Der nichtige Aufsichtsrat

Mitteilungspflichten und Beschlussfassung

Veröffentlicht am: 08.05.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Mitteilungspflichten und Beschlussfassung

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Das Aktiengesetz ist – was viele nicht wissen – keine Einbahnstraße. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich des Informationsflusses. Allseits bekannt sind die Informationspflichten, welche die Aktiengesellschaft gegenüber ihren Aktionären hat. So steht das Auskunftsrecht der Aktionäre nach § 131 AktG in jeder Hauptversammlung im Fokus, ist dieses doch (fast) immer der gedachte Schlüssel zur Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung.

Weniger bekannt sind indes die Informationspflichten, welche die Aktionäre gegenüber der Gesellschaft haben. Noch weniger bekannt ist, dass die Verletzung dieser Pflichten massive nachteilige Folgen für die betreffenden Aktionäre hat (siehe unten).

Eine aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt Main, 02.05.2019, Az.: 22 U 61/17 („Opel-Betriebsrat“), nimmt die Informationspflichten der Aktionäre als Ausgangspunkt und zeigt, welche Folgen eine Verletzung dieser Pflichten für den Aufsichtsrat haben kann.

Zustimmung des Aufsichtsrates?

Der Kläger war Mitglied des Betriebsrates der beklagten Aktiengesellschaft und als solches ein von der Arbeitnehmerseite bestelltes Mitglied  des Aufsichtsrates. Er begehrte vornehmlich die Feststellung, dass ein bestimmter Beschluss des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft, welcher den Vorstand zur Ausarbeitung und Verhandlung eines Vorschlages in Hinblick auf das Produktionsende in einem Standort der AG beinhaltete, nicht wirksam gefasst wurde.

Warum bedurfte es der Zustimmung des Aufsichtsrates? Der Vorstand entscheidet in Geschäftsführungsmaßnahmen grundsätzlich autonom. Allerdings haben Satzung oder Aufsichtsrat jedoch zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. So war es auch im Fall des OLG Frankfurt Main.

Gibt es Mitteilungspflichten der Aktionäre?

Als Grund für die Unwirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses gab der Kläger zunächst an, der Aufsichtsrat sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Zwei seiner Mitglieder seien zwar von der Hauptversammlung bestellt worden, indes hätten Aktionäre abgestimmt, die in Hinblick auf § 20 AktG nicht hätten abstimmen dürfen.

§ 20 Aktiengesetz statuiert für die Aktionäre Informationspflichten in dreierlei Richtung. Nach § 20 Abs. 1 AktG haben Aktionäre, denen mehr als 25% der Aktien einer Aktiengesellschaft gehört, dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Nach § 20 Abs. 4 AktG haben Aktionäre, denen eine Mehrheitsbeteiligung im Sinne von § 16 Abs. 1 AktG gehört, auch diese Gesellschaft unverzüglich schriftlich zu informieren. Nach § 20 Abs. 5 AktG haben Aktionäre schließlich der AG mitzuteilen, wenn die Beteiligung in der nach Absatz 1 oder 4 mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr besteht.

Verlust des Stimmrechts

Zur Durchsetzung dieser Pflichten bestimmt das Aktiengesetz, dass Rechte aus Aktien, die einem nach § 20 Absatz 1 oder 4 AktG mitteilungspflichtigen Aktionär gehören, für die Zeit, in der der Aktionär seine Mitteilungspflicht nicht erfüllt, nicht bestehen. Mit anderen Worten: Keine Mitteilung nach 20 AktG – keine Stimmrechte.

Bestellungsbeschluss nicht fristgerecht angefochten

Das OLG Frankfurt Main erachtete die Stimmrechtsausübung des Aktionärs, welcher seine Mitteilungspflichten nach § 20 AktG verletzt hatte, indes nicht als einen gravierenden Beschlussmangel: Der Beschluss sei daher lediglich anfechtbar, nicht indes nichtig. Da der Kläger die feste aktienrechtliche Anfechtungsfrist von einem Monat versäumt hatte, konnte er die Unrechtmäßigkeit der Stimmrechtsausübung des eigentlich von der Abstimmung ausgeschlossenen Aktionärs nicht mehr geltend machen.

Beschlussfassung des Aufsichtsrates durch Email und Telefon zulässig?

Als weiteren Grund für die Unwirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses des Aufsichtsrates führt der Kläger die Art und Weise der Beschlussfassung des Aufsichtsrats an. Konkret bemängelte der Kläger, dass einzelne Mitglieder des Aufsichtsrates per Email abgestimmt hätten, andere Mitglieder hätten ihre Stimme nur telefonisch abgegeben.

Das Gericht stellte klar, dass Stimmabgaben von Aufsichtsratsmitgliedern bei entsprechender Regelung in der Satzung auch per E-Mail erfolgen können. Eines besonderen qualifizierten Nachweises der Echtheit der Stimmabgabe, wie einer elektronischen Signatur, bedürfe es nicht.

Das Gericht führte weiter aus, dass Mitglieder des Aufsichtsrates, welche während der gesamten Sitzung des Aufsichtsrates am Telefon anwesend gewesen seien, als „Anwesende“ auch per Telefon ihre Stimme abgeben können. Einer besonderen Satzungsregelung, die eine Stimmabgabe per Telefon erlaube, bedürfte es in diesem Fall nicht.

Hinweis: Gegen das Urteil ist die Revision zum Bundesgerichthof möglich, die wegen der grundsätzlichen Bedeutung entscheidungserheblicher Fragen zugelassen wurde.

Praxishinweise

Die Entscheidung führt zweierlei vor Augen. Zum einen ist der tatsächlichen Beschlussfassung des Aufsichtsrates immer Augenmerk zu schenken – sowohl bei der Gestaltung der Satzung als auch bei der Vorbereitung und Durchführung. Zum anderen sind die Informationspflichten von Aktionären im Auge zu behalten – sowohl aus Sicht der Aktionäre als auch aus Sicht der Gesellschaft.

Anzumerken bleibt, dass der Vorstand verpflichtet ist, die nach § 20 AktG erfolgenden Mitteilungen der Aktionäre in den Gesellschaftsblättern zu veröffentlichen.