Operation Huracán – Millionenschwere Steuerhinterziehung
Steuerbetrug durch Luxusautos i.H.v. 38 Millionen Euro (Behördenschätzung)
Steuerbetrug in großem Stil führt zu Großrazzia in Europa: Organisierte Kriminalität von Fahrzeughändlern aufgeflogen. Zwei Hauptverdächtige sowie 92 Fahrzeuge wurden sichergestellt.
Es handelt sich nach bisherigen Erkenntnissen der Steuerbehörden um einen der bislang größten Fälle von organisierter Kriminalität im Handel mit Luxusautos in Deutschland. Mehr als 2.000 Steuer-, Zoll- und Polizeifahnder waren kürzlich in sieben Ländern (Deutschland, Belgien, Ungarn, Italien, Niederlande, Portugal und Spanien) unter Leitung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) im Einsatz.
Bei der Durchsuchung von insgesamt 500 Wohnungen und anderen Objekten wurden 92 Luxus-Fahrzeuge sowie Bargeld in Millionenhöhe in Taschen und Kartons sichergestellt. Fünf Tatverdächtige sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Insgesamt sollen international jedoch mehr als 60 Personen im Verdacht stehen, an der organisierten Steuerhinterziehung durch Kfz-Handel beteiligt zu sein oder zumindest unterstützend dazu beigetragen zu haben.
NRW ist Hotspot für Steuerbetrug mit Sportwagen
Bereits im Jahr 2017 sollen sich die europaweiten Strukturen für den Steuerbetrug bei Autoverkäufen gebildet haben. 2021 wurden deutsche Behörden das erste Mal darauf aufmerksam, nachdem eine italienische Steuerbehörde dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) gemeldet hat, dass dubiose Transporte von Autos zwischen Deutschland und Italien stattgefunden haben. Kurze Zeit später übernahm die Europäische Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zum internationalen Steuerbetrug.
Ein Schwerpunkt der Razzia lag in Nordrhein-Westfalen (NRW). Durchsucht wurde unter anderem ein ehemaliger Hochbunker in Düsseldorf sowie ein Autohaus in Grevenbroich, von dem bereits 30 hochwertige Fahrzeuge sichergestellt und abtransportiert wurden. Im Rahmen der Durchsuchungen wurden außerdem zwei Hauptverdächtige in Würzburg festgenommen.
Unterlassene Umsatzsteuererklärung/-voranmeldung bei Streckenverkäufen
Im Laufe der steuerrechtlich strafwürdigen Handlungen soll Behörden zufolge mit mehr als 10.000 luxuriösen Autos gehandelt worden sein. Aus dem europaweiten Verkauf der Fahrzeuge sollen bis zu 38 Millionen EUR Mehrwertsteuer (bzw. Umsatzsteuer) gegenüber den jeweils örtlich zuständigen Finanzämtern nicht erklärt und abgeführt worden sein.
Ähnlich wie bei sogenannten Umsatzsteuer-Karussell-Geschäften bestehen auch hier Anhaltspunkte dafür, dass der erste Erwerber nach der Lieferung von Kraftfahrzeugen über eine nationale Grenze keine vollständige Erklärung des innergemeinschaftlichen Erwerbs vornimmt und darüber hinaus die sich national aus Weiterverkäufen entstehende Umsatzsteuerschuld nicht gegenüber den zuständigen Finanzbehörden anmeldet.
Aufgrund der unterlassenen Erklärung der Umsatzsteuer aus weiteren Verkäufen gewinnen die Kfz-Händler einen finanziellen Spielraum, um die Fahrzeuge zu günstigen Konditionen weiterzuveräußern. Um nicht erwischt zu werden, werden die Firmen nach kurzer Zeit wieder aufgelöst und verschwinden. Deswegen werden sie auch als „Missing-Trader-Firmen“ bezeichnet.
Nach bisherigen Erkenntnissen sollen die am Steuerbetrug beteiligten Fahrzeughändler durch sogenannte Ring- oder Streckenverkäufe Umsätze in Höhe von 225 Millionen Euro erzielt haben.
Umsatzsteuerkarussell – eine besondere Art der Steuerhinterziehung
Kriminalhistorisch betrachtet traten Umsatzsteuerkarussells bereits zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts in Erscheinung. Durch den Einsatz von Missing-Tradern als Wiederverkäufer von Waren aus nicht erklärten Wareneinkäufen wurden Steuerbeträge in Millionenhöhe hinterzogen. Damals wurden die gehandelten Waren mehrfach weiterverkauft, wobei sich die beteiligten Händler die Umsatz-/Mehrwertsteuer unrechtmäßig erstatten ließen oder nicht abgeführt haben.
LG Köln prüft Steuerhinterziehung, Geldwäsche & Co.
Es wird erwartet, dass die EPPO – ggf. unter Einbeziehung der Kölner Staatsanwaltschaft – gegen zwei Hauptverdächtige Anklage vor dem Landgericht Köln erheben wird. Als Anklagepunkte kommen neben der Steuerhinterziehung (§ 370 I AO), insbesondere auch im besonders schweren Fall (§ 370 III AO), auch Betrug (§ 263 StGB), Bildung krimineller Vereinigungen (§ 129 StGB), Geldwäsche (§ 261 StGB) und Urkundenfälschung (§ 267 StGB) in Betracht.
Besondere fiskalische Bedeutung erlangen die im Zuge der Razzien bzw. Durchsuchungen bereits getroffenen „Maßnahmen zur Vermögenssicherung und -abschöpfung“. Die Sicherung von Kraftfahrzeugen und anderen Gegenständen wie Bargeld soll dem Ausgleich bzw. der Wiedergutmachung des bereits entstandenen Schadens in Höhe von 38 Millionen EUR dienen. Mit Rechtskraft der angeordneten Einziehung gehen nämlich sämtliche sichergestellte Fahrzeuge sowie das Bargeld in das Staatsvermögen über.