BFH stärkt VC und PE Fondsmarkt mit Carry-Entscheidung
Besteuerung des Carried Interest
Ein aktuelles BFH-Urteil zur Besteuerung des Carried Interest bringt erfreuliche Klarheit für den deutschen VC- und PE-Markt nach jahrelangem Streit zwischen BFH und Finanzverwaltung. Die Entscheidung stärkt Fondsstrukturen, entlastet Investoren und schafft Anreize für Initiatoren, was dem deutschen VC und PE-Markt gut tun wird.
Das Thema „Carried Interest“ oder kurz „Carry“ beschäftigt die deutsche Fondswelt seit über 20 Jahren. Der Carry als gesonderter Gewinnanteil, den Initiatoren von Private Equity (PE)- und Venture Capital (VC)-Fonds erhalten, ist ein zentrales Element der Fondsstrukturierung. Es dient dazu, die Interessen von Fondsinitiatoren und Investoren in Einklang zu bringen. Doch die steuerliche Behandlung dieses Gewinnanteils war bislang problematisch. Die Finanzverwaltung sah darin eine verdeckte Tätigkeitsvergütung, was zu erheblichen steuerlichen Nachteilen für Investoren und Initiatoren führte. Dies belastete den deutschen VC- und PE-Markt, da sie ausländische Investoren abschreckte und die Attraktivität deutscher Fondsstrukturen im internationalen Vergleich minderte.
Dem ist der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 16.04.2024 (Az. VIII R 3/21) entgegengetreten und eröffnet damit neue Perspektiven für deutsche VC- und PE-Strukturierungen.
Problemstellung: Finanzverwaltung vs. BFH
Die Finanzverwaltung vertritt in ihrem Private-Equity-Erlass aus dem Jahr 2003 die Auffassung, dass Carried Interest als verdeckte Tätigkeitsvergütung zu qualifizieren sei. Dies hatte zur Folge, dass die Gewinne zunächst den Investoren zugerechnet wurden, die dann den disproportionalen Gewinnanteil der Initiatoren als fiktive Werbungskosten geltend machen mussten. Für Privatanleger waren diese Werbungskosten jedoch nicht abziehbar, was im Ergebnis zu einer wirtschaftlichen Doppelbelastung bei Anlegern und Initiatoren führte: Die Initiatoren versteuerten den Carried Interest, während die Investoren auf denselben Gewinnanteil ebenfalls Steuern zahlen mussten. Dies macht deutsche Fondskonstruktionen potenziell unattraktiver im internationalen Vergleich.
Der BFH hat diese Auffassung nun in einem aktuellen Urteil vom 16. April 2024 erneut zurückgewiesen. Der BFH bestätigte, dass Carried Interest als originärer Gewinnanteil der Initiatoren zu behandeln ist und nicht als verdeckte Tätigkeitsvergütung. Damit positioniert sich der BFH klar gegen die Auffassung der Finanzverwaltung und es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung dem in Zukunft folgt durch Anpassung des Private Equity Erlasses.
Einordnung der Entscheidung vor dem Hintergrund des MoPeG
Das BFH-Urteil betrifft eine ganz typische Fondsstruktur, bei der die Initiatoren über eine Carry-Gesellschaft an der Fondspersonengesellschaft beteiligt sind. Der BFH bestätigte, dass kapitaldisproportionale Gewinnverteilungsabreden Fonds steuerlich anzuerkennen sind, sofern sie im Gesellschaftsverhältnis begründet sind und einem Fremdvergleich standhalten. Dies wird im Verhältnis Anleger zu Initiatoren regelmäßig der Fall sein. Nach dem Urteil gilt dies sowohl für gewerbliche als auch für vermögensverwaltende Fonds.
