CRR III und CRD VI

Neue Herausforderungen für Banken und Vertragsgestaltung

Die Bankenregulierung geht weiter und wird, wie üblich, insgesamt noch komplexer, insbesondere durch eine verstärkte Einbeziehung der für sich genommen komplexen Nachhaltigkeitsthemen und AML-Vorgaben.

Veröffentlicht am: 26.11.2024
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Die Regulierung des Bankensektors in der Europäischen Union hat sich seit der globalen Finanzkrise stetig weiterentwickelt. Mit der Einführung der unmittelbar in den Mitgliedsstaaten geltenden Capital Requirements Regulation (CRR) und der Capital Requirements Directive (CRD) im Jahr 2014 wurden die Basel-III-Standards in der EU umgesetzt. Diese Regelungen zielen in erster Linie darauf ab, die Kapitalbasis von Banken zu stärken und Risiken im Finanzsystem zu minimieren, um Systemkrisen zu verhindern.

2019 erfolgte ein weiterer Schritt mit der Verabschiedung von CRR II und CRD V, die am 27. Juni 2019 in Kraft traten, mit einer Umsetzungsfrist für die CRD V bis zum 28. Dezember 2020.

Das aktuelle Gesetzgebungspaket aus 2024 mit CRR III und CRD VI setzt weitere Vorgaben des Basel-III-Standards in europäische Gesetzgebung um und ergänzt diese um Regulierungsfelder aus ESG und AML-Themen. Diese Regelungen treten gestaffelt in Kraft:

  • Die CRR III gilt als Verordnung unmittelbar ab dem 1. Januar 2025 in allen EU-Mitgliedstaaten.
  • Die CRD VI muss als Richtlinie bis zum 11. Januar 2026 in nationales Recht umgesetzt werden.

Die neuen Vorschriften zielen darauf ab, die Kapitalanforderungen der EU-Banken weiter zu harmonisieren, Risiken zu minimieren und neue Herausforderungen wie ESG-Risiken und Anti-Geldwäsche (AML) dabei zu berücksichtigen. Dies stellt die Finanzmarktteilnehmer vor erhebliche Herausforderungen bezüglich der rechtzeitigen und gesetzestreuen Umsetzung und wird Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung bei der Kreditvergabe haben.

Einhegung des IRBA

Ein zentrales Element von CRR III ist die Einführung eines sogenannten „Output Floors“, der die Vorteile des internen IRBA-Modells (Internal Ratings-Based Approach) begrenzt. Banken dürfen die Kapitalanforderungen für ihre risikogewichteten Aktiva (RWA) durch eigene interne Modelle nicht mehr unbegrenzt senken. Der Output Floor legt fest, dass die durch interne Modelle berechneten RWA mindestens 72,5 % der RWA nach dem Kreditrisikostandardansatz (KSA) betragen müssen.

Darüber hinaus geht die CRR III noch weiter und führt auch bezüglich des IRBA eine stärkere Standardisierung ein. Danach müssen Banken in Zukunft für bestimmte wesentliche Kreditrisikoparameter, wie die Verlustquote bei Ausfall (LGD), regulatorische Mindestvorgaben einhalten, auch wenn sie IRBA anwenden. Für sogenannte Low Default Portfolios (LDP), bei denen interne Modelle in der Vergangenheit nicht selten unsichere Ergebnisse geliefert haben, schreibt die CRR III die Verwendung standardisierter Werte vor.

Während der IRBA zwar in der Theorie den Vorteil bietet, die Risikogewichtung an die tatsächlichen Gegebenheiten eines konkreten Portfolios anzupassen, gab es daran auch immer wieder Kritik: von außen schwer nachvollziehbare Modellierungen und die sich daraus ergebende Möglichkeit, dadurch Kapitalanforderungen der jeweiligen Bank über Gebühr zu senken, führten potenziell zu Wettbewerbsverzerrungen und unerkannten Risiken für den Finanzmarkt. Der Output Floor und die stärkere Standardisierung wirken dem entgegen.

ESG Regulierung in CRR III und CRD VI

Die Integration der Regulierung von ESG-Themen ist ein weiterer Regulierungskomplex von CRR III und CRD VI. Banken müssen künftig Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Strategien, Risikobewertungen und Berichterstattung integrieren. Damit sollen insbesondere ESG-Risiken stärker berücksichtigt und die Finanzindustrie auf die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschaft vorbereitet werden.

Dabei schaffen die fehlenden standardisierten Bewertungsmethoden jedoch auch hier Unsicherheit. Banken werden daher gezwungen sein, kostenintensive Maßnahmen zu implementieren, ohne klare gesetzgeberische Vorgaben. Eine noch stärkere Fokussierung auf ESG-Risiken lenkt auch vom Hauptzweck der Banken – der Sicherung von Stabilität und Liquidität der Finanzmärkte – ab, mit dem diese schwer vereinbar sind. Es fragt sich, ob diese regulatorischen Vorgaben für Banken tatsächlich nützt oder lediglich die Kosten für Finanzierungen von nachhaltigen Wirtschaftsprojekten erhöht und damit den Spielraum der Wirtschaft insoweit verringert.

