Geschäftsmodell der Schweiz in Gefahr?

Nach Bankenkrise schwindet Vertrauen bei Firmengründern

Die Schweiz erlebt gerade weitreichende Veränderungen. Die Alpenrepublik warb lange Zeit damit, dass sie ein besonders wirtschaftlich stabiles und politisch verlässliches Land sei. Ändert sich dieses Bild jetzt?

Veröffentlicht am: 28.03.2023
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Hamburg
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Die Eruption im Finanzsektor durch den Credit Suisse-Crash und die Zwangsfusion mit der UBS hätte nicht größer sein können. Die Credit Suisse, die Mittelständler mit Krediten versorgt, gerät in die Schieflage und wird von der größeren Konkurrenzbank geschluckt. Das wirtschaftliche und politische Beben ist weit über die Grenzen der Schweiz zu spüren. Es stellt sich die Frage, ob das Geschäftsmodell der Schweiz nachhaltig geschädigt ist. Wie werden Investoren und Unternehmer auf die neue Situation in der Schweiz reagieren?

Firmenumzug in die Schweiz – immer eine gute Idee

Die Schweiz ist seit jeher nicht nur Magnet für ausländische Investoren und betuchte Privatpersonen. Sie ist auch Anziehungspunkt für Unternehmensgründer aus ganz Europa. Die Argumente der Schweizer Wirtschaft lassen sich auf die folgenden drei Kriterien zusammenfassen: Stabilität, Sicherheit und attraktive Steuern. Mit diesem Werbeslogan werden Unternehmer überzeugt, in die Schweiz zu expandieren oder gar komplett mit der gesamten Unternehmensgruppe umzuziehen. Sogar die Verlagerung des persönlichen Wohnsitzes in die Schweiz macht für viele Unternehmer Sinn.

Die Schweiz ist kein Mitglied der EU. EU-Staatsangehörige genießen in der Schweiz jedoch uneingeschränkte Freizügigkeit. Sie können sich in der Schweiz aufhalten, arbeiten und uneingeschränkt Firmen gründen. Die Schweiz bietet ausländischen Unternehmern sogar eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung an. Das Versprechen für die unternehmerischen Immigranten: Eine Firmengründung, egal ob Einzelunternehmen, Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft (GmbH oder AG), wird ohne große bürokratische Hürden in wenigen Wochen ermöglicht. In der Schweiz finden sich aber nicht nur Migranten aus der EU. Neureiche aus Schwellenländern, weltweit agierende Rohstoffhändler und internationale Sportverbände fühlen sich von der Schweiz seit jeher angezogen.

Attraktivität des Schweizer Geschäftsmodells 

Man fragt sich, was ist eigentlich unter dem „Schweizer Geschäftsmodell“ zu verstehen? Damit ist die wirtschaftliche Struktur und das politische System der Schweiz beschrieben.

Der neutrale Alpenstaat besticht mit seiner Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit. Die Schweiz wirbt mit ihrer Wettbewerbsfähigkeit und starken Exportwirtschaft. Sie verfügt über hochqualifizierte Know How-Träger und investiert stark in Forschung und Entwicklung. Erfolgreiche Unternehmen aus den Branchen Technologie, Maschinenbau und Pharma unterstreichen die Innovationskraft der Schweizer Wirtschaft. So verwundert es nicht, dass Roche, Novartis, Nestlé und ABB ihren Hauptstammsitz in der Schweiz haben. Politische Stabilität, erstklassige Vermögensberatung und Private Banking ziehen erfolgreiche Unternehmer aus Europa an.

Erosion des Geschäftsmodells

Der Zusammenbruch der Credit Suisse wird zwar in einem Atemzug mit der Pleite der US-amerikanischen Silicon Valley Bank genannt. Die Pleite des US Startup-Finanzierers hat jedoch nicht ansatzweise den Impact auf die US-Bankensektor wie der Crash der Credit Suisse für den Finanzplatz der Schweiz. Mit dem Zwangsverkauf der Credit Suisse an die UBS, natürlich unter Einsatz gigantischer staatlicher Garantien, erfolgte in der Schweiz eine Not-OP am offenen Herzen.

Mit der UBS ist eine neue Mega-Bank entstanden, deren Bilanzsumme doppelt so groß ist, wie die Wirtschaftsleistung der Schweiz. Was heißt das nun? Das heißt, dass das neue Bankmonster nicht nur „too big to fail“ ist. Die Wirtschaftspresse wie das Handelsblatt titeln, dass die Bank „too big to bail“ ist. Sollte die neue Mega-Bank ins Straucheln kommen, wird es keine staatliche Rettung mehr geben. Die Schweiz ist zu klein, um eine so große Bank zu retten. Eine Situation wie in 2008, in der die UBS durch zwei Kapitalerhöhungen gerettet werden konnte, wird es im Zweifel in der Zukunft nicht mehr geben. Dies hinterlässt nicht nur im Finanzmarkt Spuren. Es beschädigt nach Einschätzung vieler Fachleute per se das Schweizer Geschäftsmodell.

Einfluss auf Firmengründungen?

Der Untergang der Credit Suisse und die ungesunde große Marktmacht der neuen UBS stellen einen immensen Schaden für den Finanzplatz dar, der auch die Firmeninhaber und zukünftige Firmengründer nicht unbeeindruckt lassen wird.

Überdies drohen weitere schlechte Nachrichten aus der Ecke der Steuerpolitik. Möglicherweise wackeln nun sogar die niedrigen Steuersätze in der Schweiz, die Privatleute und Unternehmen angelockt haben. Im letzten Jahr haben sich die Industriestaaten auf eine Mindeststeuer von 15 % verständigt, um Steueroasen für globale Konzerne zu verhindern. Zukünftig sollen die Großkonzerne ihre Steuern in den Ländern zahlen, in denen sie auch ihre Umsätze generieren. Dies wird wichtige Schweizer Gemeinden mit ihrer aktuellen Niedrigsteuer treffen.

Es wird sich zeitnah zeigen, ob die negativen Nachrichten das Gründungsgeschehen in der Schweiz nachhaltig treffen wird. Bereits jetzt wird im Alpenland befürchtet, dass die Kreditversorgung der mittelständischen Unternehmen leiden wird. Die Credit Suisse war insbesondere bei der Vergabe von Firmenkrediten an kleine und mittelständische Unternehmen stark engagiert. Wird nun die Kreditversorgung beeinträchtigt, hat dies Folgen für den Schweizer Mittelstand. Es bleibt auch abzuwarten, ob die Finanzierung von Startups, die oft von privaten Venture Capital profitieren, in Mitleidenschaft gezogen wird.