Anforderungen an den schriftlichen Gewerbemietvertrag

Keine Liberalisierung der Schriftform

Veröffentlicht am: 29.03.2021
Qualifikation: Rechtsanwalt & Fachanwalt für IT-Recht in Hamburg
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Vor etwa einem Jahre hatten wir hoffnungsvoll berichtet, dass eine gesetzliche Entschärfung der zuweilen kaum nachvollziehbaren Rechtsprechung zur vorzeitigen Kündigung von Gewerbemietverträgen aufgrund von Schriftformverstößen in Aussicht stehe.

So hatte auch das OLG Brandenburg wieder in Sachen Schriftform zu tun, es ging um einen Nachtrag zu einem Gewerbemietvertrag. Die Entscheidung führt lehrbuchartig durch die Grundlagen der Schriftform im Gewerbemietrecht.

BGH will alles in einer Urkunde

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erfordert § 550 BGB, dass sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere den Mietgegenstand, die Miethöhe sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses - aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Dies wäre dann z.B. ein zu einer Art Buch gebundener Mietvertrag.

In der Praxis wird aber häufig nicht ein „Buch“ gebunden, sondern es wir mit der Verweistechnik gearbeitet. Dies bestätigte auch das OLG Brandenburg: Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser "verstreuten" Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss. Ergibt sich der Zusammenhang mehrerer Schriftstücke aus einer Bezugnahme, ist es erforderlich, dass vom aktuellen Vertrag auf den Ausgangsvertrag und auf alle ergänzenden Urkunden verwiesen ist, mit denen die der Schriftform unterliegenden vertraglichen Vereinbarungen vollständig erfasst sind. Treffen die Mietvertragsparteien nachträglich eine Vereinbarung, mit der wesentliche Vertragsbestandteile geändert werden sollen, muss diese zur Erhaltung der Schriftform des § 550 Satz 1 BGB also hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nehmen, die geänderten Regelungen aufführen und erkennen lassen, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrages verbleiben soll. Dies ist auch bekannt unter dem Schlagwort „Auflockerungsrechtsprechung“, da das strenge Erfordernis einer Urkunde aufgelockert wird.

Worin lag der Schriftformmangel hier?

Bereits der Ausgangsvertrag enthielt einen Verstoß gegen das Schriftformgebot, da in ihm das Mietobjekt nicht hinreichend bestimmt worden ist. Diesem war nicht zu entnehmen, welche Fläche genau an die Untermieterin vermietet werden sollte. Es war nur die Rede von einer Fläche von 75 qm. Wo im Objekt diese gelegen sein sollte, war unklar, zumal seinerzeit die Raumaufteilung noch nicht abschließend festgelegt war. Dieser Ursprungsmangel konnte jedoch durch einen späteren Nachtrag geheilt werden.

Diese Heilung galt aber nicht für die weitere Vereinbarung mit der hier betroffenen Konkurrenzschutzklausel (die natürlich eine wesentliche Vereinbarung ist), auf die keiner der Nachtragsverträge Bezug nimmt. Diese - einen befristeten Gewerbemietvertrag betreffende - Nachtragsvereinbarung wurde ebenfalls unter Verstoß gegen die Schriftformklausel getroffen, was zur Folge hat, dass der gesamte Vertrag als unbefristeter Vertrag anzusehen ist.

Zwar befanden sich auf den drei vorgelegten Seiten der Nachtragsvereinbarung die Kürzel beider Vertragsparteien und haben die Parteien die letzte Seite, auf der sich die Konkurrenzschutzklausel befindet, unterschrieben. Es fehlt aber bereits an einer fortlaufenden Paginierung der Vereinbarung. Es gab weder einen fortlaufenden Fließtext noch eine fortlaufende Nummerierung. Auch die Schriftart war uneinheitlich. Angesichts dessen könne ein fremder Dritter nicht ohne Zweifel sicher sein, dass die Seite drei tatsächlich zur ursprünglichen Vereinbarung gehört, ob noch weitere, nicht vorgelegte Seiten zu dieser Vereinbarung gehören, oder ob eine andere dritte Seite mit Seitenzahl und gleichem Schriftbild wie die vorangehenden existieren.

Geld gespart und doch teuer bezahlt

Hier zeigt sich geradezu exemplarisch, was täglich bei kleineren und mittleren Unternehmen passiert: Man schließt „selbstgemachte“ Mietverträge, da dies ja einfach sei und man sich die Anwaltskosten doch sparen könne. Das geht sicherlich auch oft gut; doch wenn es kracht, dann richtig. Hier ging es über 2 Instanzen, was sicherlich zu 5stelligen Anwaltskosten geführt hat. Ein schmaler Nachtrag wäre deutlich günstiger bekommen zu gewesen.