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Sonderprüfung – Geschäftsgeheimnisse im Bericht

Schwärzung, Schwärzungsverfahren und Hauptversammlung

Früher führte die Sonderprüfung ein Schattendasein in der AG. Heute beschäftigt die Sonderprüfung nicht nur Aktionäre, Vorstand und Aufsichtsrat, sondern vor allem auch die Gerichte. Geschrieben werden dabei spannende Geschichten bzw. Urteile.

Veröffentlicht am: 08.11.2024
Qualifikation: Rechtanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Die Sonderprüfung ist – mehr oder weniger – das einzige taugliche Mittel der Aktionäre, dem Vorstand und dem Aufsichtsrat genauer auf die Finger zu schauen. Wesentlicher Teil der Sonderprüfung ist der Sonderprüfungsbericht. Er ist das Ergebnis der mitunter sehr aufwändigen Prüfungen des Sonderprüfers. 

Da die Sonderprüfung Licht in das Dunkel der Handlungen (vielleicht auch Machenschaften) von Vorstand und Aufsichtsrat bringen soll, ist die Offenlegung unternehmensinterner Umstände im Sonderprüfungsbericht mehr oder weniger zwangsläufig. Dies birgt natürlich das Risiko, dass auch Geschäftsgeheimnisse im Sonderprüfungsbericht offenbart werden (müssen). Der Gesetzgeber hat daher ein sogenanntes „Schwärzungsverfahren“ eingeführt. Was das ist und welche Blüten dieses treiben kann, zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Bremen (OLG Bremen, Beschluss vom 23.4.2024 – 2 W 63/23).

Hintergrund – Sonderprüfung § 142 AktG

Den Aktionären stehen nur wenige Informationsrechte zur Verfügung. In der Praxis wesentlich ist das Auskunftsrecht in der Hauptversammlung (§ 131 AktG).

Dieses steht dem Aktionär indes typischerweise nur einmal jährlich in der ordentlichen Hauptversammlung zur Verfügung. Hinzukommt, dass sich das Auskunftsrecht nur auf die auf der Tagesordnung stehenden Punkte beziehen darf. Fragen zu Sachverhalten, die weiter in die Vergangenheit reichen oder komplexer sind, lassen sich mit dem Auskunftsrecht kaum aufklären.

Hier kommt die Sonderprüfung ins Spiel. Sie ermöglicht zu jedem Zeitpunkt die Aufklärung älterer und vor allem komplexer Sachverhalte durch einen unabhängigen Prüfer (meist Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer). Durch die Einschaltung eines außenstehenden Prüfers können Vorstand und Aufsichtsrat etwaige Unregelmäßigkeiten kaum verbergen. Wichtig zu wissen ist, dass die Sonderprüfung entweder durch einen Beschluss der Hauptversammlung eingeleitet werden kann oder im Wege eines gerichtlichen Antrags einer Aktionärsminderheit. Während es für die Einleitung einer Sonderprüfung nur einer entsprechenden Mehrheit bedarf, müssen die Minderheitsaktionäre einen Verdacht schwerer Pflichtverletzungen darlegen.

Sonderprüfungsbericht des Prüfers

Nach Abschluss der Sonderprüfung erstellt der Sonderprüfer seinen schriftlichen Bericht. Inhaltlich muss der Bericht schonungslos die Fragen fokussieren, die Gegenstand des Sonderprüfungsantrags im Rahmen der Einleitung der Sonderprüfung waren.

Der Sonderprüfer hat seinen Bericht dem Vorstand der Aktiengesellschaft vorzulegen. Der Vorstand wiederum hat den Bericht dem Aufsichtsrat vorzulegen und auch jedem Aktionär auf dessen Verlangen eine Abschrift zu erteilen. Er muss zudem den Bericht zum Gegenstand der nächsten, folgenden Hauptversammlung machen. 

