vertreten, dass der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form einen zu starken Eingriff in das System ermögliche. Man dürfe nicht die Intensität einer Sektoruntersuchung unterschätzen, die diese für die Unternehmen habe.

Weiterhin wurde kritisiert, dass der Entwurf nicht bestimmt genug formuliert sei. Es würde beispielsweise nicht eindeutig hervorgehen, wann eine solche „Störung des Marktes“ vorliege. Für die einen scheint eine Definition des Begriffes „Wettbewerbsstörung“ notwendig, für andere jedoch aufgrund der stetigen Entwicklung des Marktes überflüssig.

Für Unternehmen fehle es außerdem an konkreten und nachvollziehbaren Maßstäben, an denen sie ihr Handeln ausrichten könnten. Aufgrund dieser hohen Rechtsunsicherheit seien sie leicht einem Eingriff durch das Bundeskartellamt ausgesetzt.

Sollte Deutschland tatsächlich ein so scharfes Wettbewerbsrecht auf den Weg bringen, könnten darüber hinaus viele Unternehmen zu dem Entschluss kommen, Deutschland zu verlassen.

Chancen durch gestärktes Wettbewerbsrecht?

Andere wiederum werten den durch den Gesetzentwurf gestärkten Wettbewerb als Standortvorteil, da Unternehmen keine Wettbewerbsnachteile zu befürchten hätten.

Die erweiterten Sektor-Untersuchungen wurden teilweise positiv hervorgehoben, da es für das Bundeskartellamt derzeit keine Möglichkeit gebe, Maßnahmen zu ergreifen, wenn zwar der Wettbewerb signifikant gestört sei, jedoch kein nachweisbar missbräuchliches Verhalten festgestellt wurde. Außerdem würde sich durch die Regelung eine Gesetzeslücke schließen.

Das Prinzip der Vorteilsabschöpfung wurde vereinzelt positiv bewertet – vorausgesetzt es würde eng ausgelegt. Denn auf Basis des jetzigen Entwurfs des Gesetzes könne nicht ausgeschlossen werden, dass theoretisch ein Betrag abgeschöpft wird, der größer ist als jener, der unrechtmäßig erwirtschaftet wurde. Angesichts bestehender Härtefallregelungen und der 10%-Deckelung sei ein solches Vorgehen jedoch nicht zu befürchten.

Der Präsident des Bundeskartellamts versicherte abschließend noch einmal, dass es nicht darum gehe, von staatlicher Seite Märkte zu steuern und Preise festzulegen und man nicht befürchten müsse, dass bald ganze Industriezweige vom Bundeskartellamt "designt" würden.

Update:

Am 6. Juli 2023 wurde die Reform des Wettbewerbsrechts in der hier beleuchteten Form beschlossen.