Alpha Industrie kündigt Vertriebspartnern

Kündigungsgrund: selektives Vertriebssystem

Es gibt gute Gründe, die für die Unwirksamkeit der Kündigung des Vertriebsvertrags sprechen.

Veröffentlicht am: 20.08.2024
Qualifikation: Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
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Die Alpha Industries GmbH und Co. KG, welche in Deutschland den Vertrieb von Produkten der Marke „Alpha Industries“ verantwortet, hat vor Kurzem einen Strategiewechsel vollzogen und beliefert zukünftig keine (kleineren) Abnehmer mehr. Vielmehr scheint sie den Verkauf ihrer Waren selbst vornehmen zu wollen, um dadurch höhere Gewinne zu erzielen. Die Auswirkung dessen bekommen zunehmen die gewerblichen Abnehmer zu spüren, denen reihenweise die Vertragsbeziehungen gekündigt werden, welche teilweise bereits seit vielen Jahrzehnten erfolgreich bestehen.

Kündigungen möglicherweise unwirksam

Die uns bisher bekannten Fälle zeigen dabei, dass die Alpha Industries GmbH und Co. KG zum einen erheblichen Druck auf die gekündigten Abnehmer ausübt, um etwaige Gegenwehr bereits im Keim zu ersticken. Zum anderen werden die Vertragskündigungen in einer rechtlich nicht haltbaren Art und Weise ausgesprochen, sodass diese derart oftmals keinen Bestand haben dürften.

Im Jahr 2023 erstellte die Alpha Industries GmbH und Co. KG neue Vertriebsrichtlinien und versuchte, ein sogenanntes selektives Vertriebssystem aufzubauen. Unter einem solchen sollen die Abnehmer gezwungen werden, nur über bestimmte Vertriebswege die „Alpha Industries“-Produkte abzusetzen. Verkäufe etwa über Plattformen wie amazon.de, ebay.de oder otto.de sollen grundsätzlich verboten sein. Sollten Abnehmer trotz allem über diese Kanäle verkaufen, begründet die Alpha Industries GmbH und Co. KG die Kündigung des bestehenden Vertrags damit.

Selektives Vertriebssystem oft problematisch

Nun ist jedoch der Aufbau eines selektiven Vertriebssystems an strenge Voraussetzungen gebunden und wird von den Gerichten nur in seltenen Fällen genehmigt. Man denke etwa an den Vertrieb von Luxusmarken, welche zu erheblichen Preisen in vornehmen stationären Geschäften verkauft werden, von geschultem Personal. Es ist nachvollziehbar, dass bei solchen Produkten der Exklusivität ein erheblicher Stellenwert zukommt und diese nicht, etwa neben vielen Billigprodukten, auf „Allerwelts“-Plattformen feilgeboten werden sollen. Die Beschränkung auf bestimmte, vorgegebene Vertriebswege kann hier also zulässig sein.

Nun stellt sich jedoch die Frage, welchen Grund die Alpha Industries GmbH und Co. KG für die Einführung eines solchen selektiven Vertriebssystems anführen kann. Offen gestanden: Uns ist keiner eingefallen. Zumal sich herausstellte, dass die Alpha Industries GmbH und Co. KG ihre Produkte scheinbar selbst an/über eben solche Plattformen verkauft, deren Nutzung sie ihren Abnehmern verbieten möchte. Die strengen Voraussetzungen an das Etablieren eines selektiven Vertriebssystems dürfte die Gesellschaft nicht erfüllen.

Hinzu kommt dabei, dass vielen Händlern diese neuen Vertriebsrichtlinien gar nicht (formgerecht) zugegangen sind oder aber diesen nicht zugestimmt wurde. Was weitere Zweifel an der Wirksamkeit dieser Richtlinien aufkommen lässt.

Quasi fristlose Kündigung

Weiterhin haben wir festgestellt, dass die Alpha Industries GmbH und Co. KG ihren Abnehmern kündigt, ohne ein konkretes Datum für das Ende der Geschäftsbeziehungen zu nennen, gleichzeitig aber die die Möglichkeit der weiteren Bestellung von Waren ausschließt. Dies kommt einer fristlosen, also einer sofortigen Kündigung gleich. Eine fristlose Kündigung ist jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen möglich und diese sind in den uns vorliegenden Fällen nicht gegeben. Selbst die Alpha Industries GmbH und Co. KG scheint solche nicht zu sehen, hätte sie diese doch anderenfalls angegeben. Dann allerdings kann lediglich eine ordentliche Kündigung des Vertriebsvertrags vorliegen. Diese jedoch ist mit langen Fristen und bestimmten Kündigungsterminen versehen, was dazu führt, dass das Vertragsverhältnis oft noch weit in das Jahr 2025 hinein fortbesteht. Mit all den vertraglichen Rechten für die Händler, was insbesondere zum (Nach)Bestellen von Waren der Marke „Alpha Industries“ berechtigt. Dass also Händler-Accounts mit sofortiger Wirkung abgeschaltet oder Ankündigungen getätigt werden, wonach ab sofort keine Ware geordert werden kann, dürfte in den meisten Fällen rechtlich nicht haltbar und somit angreifbar sein.

Was können Vertriebspartner der Alpha Industries gegen die Kündigung tun?

Es zeigt sich, dass sich die Alpha Industries GmbH und Co. KG mit allen Mitteln schnellstmöglich von ihren altbewährten Händlern trennen möchte. Jene, die teilweise seit Jahrzehnten für den Erfolg der Marke mitverantwortlich sind. Mittel der Wahl scheint dabei zu sein, die Gutgläubigkeit der Abnehmer auszunutzen und darauf zu hoffen, dass diese die vorgebrachten Argumente der Gesellschaft nicht hinterfragen oder sich gar dagegen zur Wehr setzen. Wie unsere Arbeit an solchen Fällen jedoch zeigt, ist ein Hinterfragen der Maßnahmen der Alpha Industries GmbH und Co. KG durchaus sinnvoll und juristische Maßnahmen gegen dieses Vorgehen sind erfolgsversprechend. Denn das rigorose Vorgehen der Gesellschaft scheint weder vertraglich noch gesetzlich auf allzu sicheren Füßen zu stehen. Womit gute Aussichten bestehen, dass gesperrte Händler-Accounts wieder freigeschaltet werden müssen und die Abnehmer zumindest noch ein weiteres Jahr Waren der Marken „Alpha Industries“ beziehen können. Und nicht von einer sofortigen Kündigung überrumpelt werden, was zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen kann. Sondern sich vielmehr längerfristig auf ein Ende der Geschäftsbeziehungen einstellen und damit Alternativen für ihren Warenbestand ohne den erheblichen wirtschaftlichen und zeitlichen Druck suchen können.

Wenn Sie Vertriebspartner der Alpha Industries sind und Ihr Vertriebsvertrag gekündigt wurde, kontaktieren Sie gerne einen unserer Experten für Vertriebsrecht für eine Einschätzung, Beratung und Vertretung.