Weitere Verschärfungen der AML-Regulierung – ein Fass ohne Boden?

Die Geldwäscheprävention bleibt ein Dauerbrenner der EU-Regulierung. Die CRD VI verschärft die bereits sehr umfassenden Anforderungen weiter. Künftig müssen Banken noch komplexere Systeme und Prozesse einführen, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzubeugen. Diese Regelungen sind zudem im Kontext zu sehen mit der geplanten neuen EU-Geldwäscherichtlinie sowie der Schaffung einer zentralisierten Geldwäsche-Behörde, der Anti-Money Laundering Authority (AMLA), die voraussichtlich in Frankfurt Quartier beziehen soll, und welche für alle EU-Mitgliedsstaaten eine einheitliche Überwachung und noch strengere Meldepflichten vorsieht.

Obendrein stehen die neuen AML-Regulierungen in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den Kapitalanforderungen unter CRR III. Die Einbeziehung von Geldwäscherisiken in die Kreditrisikomodelle – wie im Rahmen der IRBA-Standardisierung gefordert – bedeutet nicht nur weiteren Anpassungsbedarf. Es kann auch dazu führen, dass Kredite an unter AML-Gesichtspunkten risikobehaftete, aber eigentlich wirtschaftlich bedeutende Branchen unattraktiv werden. Auch für kleinere Unternehmen sowie Privatpersonen könnte dies die Kreditvergabe erschweren und damit im Ergebnis zu einer ungewollten Marktverengung führen.

Dabei sind die bisherigen Praxiserfahrungen mit der in den letzten Jahren deutlich verschäften AML-Regulierung ernüchternd: Trotz in den letzten Jahren immer umfangreicherer Vorschriftenkataloge und empfindlicherer Strafen bleibt die Effizienz dieser Maßnahmen sehr fragwürdig. Es wird bemängelt, dass der regulatorische Fokus primär auf der Einhaltung schwer verständlicher, teilweise praxisuntauglicher und sehr komplexer bürokratischer Vorgaben liegt, während effektive Präventionsmaßnahmen und Risikoanalysen oft in den Hintergrund treten. Banken müssen hohe Investitionen in Compliance-Systeme tätigen, um den verschärften Anforderungen zu genügen, was insbesondere für kleinere und mittlere Institute eine erhebliche Belastung darstellt. Zu beobachten ist inzwischen auch das Phänomen einer „Over-Compliance“ bei der bestimmte Geschäfte mit Beteiligten aus bestimmten Drittstaaten gar nicht mehr eingegangen oder abgewickelt werden, obwohl sie nicht gegen Geldwäschevorschriften einschließlich des ebenfalls sich immer weiter ausbreitenden, fragwürdigen Sanktionsregimes verstoßen.

Auswirkungen auf Vertragsgestaltung

Die neuen regulatorischen Anforderungen durch CRR III, CRD VI und die verschärften AML-Vorgaben beeinflussen auch die Praxis der Kreditvergabe erheblich. Banken werden noch strengere Bonitätsprüfungen durchführen und ESG- sowie Anti-Geldwäsche-Klauseln in die Vertragswerke aufnehmen müssen. Dies kann Kreditnehmer indirekt dazu verpflichten, Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen, dazu regelmäßige Berichte vorzulegen oder eigene Maßnahmen gegen Geldwäsche nachzuweisen. Verstöße müssten Vertragsstrafen oder eine Kündigung des Kredits und allgemein höhere Zinsen zur Folge haben.

Zusätzlich könnten die weiter gestiegenen Kapitalanforderungen dazu führen, dass Banken vermehrt hochwertige Sicherheiten verlangen und damit auf Seiten der Kreditnehmer höhere Kosten verursachen, mit entsprechenden gesamtwirtschaftlichen Folgen. Im Hinblick auf die ESG und AML-Vorgaben dürfte dies auch Auswirkungen auf den Zugang zu Krediten für Bankkunden haben.

Ausblick

CRR III und CRD VI markieren eine weitere Stufe in der Regulierung des Bankensektors, die tiefgreifende Auswirkungen auf deren Geschäftsmodelle insgesamt und auch die Vertragsbeziehungen zu den Kunden haben wird. Während einige Maßnahmen bezüglich der verschärften Eigenkapitalanforderungen auf mehr Stabilität und stärkere Standardisierung abzielen, was begrüßenswert ist, werfen insbesondere Regelungen zu ESG und AML Fragen nach Sinnhaftigkeit, Praktikabilität und den langfristigen Auswirkungen auf. 

Banken sollten im Hinblick auf CRR III / CRD VI nicht nur ihre internen Prozesse anpassen, sondern auch die Vertragsgestaltung und Vertragsanbahnung frühzeitig auf die neuen Anforderungen abstimmen. Auch Kreditnehmer müssen sich darauf einstellen: Verhandlungen werden noch anspruchsvoller, die Bedingungen strenger. 

 

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