Cannabis-Legalisierung vor dem Aus?

Setzen Investoren und Startups auf ein lahmes Pferd?

Neue Gutachten stellen die Vereinbarkeit der Cannabis-Legalisierung in Deutschland mit dem Europarecht infrage - verspekulieren sich Investoren und Startups?

Veröffentlicht am: 13.09.2022
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Lesedauer:

Autorin: Fiona Schönbohm, Rechtsanwältin in Hamburg und Berlin

Die Legalisierung von Cannabis gestaltet sich - trotz großer Versprechen und ausnahmsweise Einigkeit der Ampel - weiterhin schwierig. Diverse juristische Gutachten sehen rechtliche Hürden vor allem im Europa- und Völkerrecht. Den Startup-Markt hält das bisher nicht auf. 

Ankündigung der Legalisierung in Deutschland für 2022 

Die Ankündigungen unserer Regierung, im Laufe des Jahres 2022 noch die Legalisierung von Cannabis in Deutschland auf den Weg bringen zu wollen, hat nicht nur in der Medienlandschaft hohe Wellen geschlagen.

Auch die Wirtschaft bereitet sich seitdem intensiv auf eine Legalisierung vor, denn - Schnelligkeit wird am Markt entscheidend sein. Ständig sprießen neue Startups wie Pilze aus dem Boden, die für den Fall der Legalisierung parat stehen mit Designs, Geschäftsideen und Vertriebsmodellen. 

Neue prominente Investoren für Cannabis-Startups 

Erst diese Woche verkündete nun ausgerechnet ein deutscher Rechtsanwalt, mit seinem Startup für medizinisches Cannabis einen prominenten Investor gefunden zu haben: SnoopDog und seine Investmentfirma haben ganze 13 Millionen Euro in das deutsche Startup investiert. 

Der Venture Capital Markt scheint unbeeindruckt von den immer neuen rechtlichen Hürden, die sich bei der Umsetzung des Regierungs-Herzensprojekts einstellen.

Neue Gutachten: Unvereinbarkeit mit Europarecht?

So wurde erst gestern ein weiteres Rechtsgutachten bekannt, das eine Vereinbarkeit der deutschen Legalisierung mit dem Europa- und Völkerrecht anzweifelt. Hinter den diversen Gutachten, die nun vermehrt eingeeholt werden, steht eine Initiative der Oppositionspartei CDU/CSU, die sich gegen die Legalisierung von Cannabis nunmehr vermehrt stark macht. 

Bundestagsabgeordneter Pilsinger (CSU) hat gleich drei Gutachten vorzulegen: Eine zur Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht (WD 2 - 3000 - 057/22), eine weitere zu den "Vorgaben des Europäischen Unionsrechts im Hinblick auf eine mitgliedstaatliche Legalisierung von Cannabis" (PE 6 - 3000 - 043/22) sowie eine Ausarbeitung zum "Umgang mit Cannabis in den Niederlanden" (WD 9 - 3000 - 1022/22).

Europarechtliche Vorgaben in Bezug auf die Cannabis-Legalisierung 

Tatsächlich sind die Vorgaben des Unionsrechts aus den europäischen Unionsverträgen sowie dem unionsrechtlichen Sekundärrecht (Richtlinien, Verordnungen) zum Umgang und Vertrieb von Cannabis denkbar vage und bedürfen, wie immer, der Interpretation. 

So trifft gemäß EU-Rahmenbeschluss 2004/757/JI jeden Staat grundsätzlich die Pflicht, das Herstellen, Verkaufen und Liefern von Suchtstoffen gleich zu welchen Bedingungen unter Strafe zu stellen. Dazu zählt auch Cannabis. Es gibt indes eine entscheidende Ausnahme im Rahmenbeschluss: Die Pflicht gilt eben nur, wenn die erwähnten Handlungen "ohne entsprechende Berechtigung" vorgenommen werden. Hier könnte eine deutsche Legalisierung ansetzen. 

Auch im Durchführungsübereinkommen zum berühmten Schengen-Protokoll verpflichtet sich Deutschland, "alle notwendigen Maßnahmen in Bezug auf Cannabis und den Besitz dieser Stoffe zum Zwecke der Abgabe oder Ausfuhr unter Berücksichtigung der bestehenden Übereinkommen der Vereinten Nationen zu treffen, die zur Unterbindung des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln erforderlich sind". Auch hier gilt aber: nur der unerlaubte Handel soll unterbunden werden. In dieser Art sin schließlich alle von der Union genannten Vorgaben gefasst. 

Eine entsprechende Unterscheidung findet sich auch im Völkerrecht - wo in vielen Staaten der Welt (Kanada, USA, ...) ja auch eine entsprechende Auslegung bereits vorgenommen wurde: Dort ist die Legalisierung problemlos durchgeführt worden. So enthalten sich denn auch alle drei Gutachten letztlich, ob eine Legalisierung gelingen kann, sondern stellen nur rechtliche Hürden dar. 

Pflicht zur Unterbindung von Drogentourismus 

Schließlich ergebe sich aus einer Entschließung des EU-Rates aus dem Jahr 1996, so die Bundestagsjuristen, auch die Pflicht zur Bekämpfung des Drogentourismus innerhalb der EU. Hier zieht das Gutachen viele Vergleiche zu den Niederlanden und nimmt sie als schlechtes Beispiel für die Erbringung der unionsrechtlichen Pflichten. 

Nicht zuletzt auch innenpolitisch gefordert würden wohl tatsächlich jedenfalls einige Maßnahmen, um den Drogentourismus ins Land im Falle einer Legalisierung zu verhindern - und auch den illegalen Kauf und Vertrieb ins restliche EU-Ausland. 

Fazit: Was bedeutet das für die Legalisierungs-Pläne? 

Die Gutachten des Bundestages sind also mit Nichten, wie dies Unionspolitiker derzeit darstellen lassen, ein "Aus" für die Pläne der Bundesregierung zur Legalisierung. Es gibt europarechtliche Hürden, deren Überwindung klugerweise die Union und deren Politiker und Richter einbeziehen sollte. Ein deutscher Alleingang zur Verärgerung der Nachbarstaaten wäre möglicherweise rechtlich denkbar, aber dem derzeit fraglien politischen Frieden in der EU sicherlich abträglich.

Für Investoren und Startups in Deutschland, die auf die Cannabis-Legalisierung setzen, bleibt die Investition dennoch zu einem gewissen Grad risikobehaftet. Es wäre indes nicht die erste Investition dieser Art, bei denen Risiko - aber auch möglicher Gewinn - eher einem Pokerspiel gleichen.