Der Holocaust und das Medienstrafrecht

Der feine Unterschied zwischen Verharmlosung und Leugnung

Veröffentlicht am: 06.08.2018
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Der feine Unterschied zwischen Verharmlosung und Leugnung

Ein Beitrag von Desiree Szitnick

Den Holocaust zu leugnen ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern kann auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Doch nicht jede Äußerung führt automatisch zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Welche Grundsätze im Medienstrafrecht bei einer Verurteilung wegen Volksverhetzung bestehen, zeigen zwei unterschiedliche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG).

Hartnäckige Holocaust-Lügnerin zur Haftstrafe verurteilt

Dass eine Bestrafung wegen Leugnung des Holocausts auch mit der Meinungsäußerungsfreiheit des Grundgesetzes im Einklang stehen kann, zeigt ein Beschluss des BVerfG vom 22.06.2018. Diesem liegt die Verurteilung der 89-Jährigen Ursula Havenbeck zugrunde, die in verschiedenen veröffentlichten Artikeln dargelegt hatte, dass sich die Massentötungen von Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus nicht ereignet hätten und insbesondere die Massenvergasungen in dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau nicht möglich gewesen seien. Wegen dieser Äußerungen war die Frau von einem Landgericht wegen Volksverhetzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Dagegen legte sie Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein – ohne Erfolg.

Die Frau sei nach Ansicht der Richter durch die Verurteilung nicht in ihren Grundrechten verletzt. Die Verbreitung erwiesen unwahrer und bewusste falscher Tatsachen könne nämlich nicht zur Meinungsbildung beitragen und sei schon deshalb nicht von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt. Mit der öffentlichen Billigung des nationalsozialistischen Völkermordes werde die Störung des öffentlichen Friedens zudem bereits indiziert.

Abstoßende Äußerungen allein reichen nicht aus

Dagegen zeigt eine andere Entscheidung des BVerfG, ebenfalls vom 22.06.2018, dass nicht jede Verharmlosung des Holocausts zwingend als Volksverhetzung strafbar ist. Der klagende Mann war zunächst wegen Äußerungen auf seiner Internetseite und seinem YouTube-Account zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Über eine Audiodatei wurde die erste „Wehrmachtsausstellung“, die vor einigen Jahren in Deutschland gezeigt wurde, wegen angeblich unrichtiger Darstellung kritisiert.

Gegen die Entscheidung erhob der Mann Verfassungsbeschwerde. Im Ergebnis hatte diese sogar Erfolg. Die Richter stellten fest, dass die Verurteilung wegen Volksverhetzung den Mann in seiner Meinungsäußerungsfreiheit verletze, da das Gericht keine ausreichende Feststellungen getroffen habe, dass die Äußerungen des Mannes tatschlich den öffentlichen Frieden stören würden.

Störung des öffentlichen Friedens entscheidend

Das BVerfG hatte in diesem Verfahren klargestellt, dass für die Variante der Verharmlosung, im Vergleich zur Leugnung und Billigung des Holocaust, die Störung des öffentlichen Friedens gerade nicht indiziert sei, sondern von dem Gericht ausreichend festgestellt werden müsse. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Das BVerfG hat deshalb das Urteil aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurückverwiesen.

Bei der Meinungsfreiheit stellt sich im Medienrecht stets die Frage, was genau von ihr (noch) gedeckt sein kann. Nach dem BVerfG sind die Grenzen der Meinungsfreiheit aber nicht schon dann überschritten, wenn die anerkannte Geschichtsschreibung oder die Opfer nicht angemessen gewürdigt werden. Vielmehr könnten auch offensichtlich anstößige, abstoßende und bewusst provozierende Äußerungen noch legal sein.

Solche Äußerungen, die für eine demokratische Öffentlichkeit zwar schwer zu ertragen seien, dürfte man grundsätzlich nicht durch Verbote, sondern allein in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegentreten. Die Meinungsäußerung findet im Medienrecht erst dort ihre Grenzen, wo die Äußerungen in einen unfriedlichen Charakter umschlagen. Hierfür sei aber aus Sicht des BVerfG keine ausreichenden Feststellungen vorgetragen worden. Daher überwiege in diesem Fall die Meinungsfreiheit.