Bald Mehrstimmrechtsaktien in Deutschland!
Wichtige Neuerungen im Zukunftsfinanzierungsgesetz
Das Zukunftsfinanzierungsgesetz sieht Neuerungen für Startups vor - u.a. die Einführung der bedeutsamen Mehrstimmrechtsaktien.
Das von der Ampel geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz soll die sog. "Mehrstimmrechtsaktien" in Deutschland wieder einführen. Was dahinter steckt und welche Punkte noch für Diskussionsbedarf sorgen, haben Vertreter der Regierung in Berlin jüngst der Anwaltschaft erklärt.
Wichtige Punkte im Zukunftsfinanzierungsgesetz
Die Informationsbroschüre des Bundesfinanzministeriums zum sog. Zukunftsfinanzierungsgesetz ist lang und die geplanten Änderungen und Verbesserungen sind ambitioniert. Zu den im Koalitionsvertrag vorgesehenen Änderungen zählen unter anderem:
- Digitalisierung des Kapitalmarktes
- Erleichterung & Regelung der Übertragung von Kryptowährungen
- Erleichterung von Kapitalerhöhungen & zum Bezugsrechtsausschluss
- Erleichterungen bei den Börsenzulassungsanforderungen und bei den Zulassungsfolgepflichten auf dem Aktienmarkt
- Legalisierung bzw. Einführung von Mehrstimmrechtsaktien
Während die Vorstellungen zu den ersten vier Punkten aber noch eher vage sind, ist die Diskussion zur Einführung der Mehrstimmrechtsaktien bereits recht fortgeschritten. Dabei sind Mehrstimmrechtsaktien die vom Kapitalmarkt wohl am sehnsüchtigsten erwartete Neuerung des Gesetzes.
Mehrstimmrechtsaktien in Deutschland - Begriff & Verbot
Unter dem Begriff "Mehrstimmrechtsaktien" (engl. "dual class shares") versteht man Aktien, die mehrere Stimmrechte für eine Aktie verbriefen. Damit ist sie eine sog. Vorzugsaktie. In Deutschland ist die Mehrstimmrechtsaktie derzeit gesetzlich verboten. Geregelt ist das in § 12 II des Aktiengesetzes (AktG).
Obwohl sie historisch betrachtet früher auch hierzulande zulässig war, wurde 1998 zunächst die Ausgabe neuer Mehrstimmrechtsaktien verboten, und schließlich wurden sie 2003 gänzlich ausgeschlossen. Als Begründung wurde angeführt, dass Mehrstimmrechtsaktien die Kontrolle der Eigentümer über die Aktiengesellschaft schwächen würden.
Verbreitung & Wettbewerb am Kapitalmarkt
In vielen anderen Ländern der Welt ist die Mehrstimmrechtsaktie dagegen erlaubt und auch weit verbreitet: Neben den nordischen europäischen Ländern wie Schweden ist auch in der Europäischen Gesellschaft (SE) die Ausgabe erlaubt.
Tatsächlich haben viele große und weltweit agierende Konzere dual class shares ausgegeben, darunter zum Beispiel H&M, Volvo, Apple, Google und Facebook. Insgesamt werden bei ca. 40% der weltweiten Börsengänge solche Vorzugsaktien ausgegeben.
Weltweit zeichnet sich derzeit ein Trend ab, die Mehrstimmrechtsaktien (wieder) zuzulassen. So haben sich zuletzt unter anderem Belgien, Großbritannien und Portugal auf den Weg der Legalisierung gemacht - weil das Verbot am Kapitalmarkt als Wettbewerbsnachteil gesehen wird.
Vorteile für Startups, Investoren & Tech
Denn dual class shares erfüllen das Bedürfnis vieler Marktteilnehmer nach einer weitreichenderen Kontrolle über ihr Unternehmen auch nach einem Börsengang. So wollen insbesondere Gründer von Startups die wegweisenden Entscheidungen für ihr Unternehmen jedenfalls mittelfristig auch dann treffen, wenn ihr Unternehmen als Aktiengesellschaft an die Börse geht. Insbesondere im Tech-Bereich, wo Entscheidungsträger auch technisches KnowHow haben sollten, macht sich dieses Bedürfnis besonders bemerkbar.
Auch wenn manche Investoren den Vorstoß der Bundesregierung kritisieren, würde wohl - so die Annahme - die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien für viele Unternehmer den Börsengang überhaupt erst möglich machen. Denn Umfragen belegen laut Bundesministerium, dass viele Unternehmen derzeit aus Angst vor Kontrollverlust den Börsengang scheuen.
In anderen Gesellschaftsformen, etwa bei der GmbH, kann per Gesellschaftsvertrag ein Mehrstimmrecht für bestimmte Anteile vereinbart werden. Daher ist für viele Startups die GmbH die (noch) vorzugswürdige Gesellschaftsform.
Regulierung und Voraussetzungen
Dass Investoren trotzdem geschützt und Missbrauch vorgebeugt werden muss, darüber bestehen indes bei der Regierung keine Zweifel. Und so wird im Rahmen der Diskussion um die Gesetzesentwürfe viel diskutiert, wie mögliche Beschränkungen der Mehrstimmrechtsaktien aussehen können. Derzeit werden vor allem folgende fünf Mechanismen in Betracht gezogen:
- Einführung eines sog. Stimmrechts-Cap: Pro Aktie soll nur eine Maximalzahl an Stimmen vergeben werden, z.B. maximal 10 Stimmen pro Aktie.
- Beschränkung der Erlaubnis auf sog. Wachstumsunternehmen (Startups).
- Zeitliche Befristung der Mehrstimmrechtsaktien.
- Geltung einer sog. Sunset Clause: Nach Übertragung der begünstigten Aktie auf einen anderen soll die Privilegierung entfallen.
- Transparenz: Schaffung gesetzlicher Vorschriften, sodass die Stimmrechtsverteilung eingesehen werden kann.
Ob alle oder nur einige dieser Beschränkungen es in den Gesetzesentwurf schaffen, ist derzeit noch offen.
Fazit: Bedeutungen für den Kapitalmarkt
Für Investoren und Aktionäre wird der Einzug der Mehrstimmrechtsaktien in den deutschen Kapitalmarkt aller Voraussicht nach vor allem frischen Wind bringen. Für viele Gründer dürfte sich mit dem neuen Gesetz die Wahl ihrer bisherigen Rechtsform infrage stellen - bietet doch die Ausgabe von Aktien eine attraktive Möglichkeit zur Finanzierung von Startups.
Für viele andere versprochene Neuerungen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes kann man leider derzeit solch Hoffnungen zeitnah wohl nicht wagen - insbesondere in Bezug auf die Kryptowährungen und anvisierte Erleichterungen für Kapitalerhöhungen gibt es leider bisher kaum konkrete Vorschläge für den Gesetzesentwurf.
Unser News-Video zum Thema
Das wichtigste erklärt Ihnen unsere Rechtsanwältin Frau Schönbohm auch in unserem aktuellen Videobeitrag zum Thema Mehrstimmrechtsaktien.