Krisentrend Venture Debt

Neue Wege bei der Startup-Finanzierung

Regressions- und Kriegsangst stören die etablierten Finanzierungswege von jungen Wachstumsunternehmen. Immer mehr Startups setzen auf Venture Debt und werten das neue Risikokapital auf.

Veröffentlicht am: 25.10.2022
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Hamburg
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Monate nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, der am 24. Februar 2022 begann, wächst die Angst vor hohen Energiekosten. Nun wird sichtbar, dass sich die Parameter auch bei der Unternehmensfinanzierung von jungen innovativen Unternehmen ändern.

Klassischerweise finanzieren sich Startups in Europa und Deutschland nahezu immer über Eigenkapitalinvestments. Business Angels, Finanzinvestoren und strategische Investoren stellen dem Unternehmen Eigenkapital zur Verfügung, um schnelles Wachstum zu ermöglichen. Fremdkapital in Form von im Mittelstand gängigen Bankkrediten erhalten die Startups nicht, da ihre unternehmerische Wette für die Banken zu risikoreich ist.

Finanzierungsrunden und Unternehmensbewertung

Die Startups nehmen seit jeher das überlebenswichtige Eigenkapital in sogenannten Finanzierungsrunden auf. Vor jeder Finanzierungsrunde wird das Jungunternehmen bewertet und auf dieser Basis mit neuem Kapital versorgt. Manche Startups benötigen fünf und mehr Finanzierungsrunden bevor sie ihren angestrebten Exit erreichen.

Bei erfolgreichen Startups wächst in normalen Zeiten die Pre Money-Unternehmensbewertung von Finanzierungsrunde zu Finanzierungsrunde. Professionell geführte Startups bringen es vor einem Exit auf eine milliardenschwere Bewertung. Die mit über eine Milliarde US-Dollar bewerteten Jungunternehmen werden Unicorns (Einhörner) genannt. In Deutschland schafften es in diesen magischen Club zum Beispiel Celonis, Wefox und N26.

Keinen Bock auf Down Rounds“ – schlechte Unternehmensbewertung

Aktuell nehmen aber die Erfolgsmeldungen von atemberaubenden VC-Deals rapide ab. Die in normalen Zeiten erreichten Unternehmenswerte werden aktuell durch das Marktumfeld verhindert. Inflation und Krieg in der Ukraine hinterlassen auch bei der VC-Finanzierung ihre Spuren. Der Grundsatz „It’s all about people“ gilt in den noch stattfindenden Finanzierungsrunden nur eingeschränkt.

Was passiert nun aber, wenn die Kapitalpolster von Startups aufgebraucht sind und das nötige Kapital nicht aus dem laufenden Geschäft erwirtschaftet werden kann? Ganz einfach: es kommt bei der nächsten erforderlichen Finanzierungsrunde zu einer Down Round. Davon wird gesprochen, wenn die Unternehmensbewertung in der anstehenden Finanzierungsrunde niedriger ist als die vorangehende Finanzierungsrunde. Dies führt zu einer Verschlechterung des Imagesdes Unternehmens.

Folgen von schlechten Finanzierungsrunden: Verwässerung der Beteiligungen

Wenn neue Investoren zu einem niedrigen Preis ins Startup einsteigen, werden zwangsläufig auch die Beteiligungen der Gründer und Altgesellschafter verwässert.

Es gibt zwar regelmäßig Down Round-Schutzregelungen, die einzelne Investoren vor der Verwässerung schützen. Die Zeche muss aber immer von einzelnen Gesellschaftern gezahlt werden. Unabhängig von komplexen Beteiligungsverträgen hat kein Investor und Gesellschafter Bock auf Down Rounds – so hört man es im Markt.

Neue Entwicklungen in der Startup-Finanzierung durch Venture Debt

Im bestehenden Marktumfeld ist zu beobachten, dass reifere Startups zunehmend auf Finanzierungsrunden mit Down Rounds verzichten, wenn sie auf die Karte Venture Debt setzen können. Bezahlt wird der Kredit der Förderinstitute und privaten Venture Debt-Geber mit höheren Zinsen, verschiedenen Gebühren und erfolgsbasierten Komponenten. Das Startup erkauft sich aber mit dem Venture Debt-Kredit Zeit, um sein Geschäftsmodell weiterzuentwickeln.

Bei der Wagnisfinanzierung heißt es aber nicht entweder Venture Capital (Eigenkapital) oder Venture Debt (Fremdkapital). Vielmehr unterstützt das Venture Debt in Krisenzeiten die Eigenkapitalfinanzierung durch VC-Investoren. Venture Debt-Kredit heißt konkret: mehr wertvolle Zeit zwischen den Finanzierungsrunden und mehr Raum für weiteres Wachstum. Mit dem angestrebten Kunden- und Umsatzwachstum geht es dann – hoffentlich in einem verbesserten Marktumfeld – in die neue Finanzierungsrunde mit einer hohen Unternehmensbewertung.

Finanzierungsalternative für Startups: Venture Debt

Anders als klassische Banken verlangen die Venture Debt-Geber grundsätzlich keinen positiven EBITDA und Cashflow oder gar Sicherheiten. Umso wichtiger ist ein überzeugendes Geschäftsmodell des Startups und ein starkes Umsatzwachstum. Venture Debt hat als Risikokapital in der Vorkrisenzeit in Deutschland eher ein stiefmütterliches Dasein gefristet. Für weiterentwickelte Startups, die ihre Seed- und Early Stage-Finanzierungsrunden hinter sich haben, stellt es zunehmend eine echte Finanzierungsalternative bei der Suche nach Risikokapital dar.