Bundesgerichtshof zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit
Verletzung des rechtlichen Gehörs bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit einer insolventen GmbH
Verletzung des rechtlichen Gehörs bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit einer insolventen GmbH
Ein Beitrag von Dr. Jens Nyenhuis, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Der Bundesgerichtshof hat am 21.05.2019 eine Entscheidung zur Haftung eines Geschäftsführers wegen Zahlungen nach Eintritt einer Insolvenzreife getroffen (BGH, Urteil v. 21.05.2019 - II ZR 337/17). Der Geschäftsführer wurde in der vorherigen Instanz noch zum Ersatz dieser Zahlung an den Insolvenzverwalter verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hat die Angelegenheit an die vorherige Instanz wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs zurückverwiesen. Hintergrund hierfür waren nicht ausreichend beachtete Einwände des Geschäftsführers gegen das Vorliegen der angenommenen Zahlungsfähigkeit des schuldnerischen Unternehmens.
Rechtlicher Hintergrund der Entscheidung
Nach den Regelungen der Insolvenzordnung besteht die Verpflichtung von Geschäftsführern einer GmbH, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen.
Eine Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die GmbH nicht in der Lage ist, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen. Die Rechtsprechung hat in verschiedenen Entscheidungen den Begriff der Zahlungsunfähigkeit weiter konkretisiert. Unter Berücksichtigung dieser weiteren Kriterien kann eine Zahlungsunfähigkeit nur dann angenommen werden, wenn die GmbH nicht in der Lage ist, die fälligen und ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen soweit zu zurückzuführen, dass eine Deckungslücke von maximal 10% verbleibt.
Kommt der GmbH-Geschäftsführer der Pflicht zur Insolvenzantragsstellung nicht oder nicht rechtzeitig nach, drohen ihm umfangreiche Haftungsgefahren. Ein ganz wesentlicher Aspekt dieser Haftungsgefahren stellt die sogenannte Masseschmälerung dar. Danach haftet der Geschäftsführer persönlich für jede einzelne Zahlung der Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife. Gehaftet wird ebenfalls für Zahlungseingänge auf debitorischen Bankkonten. Es handelt sich um eine äußerst scharfe Haftung, weil es zahlreiche Beweiserleichterungen für den Insolvenzverwalter gibt und grundsätzlich jede einzelne Zahlung berücksichtigt wird mit der Folge, dass sich auch über kürzere Zeiträume schon hohe Haftungssummen ergeben können.
Entscheidung des Bundesgerichtshofes
Der Bundesgerichtshof hatte in seiner Entscheidung vom 21.05.2019 über die Darlegung einer Zahlungsunfähigkeit zu befinden.
Der klagende Insolvenzverwalter der GmbH hat von dem beklagten Geschäftsführer Zahlungen in Höhe von insgesamt € 195.717,53 verlangt. Hintergrund waren entsprechende Zahlungen der GmbH an verschiedene Gläubiger in der Zeit von 1. Januar 2010 bis zum 25. März 2010. Das Berufungsgericht war davon ausgegangen, dass die Schuldnerin bereits seit dem 29. November 2009 zahlungsunfähig war und hat den Geschäftsführer dementsprechend antragsgemäß verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hat an die Angelegenheit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil das rechtliche Gehör des Geschäftsführers verletzt wurde. Der beklagte Geschäftsführer hatte sich mit substanziellem Vortrag bereits in der Berufung damit verteidigt, dass bestimmte für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit unter Umständen relevante Verbindlichkeiten noch nicht fällig gewesen seien.
Das durch das Grundgesetz geschützte Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nach Auffassung des Bundesgerichtshofes, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Wird auf wesentliche Ausführungen einer Partei zu einer Frage nicht eingegangen, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung sind, so lässt dies – so der Bundesgerichtshof – auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war. Diese Voraussetzungen für eine Verstoß gegen das rechtliche Gehör sah der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung als erfüllt an.
Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zeigt, dass es aus Sicht beklagter Geschäftsführer durchaus lohnen kann, substanziellen Sachvortrag zu den Voraussetzungen einer von dem Insolvenzverwalter behaupteten Insolvenzreife zu liefern. In der Praxis wird entsprechender Sachvortrag nicht immer hinreichend gewürdigt mit der Folge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Der Bundesgerichtshof hat ergänzend auf die hohen Anforderungen für solche Zahlungen hingewiesen, die keine Haftung des Geschäftsführers auslösen. Das GmbH-Gesetz enthält eine entsprechende Haftungsprivilegierung nur für solche Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vereinbar sind. Diese Ausnahmeregelung greift nach Auffassung des Bundesgerichtshofes jedoch allenfalls, soweit ausnahmsweise eine konkrete Chance auf Sanierung und Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte gemacht werden würde. Nicht ausreichend ist insofern der Hinweis auf die aus den Bilanzen ersichtliche positive wirtschaftliche Entwicklung der GmbH.