Wann führt cheaten zur Urheberrechtsverletzung?

BGH zu Cheat-Software & Urheberrechten

Ist cheaten illegal? Diese Frage hat sich wahrscheinlich jeder Gamer schon einmal gestellt. Wie der BGH zur Zulässigkeit von Cheat-Software entscheidet und ob diese eine Urheberrechtsverletzung darstellt, dazu mehr in diesem Beitrag.

Veröffentlicht am: 06.03.2023
Von: Anna-Maria Blömer
Qualifikation: Wissenschaftliche Mitarbeiterin in Hamburg
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Zur Gaming-Branche gehören nicht nur die Produzenten und Entwickler von Videospielen, sondern auch die Programmierer und Vertreiber von Cheat-Software. Mit Hilfe von Cheats können Spieler den Ablauf des Videospiels beispielsweise so manipulieren, dass sie bereits zu Anfang auf Charaktere, Gegenstände oder Aktionen zugreifen können, die sie eigentlich erst im späteren Verlauf hätten freischalten müssen.

Durch das Cheaten wird jedoch in den von den Entwicklern des Spiels geplanten Ablauf eingegriffen. Können die Entwickler daher rechtlich gegen die Vertreiber der Cheat-Software vorgehen und Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung verlangen?

Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung durch Cheats?

Der japanische Elektronikkonzern Sony verklagte vor kurzem die Entwickler und Verkäufer von Cheat-Software auf Schadensersatz. Anlass dazu gab eine Cheat-Software, die speziell für ein Autorennspiel auf der PSP (Playstation Portable) entwickelt wurde. Bei Benutzung der Schummel-Software konnten Spieler zusätzliche Funktionen freischalten, die eigentlich bewusst beschränkt wurden.

So war es den Spielern z.B. möglich, den „Turbo" unbeschränkt zu nutzen oder bereits zu Beginn Fahrer auswählen zu können, die normalerweise erst ab einem bestimmten Level zur Verfügung stehen sollten. Der Fall um den Playstation-Hersteller landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 23.02.2023 – Az. I ZR 157/21).

Wurden Spiel oder Konsole durch cheaten umgearbeitet?

Die Verletzung des Urheberrechts wird von Sony damit begründet, dass durch den Eingriff der Cheat-Software die Chancengleichheit und die Vergleichbarkeit der erspielten Ergebnisse nicht mehr gewährleistet sei und aufgrund dessen der Spielspaß darunter leide.

Aus rechtlicher Perspektiver könnte hier eine Urheberrechtsverletzung gemäß § 69c Nr. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) in Betracht kommen. Demzufolge müsste das Spiel durch Verwendung der Cheat-Software „umgearbeitet“ worden sein.

Wann liegt eine „Umarbeitung“ i.S.d. Urheberrechtsgesetzes vor?

Das vorinstanzliche Gericht, das Hanseatische Oberlandesgericht, hatte im vorliegenden Fall keine Umarbeitung angenommen und die Klage zulasten von Sony zunächst abgewiesen. In der Begründung der Hamburger Richter hieß es, dass die Cheat-Software – durch eine Veränderung der im Arbeitsspeicher der Spielkonsole abgelegten Daten – zwar in den Ablauf des Spiels eingreife, nicht aber die Computerbefehle selbst manipuliere. Dementsprechend blieben der Quellcode sowie die innere Struktur des Spiels und der Konsole unberührt.

Da der Schutzgegenstand von § 69a UrhG jedoch nicht den programmgemäßen Ablauf eines Computerprogramms umfasse, könne auch nicht aufgrund dessen von einer Umarbeitung ausgegangen werden. Der BGH scheint mit dieser vorangegangenen Einschätzung der Sachlage jedoch nicht übereinzustimmen.

BGH: EuGH soll zunächst über Umarbeitung urteilen

Bevor der BGH nun sein eigenes Urteil fällt, soll zunächst der Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber entscheiden, ob Cheat-Programme zur Manipulation von Videospielen zulässig sind oder gegen europäisches Urheberrecht verstoßen. Denn eine Umarbeitung i.S.d. § 69c UrhG muss insbesondere dem Umarbeitungsbegriff der unionsrechtlichen Richtlinie 2009/24/EG entsprechen.

Es liegt jetzt also zunächst an den Luxemburger Richtern, die Frage zu klären, ob eine Umarbeitung im Sinne der Richtlinie 2009/24/EG vorliegt, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode beeinflusst und verändert wird, sondern bloß die im Arbeitsspeicher abgelegten Variablen verändert werden, die lediglich den Ablauf des Programms betreffen.

EuGH zum Rechtsschutz von Computerprogrammen

Hinsichtlich des Schutzgegenstandes der Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen hat der EuGH bereits vor einigen Jahren ein Urteil gefällt. Schon 2012 hat der EuGH geurteilt, dass die Funktionalität – damit einhergehend auch der ungestörte Programmablauf – im Rahmen der Benutzung der Software selbst, nicht in den Schutzbereich des Urheberrechts an Computerprogrammen fällt (SAS Institute Entscheidung vom 2.5.2012 – C-406/10).

Das damalige Urteil betraf allerdings den Schutzgegenstand der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen. Nicht nur die betroffene Richtlinie ist heute eine andere, sondern auch die heutige Technik ist auf dem jetzigen Stand wohl kaum noch mit der von damals zu vergleichen.

Es bleibt also abzuwarten, ob der EuGH ausgehend von seinem damaligen Urteil eine davon abweichende Entscheidung treffen wird, die der Weiterentwicklung und Komplexität der heutigen Technik geschuldet ist, oder ob er an seiner ursprünglichen Auffassung im Grundsatz festhält.