Deutsche Gerichte im internationalen Wettbewerb

Commercial Courts als Ass im Ärmel

Der deutsche Justizapparat will international attraktiver werden. Die neue Marketinginitiative läuft unter der Bezeichnung „Commercial Courts“ auf Hochtouren. Die Fachleute sind begeistert, aber der Teufel steckt im Detail.

Veröffentlicht am: 17.04.2023
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Hamburg
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Die deutsche staatliche Justiz soll mit der Einführung der Commercial Courts gestärkt werden. Größere internationale Streitigkeiten zwischen Privaten sollen nicht ausschließlich vor den Schiedsgerichten, sondern zukünftig auch vor staatlichen Gerichten verhandelt werden können. Der Anachronismus in der deutschen Justiz, dass größere internationale Streitigkeiten in deutschen Gerichtsverhandlungen nicht in englischer Sprache verhandelt werden können, soll mit der Einführung des Commercial Court sein Ende finden.

Commercial Court-Initiative trifft auf breite Zustimmung

Nach dem neuen Gesetzesentwurf zur Stärkung der Gerichte in Wirtschaftsstreitigkeiten vom April letzten Jahres geht das Vorhaben in die nächste Runde. Letzten Monat hat der Rechtsausschuss in einer öffentlichen Anhörung seine Zustimmung signalisiert. Den Sachverständigen aus Richterschaft, Anwaltschaft und Wissenschaft lagen der Gesetzentwurf des Bundesrats, ein Antrag der Unionsfraktion sowie ein Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums vor. Der Rechtsausschuss bestätigt: Deutschland braucht die Commercial Courts für große internationale Streitigkeiten in Handelssachen. Die Gerichtsverhandlungen sollen komplett in englischer Sprache geführt werden können. 

Deutsche Justiz als Standortfaktor

Vertreter deutscher Institutionen werden nicht müde zu betonen, dass das deutsche Recht und die deutsche Justiz international große Anerkennung genießen. Fakt ist jedoch, dass Unternehmen ihre Streitigkeiten zunehmend nicht vor deutschen Zivilgerichten austragen, sondern eine Abwanderung in andere Rechtskreise oder in die Schiedsgerichtsbarkeit zu beobachten ist.

Diesem Trend will die neue Gesetzesinitiative betreffend die Commercial Courts einen Riegel vorschieben. Der Gesetzgeber will der wachsenden Komplexität der Rechtsbeziehungen im internationalen Kontext mit speziellen Gerichten für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten Rechnung tragen und die deutsche Justiz im Zuge dessen als Standortfaktor stärken.

Umfangreiche Handelsstreitigkeiten internationaler Parteien müssen effektiv und sachgerecht, auch in englischer Sprache, vor deutschen Gerichten erledigt werden können. Nur dann könne die staatliche Gerichtsbarkeit den Boden gegenüber den Schiedsgerichten gut machen und zur Rechtsfortbildung beitragen – so die Vertreter des Rechtsausschusses. 

Welche Hausaufgaben bestehen noch?

Die Details der einzelnen Initiativen weichen noch in kleineren und größeren Fragestellungen voneinander ab. So sieht zum Beispiel der Gesetzentwurf des Bundesrates vor, dass die Commercial Courts an den Oberlandesgerichten ab einem Streitwert von 2 Mio. Euro zuständig sein sollen. Dies wird von den Rechtswissenschaften kritisch gesehen. Dadurch werden sicher nicht alle internationalen Gesellschafterstreitigkeiten und vertriebsrechtlichen Auseinandersetzungen erfasst. Viele Dispute könnten durch das Raster fallen. Bei zu hohen Streitwerten besteht die Gefahr, dass bei den Spezial-Spruchkörpern zu wenige Verfahren landen und damit der gewünschte Spezialisierungseffekt nicht eintreten wird.

Im Fluss befindet sich auch die Diskussion, ob erstinstanzliche spezielle Senate an den Oberlandesgerichten errichtet werden oder ob es sinnvoll ist, an den Landgerichten spezielle Spruchkörper für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten einzurichten.

Mehrere Sachverständige fordern eine Änderung des deutschen AGB-Rechts, um den Rechtsstandort zu stärken. Das BGB sowie die enge Auslegung des Bundesgerichtshofs zur Inhaltskontrolle führen aktuell dazu, dass die ausländischen Unternehmungen andere Rechtsordnungen für ihre Vertragsbeziehungen wählen. Die Commercial Court-Initiative kann nur dann erfolgreich sein, wenn die starre AGB-Kontrolle gelockert wird und das deutsche materielle Recht seinen Reiz auch international entfalten kann.