Die Haftung des faktischen Geschäftsführers
Entscheidung des OLG München im GmbH-Recht
Entscheidung des OLG München im GmbH-Recht
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Gregor Kübler
Mit Urteil vom 23.01.2019 hat das OLG München entschieden, dass die Regelung in § 43 Abs. 2 GmbHG auf faktische Geschäftsführer entsprechend anzuwenden ist. Nach Ansicht des Gerichts haften faktische Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft somit gleich wie „richtige“ Geschäftsführer.
Begriff und Wesen der faktischen Geschäftsführung
Von einer faktischen Geschäftsführung spricht man grundsätzlich dann, wenn eine Person in tatsächlicher Hinsicht Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt, obwohl es dafür an einem förmlichen Bestellungsakt fehlt.
In Literatur und Rechtsprechung wurde in der Vergangenheit an verschiedener Stelle die Anwendung von speziellen, auf Geschäftsführer zugeschnittenen zivil- und strafrechtlichen Haftungsnormen auch auf faktische Geschäftsführer diskutiert. Eine gesetzliche Regelung zur Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers besteht nicht. Deshalb ist die Rechtslage mit Unsicherheiten in Bezug auf die aus den Handlungen eines faktischen Geschäftsführers folgenden zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiken behaftet.
Der Rechtsfigur der faktischen Geschäftsführung kommt in der Praxis insbesondere im Zusammenhang mit der Pflicht von Geschäftsführern zur Abführung von Lohnsteuern und Sozialabgaben sowie bei der Insolvenzantragspflicht eine große Bedeutung zu.
Wenn der Prokurist die Geschäfte führt
Dem Urteil des OLG München zum GmbH-Recht lag in tatsächlicher Hinsicht das Handeln eines Prokuristen zugrunde, welcher die Geschäfte einer Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH ausschließlich und eigenständig geführt hatte. Der eigentliche Geschäftsführer der Gesellschaft war dahingegen überhaupt keiner Geschäftsführertätigkeit nachgekommen. Auslöser des Prozesses war schließlich, dass der Prokurist ohne rechtliche Grundlage einen größeren Geldbetrag vom Geschäftskonto der Gesellschaft auf sein Privatkonto überweisen hatte.
Entscheidend ist der Auftritt im Außenverhältnis
Nach Ansicht des OLG München kommt es für die Frage, ob die Voraussetzungen einer faktischen Geschäftsführung erfüllt sind, auf das insgesamte Gesamterscheinungsbild des Auftretens an. Da es das wesentliche Merkmal der Geschäftsführung sei, dass diese im Außenverhältnis in Erscheinung tritt, setze eine faktische Geschäftsführung zwingend voraus, dass der jeweils Handelnde nicht nur im Innenverhältnis der Gesellschaft tätig wird. Bezüglich der Frage, ob der im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer überhaupt eine geschäftliche Tätigkeit entfaltet hatte, stellt das Gericht unter anderem auf die Buchführungsunterlagen des Unternehmens ab.
OLG München folgt obergerichtlicher Rechtsprechung
Das OLG München positioniert sich im Urteil klar zu der Frage, ob ein faktischer Geschäftsführer auch nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet.
Dies war in der Vergangenheit vom BGH noch nicht eindeutig ausgeurteilt worden. Allerdings hatten einige andere obergerichtliche Entscheidungen eine entsprechende Anwendbarkeit der Norm auch auf faktische Geschäftsführer angenommen.
Leichtere Durchsetzung von Schadensansprüchen
Eine entsprechende Anwendbarkeit des Haftungstatbestandes nach § 43 Abs. 2 GmbHG auch auf faktische Geschäftsführer hat für die GmbH im Bereich der Geschäftsführerhaftung den entscheidenden Vorteil, dass sie zur Durchsetzung eines Schadensersatzanspruches „nur“ den Eintritt eines Schadens und dessen Verursachung durch ein Verhalten des faktischen Geschäftsführers, das sich möglicherweise als pflichtwidrig darstellt, darlegen und beweisen muss.
Gelingt ihr dies, ist der faktische Geschäftsführer zu seiner Entlastung verpflichtet, Umstände dafür darzulegen und zu beweisen, dass das schadensauslösende Verhalten nicht pflichtwidrig war oder ihn zumindest kein Schuldvorwurf hinsichtlich der Pflichtverletzung trifft.