Veröffentlichung des Sonderprüfungsberichts

Das Aktiengesetz sieht für den Sonderprüfungsbericht aber noch etwas Besonderes vor. So heißt es in § 145 AktG:

„Die Sonderprüfer haben den Bericht zu unterzeichnen und […] zum Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft einzureichen.“

Der Sonderprüfungsbericht, der schonungslos interne Vorgänge aufzeigen soll, wird mithin über den Umweg des Handelsregisters jedem beliebigen Dritten bekannt – auch der Konkurrenz. Verschärft wird dies noch dadurch, dass nach § 145 AktG auch „Tatsachen, deren Bekanntwerden geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, [..] in den Prüfungsbericht aufgenommen werden [müssen], wenn ihre Kenntnis zur Beurteilung des zu prüfenden Vorgangs durch die Hauptversammlung erforderlich ist.“Und genau diese nachteiligen Tatsachen standen im Fokus des eingangs erwähnten Urteils des OLG Bremen.

Schwärzung & Geschäftsgeheimnisse im Sonderprüfungsbericht

Im Fall des OLG Bremen hatte der Mehrheitsaktionär über den Weg eines Hauptversammlungsbeschlusses eine Sonderprüfung eingeleitet. Gegenstand dieser waren Steuerungs- und Überwachungsvorgänge bei einem großen Bauprojekt der AG. Betreffend dieses Bauprojekt stand der Vorstand der AG in (Nach-)Verhandlungen mit der Grundstücksverkäuferin und anderen beteiligten Unternehmen über Schadensersatzzahlungen zu Gunsten der AG. Durch einzelne Passagen im Sonderprüfungsbericht sah er diese Verhandlungen als gefährdet an und begehrte die Löschung dieser Passagen im Sonderprüfungsbericht.

Der Vorstand bezog sich dabei auf das sogenannte Schwärzungsverfahren nach § 145 Abs. 4 AktG. Die Regelung eröffnet dem Vorstand die Möglichkeit, bei Gericht die Löschung bzw. Schwärzung bestimmter Teile des Sonderprüfungsberichts zu beantragen, wenn überwiegende Belange der Gesellschaft dies gebieten und sie zur Darlegung der schweren Verletzungen gemäß § 142 Abs. 2 AktG nicht unerlässlich sind.

Das OLG Bremen gab dem Antrag des Vorstandes nicht statt. Es berief sich dabei vor allem auf die Gesetzesbegründung. In dieser heißt es ausdrücklich: „Die Ausnahmeregelung [des § 145 Abs. 4 AktG] betrifft nur das Minderheitsverlangen nach § 142 II AktG.“ Das Gericht argumentiert weiter, dass die Hauptversammlung eine Veröffentlichung von Interna bei ihrer Mehrheitsentscheidung zur Sonderprüfung vorher bedenken und deren Folgen im Rahmen dieser Entscheidung in Kauf nehmen müssten.

Richtig überzeugend ist diese Sichtweise und Argumentation nicht, denn auch die Minderheitsaktionäre können – wie die Aktionärsmehrheit – eine Veröffentlichung von Interna vorher bedenken und deren Folgen im Rahmen dieser Entscheidung in Kauf nehmen. So sprechen sich auch Teile der Fachliteratur dafür aus, dass ein Vorstand stets die Möglichkeit haben sollte, die Veröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen, Betriebsgeheimnissen und anderen Umständen, die der Gesellschaft einen erheblichen Schaden zufügen könnten, zumindest gerichtlich überprüfen zu lassen.

Praxistipps für Vorstand, Sonderprüfer und Aktionäre

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft sollte (besser: muss) in der jeder Phase einer Sonderprüfung dem Sonderprüfer deutlich zu erkennen geben, welche Umstände aus welchen Gründen der Vertraulichkeit unterliegen und nicht veröffentlicht werden sollten. Der Prüfer hat dann pflichtgemäß darüber zu entscheiden.

Den Aktionären ist empfohlen, sich im Vorfeld eines Sonderprüfungsantrags Gedanken über die konkreten Fragestellungen zu machen. Diese geben die Richtung für Prüfungsberichte vor. Offen ist, inwiefern die Aktionäre – Mehrheitsaktionäre wie Minderheitsaktionäre – durch die Formulierung des Auftrags an den Prüfer Einfluss auf den Inhalt des Berichts nehmen können.