Fristlose Kündigung (und Abberufung) des Vorstandes einer Genossenschaft eG

Wer darf kündigen? Mitgliederversammlung, Vertreterversammlung oder Aufsichtsrat?

Die Kündigung (und Abberufung) eines Vorstandsmitgliedes einer Genossenschaft ist in der Praxis nach wie vor ein schwieriges Unterfangen. Ein EuGH-Urteil soll Licht ins Dunkle bringen, mehr dazu im Artikel...

Veröffentlicht am: 11.05.2022
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Berlin
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Die Kündigung (und Abberufung) eines Vorstandsmitgliedes einer Genossenschaft ist in der Praxis nach wie vor ein schwieriges Unterfangen. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Zuständigkeiten von Aufsichtsrat, Mitgliederversammlung und Vertreterversammlung und den zulässigen Kündigungsgründen. Eine oft übersehene Entscheidung des Bundesgerichtshofes bringt (etwas) Klarheit.

Griff in die Kasse, Steuerhinterziehung und Spesen – Kündigungsgrund?!

Im Fall des Bundesgerichtshofes lag zu Lasten des betreffenden Vorstandsmitglieds einiges auf dem Tisch:

  • Strafbefehl mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung wegen Einkommensteuerhinterziehung und Subventionsbetrug
  • Abrechnung von Familienurlauben über Genossenschaft
  • „Lustreisen“ mit Vorstandsassistentin auf Kosten der Genossenschaft

In Frage stand, inwiefern diese Punkte eine Kündigung des Vorstandsvertrages (synonym mit Dienstverhältnis, Dienstvertrag) rechtfertigen.

Außerordentliche Kündigung wegen Befristung im Dienstvertrag, Vorstandsvertrag

Der Dienstvertrag des Vorstandes war vorliegend befristet und sah - wie in der Praxis üblich - innerhalb der Befristung eine Kündigung nur aus wichtigem Grund vor. Die Genossenschaft musste sich daher mit der Frage beschäftigen, ob die auf dem Tisch liegenden Sachverhalte eine fristlose, d.h. außerordentliche Kündigung erlauben.

Der Bundesgerichtshof bejahte die Frage - der Genossenschaft sei eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit Vorstand nicht mehr zumutbar. Dies entspricht langjähriger Praxis, nach welcher insbesondere strafbare Handlungen, Veruntreuung und Steuerdelikte eine fristlose Kündigung rechtfertigen.  

Zuständigkeit von Aufsichtsrat oder Generalversammlung für Kündigung und Abberufung?

Sofern es um Angelegenheiten des Vorstandes geht, ist in der Genossenschaft immer fraglich, ob der Aufsichtsrat oder die Generalversammlung (Mitgliederversammlung) für diese zuständig ist. Dies gilt insbesondere für die Abberufung und Kündigung von Vorständen.

Das Genossenschaftsgesetz (GenG) weist in § 24 Abs. 2 S. 1 GenG die Kompetenz zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern grundsätzlich der Generalversammlung (bzw. der Vertreterversammlung als Sonderform der Generalversammlung, vgl. § 43a GenG) zu. Der Bundesgerichtshof folgerte hieraus, dass der Generalversammlung auch die Kompetenz zur fristlosen Kündigung zukomme („Die Kompetenz [der Generalversammlung] zum Widerruf der Bestellung liefe weitgehend leer, wenn damit nicht das Recht [der Generalversammlung] verbunden wäre, auch den Anstellungsvertrag durch einseitige Kündigung zu beenden.“)

Zuweisung von Kompetenzen an den Aufsichtsrat in der Genossenschaftssatzung

Zu beachten ist, dass das Genossenschaftsrecht in § 24 Abs. 2 S. 2 GenG die Möglichkeit eröffnet, in der Satzung der Genossenschaft dem Aufsichtsrat - neben der Befugnis zur Bestellung - die Befugnis zur Abberufung des Vorstands zu übertragen.

Hieraus soll sich auch die Möglichkeit ergeben, die Zuständigkeit für die Kündigung von Vorstandsmitgliedern an den Aufsichtsrat zu delegieren.

Vorbereitung der Mitgliederversammlung nicht vergessen

Ist die Mitgliederversammlung (Generalversammlung) für Abberufung und Kündigung zuständig, so ist diese unverzüglich mit den entsprechenden Tagesordnungspunkten einzuberufen und entsprechend vorzubereiten. Die Dringlichkeit ergibt sich aus der analog anzuwendenden 2-Wochen-Frist des § 626 BGB.

WEITERE INFORMATIONEN: Abberufung und Kündigung vom Vorstand in der Genossenschaft eG

Begriffsklärung: Generalversammlung, Mitgliederversammlung und Vertreterversammlung

Zum Schluss noch ein kurzer Hinweis: Das Genossenschaftsgesetz spricht von der Generalversammlung als Organ der Genossenschaft. In der Praxis wird hingegen oft der Begriff der Mitgliederversammlung verwendet. So sprechen die überwiegende Mehrzahl der Genossenschaftssatzungen von der Mitgliederversammlung (und nicht von der Generalversammlung).  Inhaltlich und sachlich gibt es tatsächlich keinen Unterschied. Generalversammlung und Mitgliederversammlung können synonym verwendet werden.

Die Vertreterversammlung ist eine vom GenG vorgesehene besondere Form der Generalversammlung / Mitgliederversammlung. So bestimmt § 43a GenG, dass bei Genossenschaften mit mehr als 1.500 Mitgliedern die Satzung bestimmen kann, dass die Generalversammlung aus Vertretern der Mitglieder (Vertreterversammlung) besteht. Vertreter kann jede natürliche Person sein, die Mitglied der Genossenschaft ist und nicht dem Vorstand oder Aufsichtsrat angehört.