Thomas Cook-Pleite

Die Konzerninsolvenz und ihre Auswirkungen auf deutsche Tochtergesellschaften

Veröffentlicht am: 01.10.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Die Konzerninsolvenz und ihre Auswirkungen auf deutsche Tochtergesellschaften

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Jens Nyenhuis

Der englische Reiseveranstalter Thomas Cook ist insolvent – mit gravierenden Folgen für die Reisenden. Diese wurden teilweise gegen ihren Willen in Hotels festgehalten und zur nochmaligen Zahlung aufgefordert. Die englische Regierung versucht seither im Rahmen der Operation „Matterhorn“ jedenfalls die englischen Touristen zurück in die Heimat zu holen.

In der Folge haben einige deutsche Tochtergesellschafter von Thomas Cook, die Thomas Cook GmbH, die Thomas Cook Touristik GmbH und die Bucher Reisen & Öger Tours GmbH, Insolvenzanträge gestellt.

Hingegen hat die Condor Flugdienst GmbH, eine weitere Thomas Cook-Tochter, bisher keinen Insolvenzantrag stellen müssen. Die Hintergründe dieser Unterschiede werden nachfolgend beleuchtet.

Insolvenz in England

Die englische Thomas Cook Group Plc, ein börsennotierter Reisekonzern mit Sitz in London, befindet sich in Zwangsliquidation und steht unter Aufsicht eines Official Receiver. Nach Mitteilung der englischen Flugaufsicht haben Thomas Cook sowie alle englischen Konzernunternehmen ihre Geschäftstätigkeiten eingestellt. Sämtliche Flüge wurden storniert.

Hintergrund der Insolvenz von Thomas Cook sind, soweit bekannt, erhebliche Verbindlichkeiten in Höhe von annährend zwei Milliarden Pfund. Zudem häufte Thomas Cook auch im letzten halben Geschäftsjahr weitere Verluste in erheblicher Höhe an. Die Bemühungen der englischen Konzernleitung um weitere Finanzierungen scheiterten.

Das beschriebene Verfahren entspricht sinngemäß dem deutschen Insolvenzverfahren und wird unter anderem im Falle der Zahlungsunfähigkeit angestrengt. Der Official Receiver wird bestellt und übernimmt die Kontrolle über das insolvente Unternehmen. Seine Rolle ähnelt damit der eines Insolvenzverwalters nach deutschem Recht.

Auswirkungen auf deutsche Konzerngesellschaften

Das deutsche Insolvenzrecht folgt dem sogenannten Rechtsträgerprinzip. Eine Konzerninsolvenz im engerem Sinne existiert demnach nicht. Es ist für jede einzelne Gesellschaft zu prüfen, ob ein Insolvenzgrund vorliegt und damit eine Insolvenzantragspflicht besteht.

Die Insolvenzantragspflicht richtet sich für die in Deutschland ansässigen Thomas Cook-Konzernunternehmen ausschließlich nach deutschem Recht. Das deutsche Insolvenzrecht knüpft die Insolvenzantragspflicht an das Vorliegen entweder einer Zahlungsfähigkeit oder einer Überschuldung im Sinne der Insolvenzordnung.

Dem bloßen Umstand, dass die Muttergesellschaft insolvent ist, folgt nicht automatisch eine Insolvenz der Tochtergesellschaft. Die an der Tochtergesellschaft gehaltene Beteiligung gehört jedoch zur Insolvenzmasse und ist somit im Rahmen der Verwertung durchaus Gegenstand des englischen Insolvenzverfahrens.

Ferner existieren in der Praxis diverse insbesondere finanzielle Verflechtungen innerhalb von Konzernverbünden mit der praktische Folge, dass die Insolvenz der Konzernmutter häufig zur Insolvenz der Tochterunternehmen führt. Wie die Unterschiede der deutschen Thomas Cook-Töchter zeigen, kann es hier jedoch zu unterschiedlichen Entwicklungen kommen.

Gesetzliche Entwicklungen und Hinweise für die Praxis

In der deutschen Insolvenzordnung sind mit Wirkung zum 21. April 2018 einige Vorschriften zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen in Kraft getreten. Eine Konzerninsolvenz wurde damit jedoch nicht eingeführt. Vielmehr dienen die gesetzlichen Neuregelungen der praktischen Koordination von Unternehmensgruppen in der Insolvenz. So wurde ein Gruppengerichtsstand und einige Koordinations-, Informations- und Kooperationspflichten eingeführt.

In der Praxis ist aus Sicht deutscher Konzernunternehmen selbständig zu prüfen, ob eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und damit potenziell eine Insolvenzantragspflicht besteht. Es gehört zu den Aufgaben der Geschäftsleitung, in Krisensituationen das wirtschaftliche Überleben des Tochtergesellschaft, gegebenenfalls als unabhängiges Unternehmen, zu gewährleisten. Vorbeugend sollte die Geschäftsleitung insbesondere die Geschäftsbeziehungen zur Konzernmutter laufend prüfen und sich für den Krisenfall absichern. Anderenfalls droht im Insolvenzfall eine eigene persönliche Haftung der Geschäftsleitung.