Geschenkt ist geschenkt?

Wenn der Bevollmächtigte vom Erblasser beschenkt wurde...

Folgender Sachverhalt ist nicht selten: Der Erblasser erteilt einer dritten Person zu Lebzeiten umfassend Vollmacht (eine General- oder auch Vorsorgevollmacht). Nach Eintritt des Erbfalles stellt der Erbe -gegebenenfalls nach Einsichtnahme in die Bankunterlagen- fest, dass der Bevollmächtigte die Vollmacht weidlich nutzte und insbesondere Auszahlungen, Überweisungen oder sonstige Zuwendungen noch zu Lebzeiten des Erblassers an -sieh an, sieh an- sich selbst vornahm.

Veröffentlicht am: 04.12.2019
Qualifikation: Fachanwalt für Erb- und Steuerrecht in Hamburg
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Auf diese Vorgänge angesprochen teilt der Bevollmächtigte mit, dass der Erblasser ihm die Geldbeträge geschenkt und der Bevollmächtigte sodann selbst diese Schenkungen unter Verwendung seiner Vollmacht an sich selbst ausgeführt habe. Natürlich kauft der Erbe dem Bevollmächtigten diese Geschichte nicht ab und fragt sich, ob er sich mit der zweifelhaft schmalen Erklärung über angebliche Schenkungen des Erblassers zufrieden geben muss oder ob ihm das Gesetz umfassendere Möglichkeiten gewährt, derartige Vorgänge näher aufzuklären, insbesondere handfeste Nachweise von dem Bevollmächtigten über den angeblichen Schenkungswillen des Erblassers zu erlangen.

Auskunft und Rechenschaft nach Auftragsrecht

Klar ist zunächst, dass der Bevollmächtigte dem Erben regelmäßig zur Auskunft und Rechenschaft über die von ihm für den Erblasser geführten Geschäfte verpflichtet ist, §§ 662, 666 BGB. Dieser ursprünglich dem Erblasser zustehende Anspruch geht im Erbfall ebenfalls auf den Erben über. Als sogenannter "verhaltener Anspruch" (vergleiche dazu zum Beispiel OLG Hamm, Urteil vom 05.04.2016, 4 U 138/15) entsteht dieser Anspruch erst in dem Moment, in dem der Berechtigte erstmalig Auskunft/Rechenschaft verlangt. Der Anspruch erstreckt sich auf den gesamten Zeitraum, in dem der Bevollmächtigte auf Grundlage der ihm erteilten Vollmacht für den Erblasser Geschäfte vornahm. Die bedeutet regelmäßig, dass auch lang zurückliegende Zeiträume in den Fokus des rechenschaftsberechtigten Erben geraten - mit oftmals erstaunlichen Erkenntnissen über Vermögensverschiebungen zu Lebzeiten des Erblassers. Selbstverständlich kann der Auskunfts-/Rechenschaftsanspruch gerichtlich durchgesetzt werden.

Rechenschaft und Herausgabepflicht

Zur Erfüllung des Rechtsanspruches auf Rechenschaftslegung gem. #666 BGB hat der Verpflichtete -der Bevollmächtigte- eine vollständige und geordnete Aufstellung über alle von ihm vorgenommenen Geschäfte, die erzielten Einnahmen sowie die geleisteten Ausgaben zu erstellen und die insoweit angefallenen Belege -und zwar alle- vorzulegen. Kann der Bevollmächtigte in Ermangelung entsprechender Belege nicht nachweisen, dass er Ausgaben für die Zwecke und auf Auftrag des Vollmachtgebers -des Erblassers- tätigte, so hat er diese dem Erben zu erstatten (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 18.03.2014, 3 U 50/13 unter Bezug auf ,§ 667 BGB; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 04.09.2019, 4 U 128/17 unter Bezug auf § 812 BGB).

Das Schenkungsversprechen im BGB

In unserem oben geschilderten Ausgangsfall liegt rechtlich ein Schenkungsversprechen gemäß § 518 BGB vor -und nicht bereits eine Schenkung. Denn der Erblasser vollzog die Schenkung nicht selbst, er überließ die Vornahme der Überweisung oder sonstigen Auszahlung des geschenkten Geldbetrages dem Bevollmächtigten, der Erblasser selbst versprach nur die Schenkung. Das Schenkungsversprechen ist gemäß § 518 Abs. 1 BGB formbedürftig, es ist nur in notariell beurkundeter Form wirksam. Zwar sieht § 518 Abs. 2 BGB vor, dass bei fehlender Beurkundung des Schenkungsversprechens dieser Formmangel durch Vollzug der Schenkung geheilt wird. Allerdings bedeutet dies nicht, dass der Vollzug der Schenkung auch gleichzeitig den Beweis dafür liefert, dass der Erblasser tatsächlich ein Schenkungsversprechen abgab.

Notwendige Nachweise und Beweislast bei Schenkungsversprechen

Wir erinnern uns: Der Bevollmächtigte behauptet, dass der Erblasser ihm Geld geschenkt und ihn gleichzeitig beauftragt habe, die Schenkung unter Verwendung der ihm erteilten Vollmacht an sich selbst zu vollziehen. Bezweifelt der Erbe nun, dass der Erblasser dem Bevollmächtigten tatsächlich Geld schenkte, muss der Erbe nach den üblichen Grundsätzen über die Beweislast das Nichtvorhandensein einer Schenkung beweisen. Einen derartigen Negativnachweis kann der Erbe in aller Regel nicht erbringen. Ist er deswegen in der Auseinandersetzung mit dem Bevollmächtigten chancenlos? Bleibt der Bevollmächtigte trotz erheblicher Zweifel an seiner Geschichte ungeschoren? Keineswegs. Das Brandenburgische OLG tritt mit großer Klarheit an die Seite des Erben.

Abweichende Beweislast aufgrund des gesetzlichen Formerfordernisses                                                                    

Unter Hinweis auf den Bundesgerichtshof (Urteil vom 11.03.2014, XZR 150/11) stellt das OLG klar: Zweck des gesetzlichen Formerfordernisses zur notariellen Beurkundung des Schenkungsversprechen ist es, eine sichere Beweisgrundlage für die tatsächliche Existenz einer solchen freigiebigen Leistung zu gewähren. Fehlt es - so wie in unserem Fall - an der Beurkundung, so muss der Bevollmächtigte als Schenkungsempfänger den vollen Beweis über den konkreten Schenkungswillen des Erblassers führen. Dieser Beweis wird praktisch in aller Regel nur durch Vorlage einer schriftlichen Bestätigung des Erblassers selbst zu führen sein. Kann eine solche nicht vorgelegt werden, wird der Bevollmächtigte die ihm angeblich geschenkten Gelder zurückzuzahlen haben.

Im Ergebnis ist einerseits dem Bevollmächtigten nachdrücklich dazu zu raten, noch zu Lebzeiten des Vollmachtgebers schriftliche Nachweise über alle erteilten Aufträge und insbesondere über etwaige Schenkungsversprechen zu verlangen und diese für Rechenschaftszwecke gut zu verwahren. Andererseits müssen Erben sich nicht mehr mit zweifelhaften Erklärungen des Bevollmächtigten zufriedengeben und können volle Aufklärung insbesondere über angebliche Schenkungen und gegebenenfalls Rückzahlung verlangen. Wir halten dieses Ergebnis für gut.