Faktische Geschäftsführung

Unterschätztes Risiko in Familienunternehmen?

Immer wieder nutzen Gerichte die Konstruktion des faktischen Geschäftsführers und verurteilen so Gesellschafter zur Haftung. Nicht zuletzt aus der spektakulären Pleite der Drogeriekette Schlecker sollten alle Familienunternehmer Lehren ziehen.

Veröffentlicht am: 06.09.2023
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Ein Geschäftsführer haftet für entstandene Schäden in seinem Unternehmen, wenn er seine Pflichten verletzt. Dies gilt nicht nur für den offiziellen, im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer. Manchmal gilt das auch für Gesellschafter, die das operative Geschäft faktisch führen, ohne Geschäftsführer zu sein. Immer wieder greifen Zivil-, Finanzgerichte und sogar Strafsenate auf die Kunstform des „faktischen Geschäftsführers“ zurück, um eine Haftungsgrundlage für ihr Urteil gegen Beteiligte an Unternehmen zu begründen.

Haftungsfalle "faktische Geschäftsführung"

Die typische Familiengesellschaft in der Form einer GmbH oder GmbH & Co. KG bietet ihren Gesellschaftern in der Regel einen Haftungsschutz, was bedeutet, dass die persönliche Haftung der Gesellschafter auf ihre Einlagen beschränkt ist. So der Grundsatz.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass Gesellschafter ohne Geschäftsführerstellung, die aber die Geschäfte des Familienunternehmens tatsächlich führen, in jedem Fall vor persönlicher Haftung geschützt sind. Die bestehenden Haftungsrisiken haben sich im Fall der Pleite des Anton Schlecker und seiner Drogeriekette gezeigt. Die Kinder des Patriarchen Meike und Lars Schlecker sind als faktische Geschäftsführer ins Fadenkreuz der Justiz geraten. Auch mit ihrer Revision beim Bundesgerichtshof konnten sie ihre Gefängnisstrafe nicht verhindern.

Was ist ein faktischer Geschäftsführer?

Jeder weiß, dass der Geschäftsführer eines Unternehmens oftmals hohen Haftungsgefahren ausgesetzt ist. Diese Haftungsrisiken können in bestimmten Situationen auch Personen treffen, die gar keine echten Geschäftsführer sind.

Das passiert im Geschäftsleben öfter als man gemeinhin denkt: Wenn jemand die Geschicke des Unternehmens lenkt, ohne dabei der formelle Geschäftsführer zu sein, kann er als faktischer Geschäftsführer haften. Also kann so eine Person, die nie als Geschäftsführer bestellt und im Handelsregister eingetragen wurde, als faktischer Geschäftsführer mit weitreichenden Schadensersatzansprüchen und sogar Haftstrafen konfrontiert werden.

Pflichten des faktischen Managers

Nach der Rechtsprechung obliegt dem faktischen Geschäftsführer die gleiche Verantwortung wie dem formell bestellten Geschäftsführer. Das heißt, dass er erhöhte Sorgfaltspflichten gegenüber seinem Unternehmen hat. Er muss treuhänderisch das Unternehmensvermögen schützen und für eine transparente Buchführung, Rechnungslegung und die Erstellung von Jahresabschlüssen im Unternehmen sorgen. Der faktische Geschäftsführer muss darüber hinaus sicherstellen, dass alle Steuerpflichten erfüllt und Gesellschafterbeschlüsse befolgt werden.

Minenfeld im Wirtschaftsrecht, Steuerrecht und Strafrecht

Aus dem oben genannten Pflichtenkorsett kann sich eine Minenfeld insbesondere für einen faktischen Geschäftsführer ergeben, das weit über das Gesellschaftsrecht hinausgeht. Die rechtliche Konstruktion des faktischen Geschäftsführers wird auch im Steuerrecht und Strafrecht angewandt.

Geht ein Unternehmen in die Insolvenz und stellt sich heraus, dass es zuvor durch einen faktischen Geschäftsführer geleitet wurde, dem man eine Insolvenzverschleppung vorwerfen kann, so wird der Fiskus immer alle ausstehenden Steuerschulden des Pleiteunternehmens beim faktischen Geschäftsführer geltend machen. Nur selten wird sich der faktische Geschäftsführer dieser steuerrechtlichen Managerhaftung entziehen können.

Auch im Strafrecht führen die erhöhten Vermögenspflichten eines faktischen Geschäftsführers zu Strafen, die zum Beispiel einen bloßen Gesellschafter niemals treffen könnten. Dies hat uns nicht zuletzt der aufsehenerregende Schlecker-Wirtschaftskrimi demonstriert, als die Schlecker-Kinder auch wegen ihrer Position als faktische Geschäftsführer verurteilt wurden.

Was ist Unternehmerfamilien zu raten?

Welche Lehren lassen sich für den Mittelstand und insbesondere die Familienunternehmen ziehen?

Insbesondere in Familienunternehmen werden Kinder und Enkel mit sukzessiv wachsenden Beteiligungen bedacht. Oft werden sie im Aufsichtsrat und Ausschüssen aktiv. Verschärfte Einflussnahme auf das operative Geschäft kann dabei haftungsrechtlich relevant werden. Zu einer Haftung von Gesellschaftern über die rechtliche Konstruktion der faktischen Geschäftsführung kommt es meist in Situationen, wenn das Unternehmen in die Krise und Insolvenz rutscht. In diesem Fall wenden sich Insolvenzverwalter mit Schadensersatzansprüchen gegen die Betroffenen. Auch das Augenmerk des Fiskus, der beim insolventen Unternehmen mit seinen Steuerforderungen ausfällt, richtet sich auf den faktischen Geschäftsführer, der für alle Steuerschulden haftet.

Insbesondere in Krisenzeiten hat die Unternehmerfamilie ein Interesse daran, ihr Vermögen zu sichern. Grundsätzlich ist eine Vermögenssicherung der Familie berechtigt. Vermögensschutzmaßnahmen dürfen aber nicht kurz vor der Insolvenz erfolgen, da dies strafbar sein kann. Asset Protection in Familienunternehmen ist eine Daueraufgabe und gerade keine Krisenmaßnahme.

Ganz wesentlich ist in diesem Rahmen der juristische Bildungsstand der Unternehmerfamilie. Alle Beteiligten sollten zum Beispiel die Grundsätze der Geschäftsführerhaftung im Gesellschafts-, Steuer- und Insolvenzrecht kennen. Diese lassen sich durch Workshops und Wochenendseminare schnell erfassen.

Schließlich sollte sich niemand darauf verlassen, dass das eigene Familienunternehmen zum gesunden Mittelstand gehöre und Krisen und Haftungsgefahren ausgeschlossen seien. Zu beachten ist, dass jedes Mittelstands- und Familienunternehmen auch Risiken ausgesetzt ist. Der "gesunde deutsche Mittelstand" trägt tagein, tagaus unternehmerisches Risiko, das sich auch realisieren kann. Nicht nur der Schlecker-Fall illustriert das. Auch deutsche Modeunternehmen wie Gerry Weber, Steilmann oder Kamei, ein Familienunternehmen, das auf Autozubehör spezialisiert ist, rutschten in die Krise. Auf internationaler Bühne zeigt sich, dass Familienunternehmen, wie Kodak und Toys "R" Us, vom Konkurs nicht verschont bleiben.