Das Urteil harmoniert auch mit dem Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG), das zum 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist. Das MoPeG betont die Anerkennung von immateriellen Gesellschafterbeiträgen und sieht vor, dass die Gewinnverteilung an den Wert der Beiträge der Gesellschafter geknüpft ist. Als Gesellschafterbeiträge kommen somit auch typische Initiatoren-Beiträge, wie Knowhow, Netzwerk und Zugang zu Investments in Betracht. Der BFH betont, dass die Gewinnverteilung in Fondsstrukturen die jeweiligen finanziellen und immateriellen Beiträge der Gesellschafter angemessen abbildet und auch steuerlich anzuerkennen ist. Das Urteil des BFH steht damit auf dem Boden des MoPeG und unterstreicht die steuerliche Anerkennungswürdigkeit marktüblicher Wasserfallstrukturen.
Steuerliche Folgen
Das BFH-Urteil hat weitreichende steuerliche Konsequenzen. Für die Anleger bedeutet es, dass sie keine fiktiven Werbungskosten mehr für den Carry der Initiatoren geltend machen müssen. Dies bedeutet für Privatanleger eine erhebliche Erleichterung, da sie nun nicht mehr mit nicht abziehbaren Werbungskosten belastet sind.
Für Initiatoren als Carry-Berechtigte bestätigt der BFH, dass der Carry als vom Kapitalbeitrag unabhängiger Gewinnanteil zu behandeln ist und nicht als Vergütung für eine selbständige Tätigkeit. Dies hat zur Folge, dass der Carried Interest auf Ebene der Carry-Gesellschaft in Einkünfte aus selbständiger Arbeit umqualifiziert wird. Die Carry-Gesellschaft wird somit zu einer nicht-gewerblichen steuerlichen Mitunternehmerschaft. Dabei kommt es nach Ansicht des BFH auch nicht darauf an, ob jeder einzelne Carry-Berechtigte immaterielle Beiträge erbringt, solange die Carry-Gesellschaft insgesamt den Gesellschaftszweck des Fonds fördert. Die Carry-Gesellschaft kann somit auch über den Initiatorenkreis hinaus Beschäftigte beteiligen.
Für ausländische Carry-Berechtigte hat das Urteil ebenfalls positive Auswirkungen, da die Carry-Gesellschaft die Tätigkeiten lediglich bündelt, jedoch keine eigene Betriebsstätte begründet. Damit besteht auch keine - beschränkte - Steuerpflicht in Deutschland. Ausländische Carry-Berechtigte versteuern ihre Anteile somit lediglich in ihrem Ansässigkeitsstaat.
Praxisfolgen für Fondsstrukturierung und Chancen für den deutschen VC- und PE-Markt
Das BFH-Urteil eröffnet neue Chancen für den deutschen VC- und PE-Markt, indem es steuerliche Nachteile deutscher Fondsstrukturen beseitigt. Die Anerkennung von Carried Interest als Gewinnanteil stärkt damit die Attraktivität deutscher Fondsstrukturen im internationalen Wettbewerb. Investoren und Initiatoren können nun auf eine stabile und praxistaugliche Rechtslage vertrauen, was die Planungssicherheit erhöht und ausländische Investoren anlocken dürfte.
Allerdings bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf das Urteil reagieren wird. Bislang hielt sie an der Auffassung fest, dass der Carry als verdeckte Tätigkeitsvergütung zu qualifizieren ist. Sollte die Finanzverwaltung trotz des BFH-Urteils an seiner Rechtsauffassung festhalten, führt die unveränderte Anwendung des PE-Erlasses von 2003 zu einem sogenannten „hinkenden Nichtanwendungserlass“. Dies schafft dann weiterhin Unsicherheit, da es keine klare Rechtsgrundlage gibt und im Einzelfall weitere Auseinandersetzungen mit den Finanzbehörden drohen, die dann gerichtlich ausgefochten werden müssen.
Das volle Potenzial für den Fondsstandort Deutschland kann sich also nur entfalten, wenn die Finanzverwaltung die BFH-Rechtsprechung konsequent umsetzt und den PE-Erlass anpasst, was zu hoffen ist. Dies gilt insbesondere vor dem oft kritisierten Umstand, dass in Deutschland zu wenig Wagniskapital zur Verfügung steht, um Innovationen zu fördern und die Zukunftsfähigkeit des Landes damit zu sichern.