Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds

Wann wird ein Fehlverhalten relevant?

Nach obergerichtlicher Rechtsprechung sind Gründe für die Abberufung eines Aufsichtsrats auch außerhalb des Mandats möglich, wenn eine hinreichende Verknüpfung zur Gesellschaft besteht.

Veröffentlicht am: 12.03.2024
Qualifikation: Rechtsanwältin, Corporate Litigation
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Das OLG Karlsruhe hat sich im Beschluss vom 01.03.2022, Az. 1 W 85/21 mit der Frage der verhaltensbedingten Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds beschäftigt. Es hat entschieden, dass es nicht erforderlich sei, dass das vorwerfbare Verhalten im Rahmen des Aufsichtsmandats geschieht. Vielmehr sei es ausreichend, wenn das Verhalten in sonstiger erkennbarer Verbindung zur Gesellschaft steht und sich auf diese auswirkt.

Wenn das Aufsichtsratsmitglied Urlaub macht…

In dem Fall vor dem OLG Karlsruhe handelte es sich um einen Arbeitnehmer, der aufgrund seiner Funktion als Gewerkschaftsvertreter Teil des Aufsichtsrates geworden war.

Aufgrund verschiedener Whistleblower-Meldungen wurde dem Aufsichtsratsmitglied gegenüber der Vorwurf erhoben, er habe mehrfach Urlaub gemacht, ohne dies im Vorhinein ordnungsgemäß beantragt zu haben. Die Gesellschaft forderte ihn daraufhin auf, die Korrektheit seiner Urlaubsliste zu bestätigen. Er manipulierte am selben Tag die entsprechenden E-Mails und löschte andere maßgebliche E-Mails. Dies gestand er gegenüber der Gesellschaft. Das Arbeitsverhältnis wurde daraufhin außerordentlich gekündigt. Der Aufsichtsrat nahm das auch zum Anlass, die Abberufung als Aufsichtsratsmitglied aus wichtigem, in dem Verhalten liegenden Grund zu beantragen. Das Registergericht gab dem Antrag statt. Das betroffene Aufsichtsratsmitglied wehrte sich hiergegen erfolglos mit einer sofortigen Beschwerde.

Das Prozedere der Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern

Ein Aufsichtsratsmitglied kann abberufen werden. Die Abberufung kann für alle Mitglieder aus wichtigem Grund erfolgen (§ 103 Abs. 3 AktG). Dazu ist ein einstimmiger Beschluss des Aufsichtsrates ohne die Stimmbeteiligung des betroffenen Mitgliedes und eine Entscheidung des Registergerichts notwendig. Parallel dazu können Mitglieder, die von der Hauptversammlung frei, also ohne Bindung an einen Wahlvorschlag, gewählt wurden, durch Beschluss abberufen werden (§ 103 Abs. 1 AktG). Die Abberufung von Arbeitnehmern erfolgt durch das Gremium, welches sie gewählt hat (§ 103 Abs. 4 AktG, § 23 MitBestG, § 12 DrittebG).

Wichtiger Grund für die Abberufung

Ein die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds tragender wichtiger Grund in seiner Person gemäß § 103 Abs. 3 AktG ist regelmäßig gegeben, wenn ein Verbleiben des Mitgliedes im Aufsichtsrat bis zum Ablauf seiner Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates durch den weiteren Verbleib in der Stellung nicht nur unerheblich beeinträchtigt würde. Es handelt sich lediglich um ein Nebenamt, weswegen das Interesse an der Amtserhaltung unterzuordnen ist.

In erster Linie führt die Verletzung von Organpflichten zu einem relevanten Fehlverhalten. Darüber hinaus hat das OLG jetzt entschieden, dass ein relevantes Fehlverhalten auch in einem sonstigen Verhalten liegen kann, sofern dies nachteilige Auswirkungen auf die Gesellschaft oder deren Reputation habe. Reputationsschäden können beispielsweise bei einem ethisch-moralischen Fehlverhalten des Mitglieds angenommen werden. Das Mitglied im konkreten Fall lege durch das wiederholte Nehmen von nicht beantragtem Urlaub und der Manipulation und Löschung von Dateien ein nicht tolerierbares Verhalten an den Tag, welches der Gesellschaftsreputation schade und eine Abberufung rechtfertige.

Tipp für die Aufsichtsratspraxis

Aus der Entscheidung wird deutlich, dass die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds nicht nur aufgrund von Fehlverhalten in dieser Funktion, sondern darüber hinaus auch auf einem Fehlverhalten beruhen kann, welches nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der aufsichtsrätlichen Tätigkeit steht. Das kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn das Mitglied zugleich als Arbeitnehmer tätig ist und nur wegen seiner Gewerkschaftstätigkeit einen Platz im Aufsichtsrat erhielt. Durch eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses entfällt das Aufsichtsratsmandat nämlich nicht zugleich.

Weitere Hintergrundinformationen zum Thema Aufsichtsrat finden Sie hier: Aufsichtsrat der AG