Geschäftsführerhaftung vs. Einverständnis der Gesellschafter
Position des BGH zu stillschweigendem Einverständnis
Jeder Geschäftsführer lässt sich im operativen Geschäft mindestens von zwei Grundmotiven leiten: Er will wirtschaftlichen Mehrwert für sein Unternehmen schaffen. Dabei will er möglichst wenig Haftungsrisiken in Kauf nehmen.
Das Thema Geschäftsführerhaftung gehört zu den zentralen Themen im Managementkreis. Es gewinnt durch die wachsende Komplexität der Compliance-Anforderungen bei der Unternehmensführung stetig an Bedeutung. Geschäftsführer tragen nicht nur die Verantwortung für die operative Ausrichtung ihrer Gesellschaft. Falsche Entscheidungen im Geschäftsführerkreis können zur persönlichen Haftung führen, wobei die Haftungsrisiken für Geschäftsführer sehr vielfältig sind.
Die Grundregel der GmbH-Geschäftsführerhaftung
Der Geschäftsführer einer GmbH muss in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes bzw. die einer ordentlichen Geschäftsfrau anwenden. Wer als Geschäftsführer seine Pflichten verletzt, haftet der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden. Die Geschäftsführerhaftung ergibt sich grundsätzlich aus § 43 Abs. 2 GmbHG.
BGH: Einverständnis kann Haftung ausschießen
Jeder Geschäftsführer weiß, dass er die Gesellschafter informieren muss, wenn riskante Geschäfte zur Disposition stehen. Das Einverständnis der Gesellschafter kann die Haftungsrisiken des Geschäftsführers reduzieren und sogar komplett ausschließen. Aber wie steht es eigentlich mit einem stillschweigenden Einverständnis im Gesellschafterkreis?
Der BGH hat mit dem Beschluss vom 08.02.2022 (II ZR 118/21) Stellung zu der Frage genommen, ob die Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers einer GmbH durch ein stillschweigendes Einverständnis der Gesellschafter zu der schädigenden Handlung ausgeschlossen werden kann.
In dem zugrundeliegenden Fall nahm eine UG & Co. KG den ehemaligen Geschäftsführer auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Der Geschäftsführer beglich Verbindlichkeiten des Unternehmens ohne einen ausdrücklichen Gesellschafterbeschluss, obwohl im Gesellschaftsvertrag ein Zustimmungsvorbehalt enthalten war. Grundsätzlich sind die Gesellschafter die potenziell Geschädigten. Es versteht sich von selbst, dass durch ein ausdrückliches Einverständnis die Haftung des Geschäftsführers ausgeschlossen wäre, da das Schutzbedürfnis entfällt.
Stillschweigendes Einverständnis der Gesellschafter
Der Entfall der Schutzbedürftigkeit ist einfach zu begründen, wenn sämtliche Gesellschafter ausdrücklich und schriftlich ihr Einverständnis gegenüber dem Geschäftsführer erklärt haben. Schwieriger ist der Fall zu beurteilen, in dem die Gesellschafter sich nicht mündlich oder schriftlich klar geäußert haben, sondern nur ein stillschweigendes Einverständnis in Frage kommt. Klar ist, dass ein Geschäftsführer von der Kenntnis der Gesellschafter betreffend die schadensstiftenden Umstände nicht zwingend auch auf deren haftungsausschließendes Einverständnis schließen kann.
Gleichwohl lehnt der BGH die von der Literatur zum Teil verlangten hohen Anforderungen an ein stillschweigendes Einverständnis der Gesellschafter ab. Stattdessen könne bei Hinzutreten weiterer Umstände eine zumindest stillschweigende Übereinkunft sämtlicher Gesellschafter über eine Handlung anzunehmen sein, wenn der Geschäftsführer in Anbetracht des Sach- und Kenntnisstands der Gesellschafter bis zu einer anderslautenden Weisung berechtigterweise von deren Einverständnis ausgehen durfte – so der BGH. Um dies zu beurteilen, sei eine umfassende Würdigung aller wesentlichen Umstände im jeweiligen Einzelfall notwendig.
In der gerichtlichen Situation gilt: Die Beweislast für die Zustimmung der Gesellschafter liegt hier beim Geschäftsführer. Dafür stehen ihm die Beweismittel des Strengbeweisverfahrens der ZPO zur Verfügung.
Tipp aus der Corporate Litigation-Praxis
Der BGH hat mit seiner Entscheidung die Anforderungen an ein haftungsausschließendes Einverständnis der Gesellschafter konkretisiert. Eine positive Entscheidung im Einzelfall ist in der Praxis immer hart zu erkämpfen.
Für die Praxis kann aus der BGH-Entscheidung aber gefolgert werden, dass die Anforderungen an eine stillschweigende Billigung der Handlung durch die Gesellschafter nicht klein geredet werden sollten. Da im Einzelfall eine Würdigung durch das Gericht erfolgt, müssen die Anhaltspunkte des Geschäftsführers, aus denen er auf das Einverständnis schließen durfte, im konkreten Fall überzeugen.
Es ist daher seitens des Geschäftsführers darauf zu achten, die Gesellschafter hinreichend über die entsprechende Handlung und den Kontext zu informieren. Dies sollte er bestenfalls auch dokumentieren und später beweisen können. Auch die Einverständniserklärungen selbst sollte der Geschäftsführer ausdrücklich fordern und schriftlich fixieren. Nur so kann er effektiv präventiv Haftungsrisiken begegnen.