Rückzahlbarkeit des Finanzplankredits
- bei Ausscheiden des darlehensgewährenden Gesellschafters?
Mit Urteil vom 23.10.2019 hatte das OLG Frankfurt am Main auf die Berufung des Klägers hin in einem Gesellschafterstreit darüber zu entscheiden, ob ein der Gesellschaft gewährter Finanzplankredit bei Ausscheiden des darlehensgebenden Gesellschafters von diesem ordentlich gekündigt werden kann.
GmbH zwecks Grundstückskauf und -bebauung
Der zunächst vor dem LG Darmstadt verhandelte Fall nahm seinen Ursprung mit Gründung einer GmbH zum Zwecke des Erwerbs eines Grundstücks und der anschließenden Bebauung dieses Grundstücks mit einem Mehrfamilienhaus durch zwei Gesellschafter.
Nach Kapitalisierung der GmbH bis zur Stammkapitalziffer sollten die für Erwerb und Bebauung des Grundstücks notwendigen Mittel der Gesellschaft von den beiden Gesellschaftern jeweils hälftig als Darlehen zur Verfügung gestellt werden. Grundlage hierfür war eine Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern, wonach diese sich dazu verpflichteten, der GmbH jeweils zu gleichen Teilen die für die Aufnahme der avisierten Geschäftstätigkeit erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Nachdem einer der beiden Gesellschafter durch Veräußerung seiner Anteile an seinen Mitgesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden war, forderte der ausgeschiedene Gesellschafter das gewährte Darlehen von der Gesellschaft und seinem ehemaligen Mitgesellschafter als Gesamtschuldner zurück.
Einordnung als Finanzplankredit
Das OLG Frankfurt am Main versteht die Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern, anders als die Vorinstanz des LG Darmstadt dies getan hatte, als Finanzplankredit.
Ein Finanzplankredit liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn folgende Faktoren vorliegen:
- eine Bindung der eingegangenen Darlehensverpflichtung an die Gesellschafterstellung,
- eine beteiligungsproportionale Verpflichtung der Gesellschafter der Gesellschaft,
- die Einräumung besonders günstiger Zinskonditionen für die Gesellschaft,
- die Pflicht zur langfristigen Überlassung der Darlehensvaluta bzw. entsprechende Kündigungsbeschränkungen
- sowie – nach Einschätzung der Gesellschafter beim Schluss der Vereinbarung – die Unentbehrlichkeit der Darlehensgewährung für die Verwirklichung der gesellschaftsvertraglichen Ziele.
Konsequenz der Einordnung eines Gesellschafterdarlehens als Finanzplankredit in der vorgenannten Weise ist, dass das gewährte Darlehen als einlagegleiche Leistung zu betrachten und entsprechend dem Haftkapital der GmbH zuzurechnen ist, die ohne das Darlehen ihren Gesellschaftszweck nicht verwirklichen könnte. Die Forderung ist dementsprechend für den Falle der Insolvenz der Gesellschaft subordiniert, wird also nicht zurückgeführt, auch nicht quotal, bevor alle anderen Massegläubiger befriedigt wurden. Es greift die Rückzahlungssperre der §§ 30, 31 GmbHG nach Kriseneintritt analog.
Die Verpflichtung zur Gewährung eines solchen Finanzplankredites kann bereits im Gesellschaftsvertrag festgeschrieben sein. Sie kann ebenso auf einem Gesellschafterbeschluss oder einer ausdrücklichen oder konkludent vereinbarten schuldrechtlichen Abrede zwischen den Gesellschaftern oder der Gesellschaft und den Gesellschaftern beruhen.
Rückzahlungsverpflichtung nach Kündigung durch ausgeschiedenen Gesellschafter
Folgerichtig entschied das OLG Frankfurt am Main nunmehr, dass bei Finanzplankrediten das Recht zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung zwar regelmäßig ausgeschlossen ist, was bereits aus dem Zweck der Darlehensgewährung folgt, dies allerdings – ohne anderweitige explizite Vereinbarung zwischen den Beteiligten im Darlehensvertrag – dazu führt, dass einem Gesellschafter mit dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft grundsätzlich ein Kündigungsrecht erwächst.
Im konkret entschiedenen Fall ergab sich weder aus einer Auslegung der zwischen den Gesellschaftern getroffenen Abrede noch aus einer Auslegung der zwischen dem ausgeschiedenen Gesellschafter und der GmbH geschlossenen Darlehensverträge, dass die Darlehen auch bei einem Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft nicht gekündigt werden durften.
Gerade in einem Fall, in dem der Darlehensgeber nicht mehr an dem Erfolg einer Gesellschaft partizipieren wird und auch keinerlei Einflussmöglichkeiten auf das Geschick der Gesellschaft besitzt, so das OLG Frankfurt am Main, widerspräche es Treu und Glauben, diesen ehemaligen Gesellschafter letztlich auf unbestimmte Zeit an den Darlehensverträgen festhalten zu wollen.
Erhebliche Konsequenzen für die mittelständische Praxis
Der Gesellschafterwechsel in Situationen, in denen einer Gesellschaft – gegebenenfalls auch vor langer Zeit – von ihren bisherigen Gesellschaftern ein Finanzplandarlehen gewährt wurde, ist eine in der Praxis häufig vorkommende Konstellation.
Für den Fall, dass keine schriftlichen Darlehensverträge vorliegen, in denen klar geregelt ist, dass das Darlehen auch im Falle des Ausscheidens nicht ohne weiteres kündbar sein soll, müssen Kündigungsmöglichkeit und daraus resultierende Rückzahlungsverpflichtungen der Gesellschaft künftig bei den Verhandlungen über das Ausscheiden eines Gesellschafters, insbesondere im Falle des Verkaufs der Anteile an Mitgesellschafter oder Dritte, unbedingt beachtet und „eingepreist“ werden.
Gegebenenfalls sollte vereinbart werden, dass dem ausscheidenden Gesellschafter von dem Erwerber der Anteile ein Ausgleich für das Darlehen gezahlt beziehungsweise dieses mitveräußert und abgetreten wird. Anderenfalls droht der Gesellschaft gegebenenfalls ein ganz erheblicher, unvorhergesehener Liquiditätsentzug, wenn der ehemalige Gesellschafter nach seinem Ausscheiden – wie im vorliegenden Fall – das Darlehen kündigt und Rückzahlung verlangt.