Sample oder „Pastiche“?
Urheberrechtsstreit um 2 Sekunden Tonfolge
Auslegung des Begriffs "Pastiche" entscheidet über Schadensersatz und Urheberrechtsverletzung an Musikstück. Der Europäische Gerichtshof soll den fragwürdigen Begriff zunächst auslegen.
Man mag es kaum glauben, aber der Streit um das Urheberrecht an einer nur zwei Sekunden langen Tonfolge geht nach 20 Jahren wieder einmal in die nächste Runde… Vor 20 Jahren fiel das erste Urteil im Streit zwischen den Vorreitern des Elektropops „Kraftwerk“ und dem Musikproduzenten Moses Pelham. Alle Beteiligten wollen den Fall um die Musik-Urheberrechte auf Vorschlag des Bundesgerichtshofs (BGH) ein weiteres Mal an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiterreichen. Warum?
Seit 20 Jahren Streit um Urheberrechte an Rhythmus
Das Verfahren um die Musik Urheberrechte an der zwei Sekunden langen Tonfolge wirft grundlegende Fragen zum Verhältnis zwischen Kunstfreiheit und Urheberrechten auf. Konkret geht es um einen Rhythmus aus dem Lied von Kraftwerk „Metall auf Metall“ (1977). Pelham soll diesen Rhythmus – 20 Jahre später – in leicht verlangsamter Form als Endlosschleife unter den Song „Nur mir“ von Rapperin Sabrina Setlur gelegt haben.
Grundsätzlich stellt so eine musikalische Interpretation eines bekannten Rhythmus in einem neuen Kontext ein „Sampling“ dar. Ein solches ist in der Rap- und Hip-Hop-Szene auch gängig. Problematisch war in diesem Fall allerdings, dass Pelham nicht um Erlaubnis gefragt hatte, die Rhythmus-Folge nutzen zu dürfen…
Schadensersatz für 18,5 Jahre wegen Urheberrechtsverletzung an Musik
Der Streit um die Urheberrechte am Rhythmus des Kraftwerk-Lieds ging bereits durch sämtliche Instanzen. Sogar das Bundesverfassungsgericht und der EuGH haben sich bereits mit dem Fall befassen müssen. Der BGH könnte jetzt schon sein fünftes Urteil in diesem endlosen Rechtsstreit fällen.
Eine zwischenzeitliche Vereinheitlichung des Urheberrechts in der Europäischen Union (EU) im Jahre 2002 ermöglichte zwar ein Urteil des Oberlandesgerichtes Hamburg, das der Band Kraftwerk einen Schadensersatzanspruch für einen Zeitraum von 18,5 Jahren zusprach. Für den Zeitraum ab dem 7. Juni 2021 wies das Gericht die Klage jedoch ab, ließ aber Revision zu. Genau das ist der Grund, weshalb der BGH nun erneut entscheiden muss.
Was ist ein Pastiche? EuGH soll Licht ins Dunkle bringen…
Der Urheberrechtsstreit führte bisher zu maßgeblichen Gesetzesänderungen im Urheberrecht. Darunter die Abschaffung der freien Benutzung in § 24 Urheberrechtsgesetz (UrhG) und die Einführung einer Pastiche-Schranke im 2021 neu eingeführten § 51a UrhG. Letzteres geschah im Rahmen einer Umsetzung von EU-Recht in deutsches Recht. Infolgedessen sollten Werke, die zum Zwecke der Karikatur, der Parodie oder des Pastiches veröffentlicht werden, verbreitet und öffentlich wiedergegeben werden dürfen.
Das OLG Hamburg war der Auffassung, dass es sich bei der Nutzung der Tonsequenz aus „Metall auf Metall“ um ein zulässiges Pastiche im Sinne des § 51a UrhG handele und deshalb ein Schadensersatzanspruch für den Zeitraum nach Juni 2021 nicht mehr in Betracht komme. In Karlsruhe am BGH ist man indessen anderer Ansicht: Der Begriff „Pastiche“ wie er im EU-Recht begründet wurde, sei unbestimmt und auslegungsbedürftig. Auch die Beschreibungen „unklar, nebulös und schillernd“ fielen im Laufe der Verhandlungen. Was genau mit einem „Pastiche“ gemeint ist, sei „ein großes Rätsel.“ Da die deutsche Gesetzgebung jedoch keinen Gestaltungsspielraum bei der Auslegung von unionsrechtlich geprägten Begriffen habe, müsse der Fall nun an den EuGH weitergereicht werden.
Fünftes Urteil im Urheberrechtsstreit wegen 2-sekündiger Tonfolge erwartet
Das Urteil wird große Bedeutung für die Musikbranche und sämtliche Urheberrechte an Musikstücken entfalten. Mit Spannung wird man nun abwarten, wie der EuGH den Begriff „Pastiche“ auslegen wird. Erst dann wird der BGH ein fünftes Urteil fällen und entscheiden können, ob es sich bei dem 2-sekündigen Beat um ein zulässiges „Pastiche“ oder ein einverständnisbedürftiges „Sample“ handelt.