Aber das ist doch sittenwidrig!

Die verbotene Untervermietung einer Gewerbeimmobilie und ihre schweren Folgen

Veröffentlicht am: 13.08.2019
Qualifikation: Rechtsanwalt & Fachanwalt für IT-Recht in Hamburg
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Im Geschäftsverkehr kann es schon einmal etwas rauer zugehen. So ist es im Äußerungsrecht zulässig, sich im Kampf ums Recht vor Gericht sehr grob, im Prinzip schon beleidigend, zu äußern, da es ja im Prozess „um etwas geht“. Oft verfolgen die Parteien Sekundärziele, sind also ganz froh darüber, dass Ihre rechtliche Maßnahme und die resultierenden Kosten dem Gegner „zusetzen“. Das alles muss man aushalten und mit prozessual erlaubten Mitteln dagegen halten. Was aber, wenn der Gegner trotz einer gegen ihn ergangenen gerichtlichen Entscheidung sich nicht fügt und darüber hinaus planmäßig versucht, seinem Gläubiger zu schaden? In solchen Fällen kann ausnahmsweise einmal über einen Verstoß gegen die „guten Sitten“ diskutiert und über die persönliche Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Geschäftspartner diskutiert werden. Einen solchen Fall hatte kürzlich das Oberlandesgericht München (OLG München (32. Zivilsenat), Teilurteil vom 02.05.2019 - 32 U 1436/18) zu entscheiden.

Untervermietung der Gewerbeimmobilie trotz ergangenen Räumungsurteils

Es ging um einen Gewerbemietvertrag. Der Vermieter hatte der Mieterin, einer GmbH, aus wichtigem Grund gekündigt und gegen die Mieterin auch einen Vollstreckungstitel erlangt. Als der Vermieter räumen wollte, musste er feststellen, dass der Vermieter in der Zwischenzeit an einen Untervermieter vermietet hatte. Zum Zeitpunkt der Untervermietung war der Räumungstitel noch nicht rechtskräftig, eine Berufung der Mieterin war noch rechtshängig. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Vermieter dann auch den Untermieter aus dem Gebäude herausbekam. Der Vermieter forderte Schadenersatz in Höhe der entgangenen Mieten. Dabei verklagte er nicht nur seine Mieterin, sondern gleichzeitig deren Geschäftsführer, der übrigens Gesellschafter der mietenden GmbH war.

Haftung des Geschäftsführer wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Das OLG München kannte keine Gnade. Der Geschäftsführer der Mieterin wurde verurteilt, über EUR 130.000,00 an Schadenersatz an den Vermieter zu zahlen.

Die vertragswidrige Untervermietung im laufenden Mietverhältnis sei grundsätzlich noch nicht verwerflich. Sittenwidrig sei eine Untervermietung erst dann, wenn sie erfolge, um die Vollstreckung aus einem Räumungsurteil zu verhindern oder zu verzögern. Dies sei kein formal legales Verhalten des Mieters als Schuldner. Vielmehr missbrauche der Mieter seine formale Stellung als Besitzer der Mietsache, um die rechtmäßige Ausübung der von dem Gegner im Prozess erworbenen Rechtsposition zu verhindern. Nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral sei es zulässig, über das Vorliegen von Minderungsgründen und die Berechtigung von Kündigungen zu streiten. Es sei nach diesen Maßstäben aber nicht mehr zulässig, das in einem Prozess erzielte Ergebnis durch den Missbrauch einer noch vorhandenen formalen Stellung zu konterkarieren, so das Gericht. Hier habe der Mieter wissentlich entgegen der aussichtlosen Prozesslage die Räumung torpediert und dadurch den Vermieter vorsätzlich geschädigt.

Das Gerichte begründete den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht groß. Auch wenn das Verhalten des Mieters alles andere als in Ordnung war, stellt sich die Frage, ob das Gericht hier nicht über das Ziel hinausgeschossen ist. Die „Sittenwidrigkeit“ soll Extremfälle erfassen, nicht jedes besonders rücksichtsloses Verhalten soll gleich als sittenwidrig anzusehen sein. Dahinter steckt der Gedanke, dass das Konzept der Sittenwidrigkeit extrem vage ist. Wie will man trennscharf feststellen, wann eine Handlung „gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstößt oder „der allgemeinen Geschäftsmoral“ widersprechen? Es mag hier ein Motiv des Gerichts gewesen sein, dem geschädigten Vermieter zu einem weiteren Schuldner zu verhelfen, für den Fall, dass der Vermieter seinen Schadenersatzanspruch nicht bei der Mieter-GmbH realisieren kann.

Haftung des Geschäftsführers aus Garantenstellung

Das Gericht stützte sein Urteil auf eine weitere Haftungsgrundlage. Hier bejahte das Gericht eine sog. Garantenhaftung, vereinfacht gesagt habe der Geschäftsführer hier seine Pflicht verletzt, darüber zu wachen, dass das der Mieterin anvertraute Grundstück / dessen wirtschaftliche Verwertung nach Ende des Mietverhältnisses nicht beschädigt werde.

Besser über die Folgen nachdenken

Die Entscheidung hat in sehr deutlichen Worten ein bekanntes Phänomen bei Räumungsstreitigkeiten adressiert. Mit Blick auf die potentiell verheerende persönliche Haftung des Geschäftsführers wird das Urteil wohl abschreckend auf untervermietungswillige Mieter wirken.

Vermieter können solche Szenarien zumindest einhegen, in dem Sie sich bei Übergabe eine notarielle Räumungsunterwerfungserklärung aushändigen lassen. Je nach Verhandlungsmacht kann dieses Verlangen aber nicht durchsetzbar sein.

Zuletzt zur Mieterseite: gut beraten ist der Geschäftsführer, der in der Hitze des Gefechts nicht vergisst, dass vermeintlich schlaue Winkelzüge in letzter Konsequenz zu Schäden für das eigene Unternehmen und sogar zur persönlichen Haftung und Verlust des Arbeitsplatzes führen können. Der vorliegende Fall bezieht sich auf einen gewerblichen Mietvertrag, die Botschaft kann jedoch auf beliebige andere Vertragsarten angewandt werden. Sobald der Geschäftsführer fahrlässig Eigentum oder andere Rechtspositionen Dritter verletzt oder dies geschehen lässt, kommt grundsätzlich eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für alle entstehenden Schäden in Betracht.