Fachanwälte und anwaltliche "Spezialisten" bzw. "Experten"

Die Werbung von Rechtsanwälten mit ihrer Qualifikation ist nicht immer nachvollziehbar.

Veröffentlicht am: 07.11.2016
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Die Werbung von Rechtsanwälten mit ihrer Qualifikation ist nicht immer nachvollziehbar - ebenso die Rechtsprechung dazu.

In den letzten Jahren häuften sich Anwaltsbezeichnungen abseits des klassischen Fachanwalts. Vermeintliche Titel wie „Experten-Kanzlei“ oder „Spezialist“ finden sich immer öfter auf Kanzleibriefköpfen und Werbeportalen für Anwälte. Dem Rechtssuchenden fällt eine Unterscheidung oft schwer. Welche Qualifikationen und Kenntnisse sich hinter den Bezeichnungen verbergen wird oft nicht deutlich.

Die aktuelle Rechtslage beruht auf einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus 2014. Mehr Klarheit auf dem Gebiet der Anwaltsbezeichnungen ist für Rechtssuchende dadurch allerdings nur bedingt eingetreten.

Langer Weg zum Fachanwalt

Der Fachanwaltstitel wird nach Maßgabe der Fachanwaltsordnung verliehen und verlangt neben vertieften Kenntnissen in einem Rechtsgebiet auch eine bestimmte Anzahl praktischer Fälle. Die Fachanwaltsordnung schreibt dabei genau vor, welche Kenntnisse in dem jeweiligen Rechtsgebiet erforderlich sind. Die notwendige Zahl der nachzuweisenden Mandatsbearbeitungen dauert oft Jahr. Es ist also ein langer Weg hin zum Fachanwaltstitel.

Durch dieses Verfahren soll eine besondere Qualifikation und ein über das Mittelmaß hinausgehender Kenntnisstand der Fachanwälte sichergestellt werden. Ziel des Gesetzgebers war es, dem schutzbedürftigen Rechtssuchenden seine Suche nach einem, für sein Anliegen passenden, Anwalt zu erleichtern.

Die Qualifikation des Spezialisten bzw. Experten

Dagegen entschied schon 2007 das Oberlandesgericht Nürnberg, dass an einen „Spezialisten auf einem Rechtsgebiet“ erhöhte Anforderung zu stellen seien. Dessen beworbene beruflichen Tätigkeiten müssten über die Kenntnisse und Erfahrungen eines einfachen Fachanwalts hinausgehen. Hinsichtlich dieser besonderen Fähigkeiten bestehe eine Darlegungs-und Beweispflicht. Dabei machten die Richter deutlich, dass, soweit ein Rechtsgebiet durch eine Fachanwaltschaft abgedeckt ist, eine Selbstbewertung als „Spezialist“ nicht mehr in Frage komme. Folglich könne die Bezeichnung nur noch in sehr beschränkten Rechtsbereichen, beispielsweise bei einem „Spezialist für Waffenrecht“, vorkommen.

2010 folgte dann eine Entscheidung des Landgerichts Berlin, die ähnliche Grundsätze auch bei der Bezeichnung als „Experte“ festlegte. Mit der Bezeichnung als „Experten-kanzlei“ gehe eine Nachweispflicht einher, die zeigen müsse, dass Kenntnisse und Erfahrungen der Kanzlei weit über dem Durchschnitt lägen.

Abgrenzung nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs  

Mit seinem Urteil vom 24.7.2014 hat der Wettbewerbssenat des BGH entschieden, dass ein Rechtsanwalt, auch wenn er nicht über die Befugnis zur Führung einer entsprechenden Fachanwaltsbezeichnung verfüge, sich nach außen hin als „Spezialist“ bezeichnen dürfe, auch wenn es für dieses Rechtsgebiet eine Fachanwaltschaft bereits gebe.

Voraussetzung, so die Richter, sei, dass der Rechtsanwalt, die an die Qualifikation eines Fachanwaltes zu stellenden Kenntnisse und Fähigkeiten ebenfalls erfülle. Die Entscheidung stellt damit besondere Anforderungen für die Werbung von Rechtsanwälten mit ihrer Qualifikation auf. Eine Verwechslungsgefahr für Rechtssuchende sah auch der Senat, trotzdem bestehe keine Veranlassung dem Rechtsanwalt die Führung der „Spezialisten-Bezeichnung“ zu untersagen. Auch nach dieser Entscheidung obliege dem Anwalt allerdings eine Darlegungs- und Beweislast.                                                                                

Alles klar?

Trotz oder wegen der Entscheidung ist eine Flut von selbsternannten „Spezialisten“ nicht ganz fernliegend. Denn so mancher Rechtsanwalt wird zur Eigenwerbung das Risiko eingehen, sich selbst den Titel des „Spezialisten“ zu erteilen. Selbst bei Einschreiten der Rechtsanwaltskammern ist der Werbezweck bis dahin erfüllt.

Der Gesetzgeber wollte aber gerade den gesetzlich geprüften Titel des Fachanwalts schützen. Eine bloße Selbstverleihung eines Titels widerspricht diesem Schutzgebot und führt zu einer Entwertung des Fachanwaltstitels. Darüber hinaus muss auf das Verständnis der Rechtssuchenden abgestellt werden. Diese werden regelmäßig bei der Bezeichnung als Spezialist eine höhere Qualifikation erwarten, als bei einem Fachanwalt. Gerade diese wird nach der aktuellen Rechtsprechung aber nicht mehr erwartet, vielmehr muss ein Spezialist nur die entsprechenden Fähigkeiten eines Fachanwalts aufweisen.

Der Verwirrung über die Titelbezeichnungen wird mit dieser Entscheidung jedenfalls keine Abhilfe geschaffen.

Verwirrung im anwaltlichen Werberecht

Erstaunlich ist, dass der BGH in seiner Entscheidung ausdrücklich erkannt hat, dass ein objektiver Dritter nicht zwischen einem selbstgegebenen „Spezialisten-Titel“ und einer hoheitlich verliehenen Rechtsanwaltsbezeichnung entscheiden könne. Immerhin besagt das anwaltliche Werberecht, dass „qualifizierende Zusätze unzulässig sind, soweit sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründen“ (§7 II BORA).

Fraglich ist auch, ob das Urteil des Wettbewerbssenats hinreichend hohe Hürden für die Benennung als Spezialist aufstellt, um so einem Schutz des Fachanwaltstitels noch gerecht zu werden. Insgesamt hat die Entscheidung keine klaren Grundsätze für die Abgrenzung von Anwaltsbezeichnungen hervorgetan. Eher wurden die Anforderungen für das Werberecht der Anwälte noch gesenkt. Für den Rechtssuchenden bleibt oftmals die Unkenntnis über die wirkliche Qualifikation einzelner Rechtsanwälte. Inwieweit Kenntnisse und Fähigkeiten von Experten oder Spezialisten mit denen eines Fachanwalts zu vergleichen sind bleibt weiter unklar. Im Zweifel aber sollte einem hoheitlich verliehenen Titel stets mehr Vertrauen entgegengebracht werden.